Neuromarketing: Frauen shoppen, Männer kaufen ein
Wie schon auf den vorherigen Stationen der Adobe-Roadshow in München und Frankfurt, kam auch in Berlin die Keynote wieder vom Gehirnforscher und Bestsellerautor Dr. Hans-Georg Häusel (“Think Limbic!”, “Brain Script /Brain View”, “Neuromarketing”, “Emotional Boosting”). Mit einem Feuerwerk an Sprüchen setzte er die eigenen Erkenntnisse gleich ganz praktisch um und erläuterte sehr emotional den wissenschaftlichen Hintergrund von Kaufentscheidungsprozessen. Und machte auch auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufmerksam, die im Digital Marketing beachtet werden sollten.
Da passt ganz gut die aktuelle Studie kauFRAUsch der Strategie-Agentur Rascasse dazu, die in Zusammenarbeit mit der GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung und in Kooperation mit dem Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) entstanden ist und die unter anderem die Customer Journey im eCommerce unter die Lupe nimmt. “Während diese Reise bei Männern sehr linear verläuft und einem klassischen Sales-Funnel gleicht, kennt die weibliche Kundenreise auch Schleifen und Rückschritte in frühere Prozessphasen. Die Entscheidungsfindung ist ungleich komplexer. So denkt die Frau während das Kaufprozesses nicht nur an sich, sondern auch noch an den Partner die Kinder, die Cousine, die Kollegin, etc. Das macht es für den Onlineshop besonders schwierig, die Kaufmotive einzugrenzen”, schreibt eTailment in einem ausführlichen Bericht über diese Studie.
Doch was bedeutet diese Erkenntnis für das Digital Marketing? Bei der Gestaltung von Websites und Online-Shops muss beispielsweise berücksichtigt werden, das Männer durch ihr Testosteron eher ungeduldig sind und den direkten Weg suchen. Bei Frauen dagegen sorgt das Östrogen für Sensibilität und öffnet alle Wahrnehmungskanäle. Farben und Bilder spielen ein sehr viel größere Rolle. Hier könnte zum Beispiel bereits die Segmentierung ansetzen: Frauen und Männer (so man das Geschlecht kennt) bekommen jeweils andere Inhalte, Navigationselemente und Botschaften zu sehen.
Generell nutzt Dr. Häusel für die Zielgruppensegmentierung die “Limbic Map”. Mit dieser “Landkarte” werden die Emotionen und Werte beschrieben, die den Menschen antreiben und in denen sich unser gesamtes Leben abspielt. Diese lassen sich grob in drei Gruppen einteilen:
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Hier noch ein paar Empfehlungen aus der Präsentation von Dr. Häusel (die inzwischen auch zum Download zur Verfügung steht):
- Entlastung schaffen: Das Denken ist ist für unser Gehirn der schlimmste denkbare Zustand, denn es verbraucht sehr viel Energie. Das Digital Marketing sollte den “Energiesparmodus” unterstützen – durch Vereinfachung und Entlastung. Beispielsweise mit Hilfe von Markenbekanntheit und konsistenten Botschaften auf allen Kanälen. Aber auch durch verständliches Erklären von Zusammenhängen mittels Grafken, Bilder, Videos, kurzen Texten.
- Emotionen rüberbringen: Personen, ein menschliches Lächeln oder das “Gesicht” eines Produktes (was der Wissenschaftler am Beispiel einer Kaffeemaschine zeigte) sind entscheidend. Was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn sinn- und wertlos. Und: 70% bis 80% der Kaufentscheidungen werden unbewusst getroffen. Das** Kundenerlebnis** (“Customer Experience”) muss positive Emotionen und Mehrwerte bieten.
- Dabei gibt es unterschiedliche Wege: Das “Happy Web” lädt zum Spielen ein und führt beim User zur Ausschüttung von Dopamin. Das “Easy Web” ermöglicht durch Vereinfachung kognitive Entspannung. Das “Care Web” nimmt den Stress und ermöglicht das Weiterkommen (z.B. durch einen Call-Back-Service), das “Trust Web” signalisiert Vertrauen (z.B. durch Prüfsiegel), das “Power Web” vermeidet Wartezeiten (etwa durch schnellen Seitenaufbau).
- Der erste Eindruck entscheidet: Eine Website muss das Hirn vom ersten Moment an emotional ansprechen und Fragen des Besuchers schnell und positiv beantworten. Denn eine zweite Chance gibt es hier nicht.
- Online- und Offline-Content ergänzen sich: Denn sie sprechen unterschiedliche Bereiche des Gehirns an. Während Print eher für die “Balance” den Flaniermodus unseres Hirn einschaltet und viel Zeit für die Aufnahme der Information läßt, schaltet unser Hirn bei Online-Inhalt eher auf “Stimulanz” und ist im Excite-Modus unterwegs: Neu, schnell, effizient und etwas zu entdecken ist hier das Motto.
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Das Fazit aus den Erkenntnissen der Hirnforschung für das Marketing: Je differenzierter die Ansprache der potenziellen Kunden erfolgt (nach emotionalen Schwerpunkten, Geschlecht, Alter, lymbischem Typ …), desto größer sind die Erfolgsaussichten für den Anbieter. Beispielsweise, wenn man die altersmässige Zusammensetzung seiner Zielgruppen beachtet. Denn die Digital Natives reagieren anders als die ältere Generation, die eher auf Beständigkeit und Risikovermeidung setzt. Ursache dafür ist die unterschiedliche Konzentration der Nervenbotenstoffe Cortisol, Dopamin und Testosteron im Gehirn. Da aber gerade bei den “Digital Immigrants” und den “Digital Dummies” die Kaufkraft sitzt, lohnt es sich für Marketingverantwortliche durchaus, mit personalisierten Angeboten unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen.
Und sie sollten sich bei der Konzeption von Websites und Onlineshops in ihre Hauptzielgruppen hineinversetzen. “Das darf man nicht 25jährigen testerongesteuerten Nerds überlassen”, so der Wissenschaftler. Denn laut seiner Studien ist ein nicht unerheblicher Teil der potenziellen Nutzer von immer wieder neuen Funktionen überfordert.
Die Keynote gab wieder eine Reihe von Anregungen für das Marketing. Sie müssen nur umgesetzt werden.