Keynote: Das „Wheel of Retailing“ wird quasi zum Turbolader
Mit seiner Keynote “Online, Offline, No-Line – die digitale Revolution verändert die Handelsstrukturen” gab Prof. Dr. Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Research Center, Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule-Niederrhein und bekannter E‑Commerce-Guru, einen Blick in die Zulunft des Online-Handels. Wir hatten das Thema ja schon öfter hier im Blog. “_Die digitale Revolution nimmt ihren Lau_f”, meinte der Wissenschaftler, der auch über umfassende praktische Handelserfahrungen verfügt.
Auch in den kommenden Jahren werde der Verkauf über den Online-Kanal und vor allem mobile Endgeräte weiter boomen, während der stationäre Einzelhandel seit Jahren nur noch auf der Stelle tritt. Prof. Heinemann: “Eine weitere Steigerung der Online-Anteile an den Einzelhandelsumsätzen ist offensichtlich auch für die nächsten Jahre sichergestellt”. In bis zu 50 Prozent der Einkaufsfälle stehe mittlerweile zuerst das** Searching und Browsing**, also das Stöbern im Netz – als Einstieg in einen Kaufprozess. Erst nach dieser Recherche auf der Website des Händlers erfolge je nach Situation und Tagesverlauf die Entscheidung, ob per Klick oder Filialbesuch gekauft wird, unabhängig davon, wohin das Produkt geliefert werden soll. Und dabei haben die Händler bereits das Nachsehen, die keine Kaufmöglichkeit auf ihrer Website anbieten, obwohl täglich etliche ihrer Stammkunden dort schon suchen und dadurch bereits viel „natürliche“ Frequenz dort generieren.
Als „Rompo“ – research online mobile purchase offline – also die bereits den meisten Käufen im Geschäft vorausgehende Informationssuche im Internet und per Smartphone, wird dieses Phänomen bezeichnet. Hat der Kunde dabei im Internet gekauft, erwartet er nach dem Kauf eine nahtlose Abwicklung seiner Umtäusche oder Retouren, egal an welchem Verkaufsort und über welchen Kanal. Das erfordert nicht nur eine Online-Präsenz der stationären Händler im Netz, sondern das Verschmelzen von Online- und Offline-Kanälen zu einem „Gesamtsystem aus einem Guss“. Es gehe darum, die Kanäle derart zu vernetzen, dass der Kunde diese gar nicht mehr als getrennte Verkaufsformen wahrnimmt, womit ihm dann maximale „Channel-Hopping“-Möglichkeit geboten wird. Dieses Hin- und Herspringen zwischen den Kanälen trägt seinem veränderten Einkaufsverhalten Rechnung, was er nachweislich dann auch durch höhere Einkaufsbeträge honoriert.
Dabei finde E‑Commerce heute auf einer weitaus** höheren Evolutionsstufe** statt, als noch vor wenigen Jahren. Diese stelle an Tempo und Kraft alles in den Schatten, was bisher an Dynamik im Handel zu beobachten gewesen sei. Mit den mobilen Geräten werde das „Wheel of Retailing“ quasi zum Turbolader, durch den der Online-Kauf vom Schreibtisch auf das Sofa und die Straße gezogen wird und dadurch immer neue Anwendungen und Geschäftsmodelle ermöglicht. Insbesondere die Smartphones der vierten Generation machen — so der Experte in seiner Keynote — ein völlig neues Einkaufserlebnis möglich.
Der Handel müsse sich dies zunutze machen, indem er beispielsweise die Konsumenten gezielt mit mobilen Werbeformen in seine Geschäfte lenke und dem Kunden “digitale Fußfesseln” anlege. Dabei prägte er den Satz: „Die Zukunft von online ist offline“. Entsprechend dieser wachsenden „Omni-Channel-Nutzung“ steige auch die Rolle des mobilen Internet zur generellen Kaufvorbereitung stetig an und beeinflusse nachhaltig den Kauf im Laden. Und das eröffne neue Verkaufschancen für den stationären Handel und fördere die Verschmelzung von Online- und Offline-Kanälen zu neuartigen „No-Line-Systemen“.
Allerdings ist von dieser neuen Shopping-Welt hier am Veranstaltungsort noch wenig zu spüren. Obwohl sich die Zeilgalerie mit ihren knapp 40 Shops, Gastronomieeinrichtungen und Event-Hot-Spots als “District for contemporary lifestyle” selbst feiert, ist beim Gang durch das Einkaufszentrum kein einziges Lockangebot auf den Smartphones und Tablets der Teilnehmer eingetroffen. Chance verpasst oder die Zukunft dauert noch etwas?
In vielen deutschen Shops — so Prof. Heinemann — gibt es sogar noch Störsender, die den Handyempfang blockieren. Fatal angesichts des Trends für 2013 “SoLoMo” — Social,Local, Mobile. Aber der Professor macht auch Hoffnung: Mit einer neuen Generation von Entscheidern im Handel wird sich auch diese Situation mit der Zeit ändern.