Gastbeitrag: Audience Management verlangt eine ausgeklügelte Mischung aus Tools und Strategien

5 Wochen vor der dmex­co: Gas­tau­tor Roland Eisen­brand von den OnlineMarketingRockstars.de zu den Her­aus­forderun­gen der Medi­en­branche und den neusten Entwick­lun­gen und Trends im Online-Marketing

„Heute fängt die Arbeit mit der Veröffentlichung eines Artikels erst an“

Warum Medi­en­mach­er heute die grund­sät­zlichen Online-Mar­ket­ing-Mechaniken ver­ste­hen und beherrschen müssen

Eisenbrand
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If the news is impor­tant, it will find me“, also sin­ngemäß: „Wenn die Nachricht wichtig ist, wird sie mich find­en“. – Es war nur EIN kurz­er Satz, den ein Stu­dent vielle­icht sog­ar eher beiläu­fig zu ein­er Mark­t­forscherin in den USA gesagt hat­te. Aber nach­dem die „New York Times“ die Aus­sage des Stu­den­ten im Jahr 2008 in einem Bericht über poli­tis­che Kom­mu­nika­tion und Mei­n­ungs­bil­dung zitiert hat­te, disku­tierte nach weni­gen Tagen die halbe inter­na­tionale Medi­en­branche darüber. Offen­bar hat­te der Satz einen Nerv getrof­fen; spiegelte sowohl die verän­derten Medi­enge­wohn­heit­en der jun­gen Gen­er­a­tion als auch die Ängste der Ver­lags­branche vor den ihr dro­hen­den Kon­se­quen­zen daraus per­fekt wieder.

Heute, sechs Jahre später, sind augen­schein­lich viele der Befürch­tun­gen der Medi­en­häuser Wirk­lichkeit gewor­den. In ein­er sich stetig weit­er dig­i­tal­isieren­den Welt wird es für Ver­lage immer schw­er­er, Leser an sich zu binden. Die Aufla­gen und Abon­nen­ten­zahlen sinken; dig­i­tale Abo-Mod­elle sind bish­er weit davon ent­fer­nt, sich in der Bre­ite durchge­set­zt zu haben. Und selb­st wer­be­fi­nanzierten, für die Leser kosten­losen Ange­boten fällt es schw­er, im Inter­net nach­haltig eine Nutzer­schaft aufzubauen.

Das Ange­bot an Infor­ma­tio­nen übersteigt den Bedarf, den Nutzern wer­den die Nachricht­en an allen Eck­en und Enden des Net­zes hin­ter­her gere­icht. Immer sel­tener steuern die Leser eine Web­site direkt an. Viele Con­tent-Por­tale sind darauf angewiesen, dass Besuch­er über Googles Such­mas­chine auf ihre Seite gelan­gen. Oder dass die Leser sich von ihren Nachricht­en auf Social-Media-Plat­tfor­men wie Face­book „find­en lassen“. Die Inhalte wer­den dadurch immer stärk­er ent­bün­delt.

Die Entwick­lung macht selb­st ein­er renom­mierten Zeitung wie der New York Times Prob­leme: „Über die Dauer des ver­gan­genen Jahres mussten wir beobacht­en, wie unsere Leser­schaft deut­lich abn­immt. Nicht nur die Zahl der Besuch­er auf unser­er Web­site schrumpft, son­dern auch die Nutzerzahl unser­er Smart­phone-Apps ist abge­sackt – ein extrem besorgnis­er­re­gen­des Zeichen angesichts dessen, dass Mobile als Plat­tform anson­sten stark wächst“, schreiben die Autoren eines im Mai dieses Jahres her­aus­ge­bracht­en und bald geleak­ten inter­nen, 97-seit­i­gen „Inno­va­tion Report“ der New York Times.

NYT
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Zehn Ver­lags­man­ag­er und Jour­nal­is­ten der Zeitung sowie zwei externe Berater hat­ten zuvor über die Dauer von sechs Monat­en 300 Inter­views mit Ver­ant­wortlichen in 50 Medi­en- und Tech­nolo­gie­un­ternehmen geführt, um her­auszufind­en, wie sich die Zeitung erfol­gre­ich an die Verän­derun­gen in der Medi­en­land­schaft anpassen kön­nte.

Eine Her­aus­forderung dabei ist offen­bar das Selb­stver­ständ­nis der Jour­nal­is­ten – sie müssten sich bewusst wer­den, dass sie in der dig­i­tal­en anders als in der Print-Welt nicht mehr automa­tisch ein Pub­likum erre­ichen, so der Report. „Bei der New York Times ist für die Schreiber und Redak­teure die Geschichte viel zu häu­fig bere­its in dem Moment fer­tig, in dem sie veröf­fentlicht ist. Bei der Huff­in­g­ton Post fängt mit der Veröf­fentlichung des Artikels erst dessen Leben an“, wird in ein­er Zusam­men­fas­sung des Reports ein ehe­ma­liger führen­der Mitar­beit­er der Huff­in­g­ton Post zitiert – eines Online-Medi­ums, das die New York Times in punc­to Gesamtle­serzahl inner­halb weniger Jahren überholt hat.

Heutiges „Audi­ence Man­age­ment“, so heißt es weit­er, ver­lange eine aus­gek­lügelte Mis­chung aus Tools und Strate­gien, „wie etwa unsere Arbeit über Social Media zu pro­moten, sie für neue Plat­tfor­men ‚umzu­ver­pack­en’, für Such­maschi­nen zu opti­mieren, sie zu per­son­al­isieren, damit sie Bedürfnis­sen der Leser entspricht, sowie Leser mit­tels E‑Mail und Kom­men­tar­funk­tio­nen direkt miteinzubeziehen“.
Kün­ftig soll­ten Inhalte in ver­schiede­nen, für die Leser nüt­zlichen For­men neu organ­isiert und repub­liziert wer­den, rat­en die Autoren – „etwa indem wir jeman­dem, der ger­ade in Rom lan­det, einen Bericht über eine Ital­ien­reise zukom­men lassen, oder indem wir unsere Kochrezepte nach Zutat­en sortieren statt nach Veröf­fentlichungs­da­tum“.

Erste Konzepte zur Neu-Organ­i­sa­tion und Zweitver­w­er­tung von Inhal­ten hat­te die Times bere­its vor Veröf­fentlichung des Reports präsen­tiert: Anfang April launchte die Zeitung die App „Now“, für die Redak­teure die aktuellen „Top Sto­ries“ der Times auswählen und zusam­men­fassen; im Juni fol­gte die App „Opin­ion“, die Zugang zu allen Mei­n­ungsstück­en des Medi­um bietet. Bei­de Dien­ste sind zahlungspflichtig.

Die Autoren des Reports empfehlen darüber hin­aus die Ein­rich­tung eines „News­room Ana­lyt­ics Teams“. Zwar gebe es schon ein Analyse-Team, das beispiel­sweise messe wie lange ein Besuch­er an einem Artikel gele­sen hat, wie viele Leser eine Geschichte mit ihren Fre­un­den teilen, wie weit die Leser in einem Artikel gescrollt haben und wie hoch der Anteil der­er ist, die nach ein­er Woche zum sel­ben Bericht zurück­kehren. Doch bish­er seien die Dat­en aus der Analyse kaum genutzt wor­den, um Entschei­dun­gen im News­room zu tre­f­fen. „Wir ver­passen damit die Gele­gen­heit, das Ver­hal­ten unser­er Leser bess­er zu ver­ste­hen, uns an Trends anzu­passen und Traf­fic auf unsere Inhalte zu führen“, so der Report. Der Rest des Mark­tes sei hier schon deut­lich weit­er: „Dig­i­tale Wet­tbe­wer­ber wie die Huff­in­g­ton Post und Buz­zfeed haben Dat­en in den Mit­telpunkt ihrer Wach­s­tumsstrate­gie gestellt.“

Die Meth­o­d­en, die der Report beschreibt, erin­nern stark an die essen­ziellen Ele­mente des Online Mar­ket­ings: die per­ma­nente Analyse und Opti­mierung von Per­for­mance. Kün­ftig müssen auch die Ver­lage ihre Inhalte immer wieder neu auf den Prüf­s­tand stellen, mit den Bedürfnis­sen der Leser abgle­ichen und auch immer wieder neu ver­mark­ten. Die Redak­tio­nen müssen sich an diesem Prozess beteili­gen – und deswe­gen die Grund­mech­a­nis­men des dig­i­tal­en Mar­ket­ings ver­ste­hen und beherrschen lernen.

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Bei den Online Mar­ket­ing Rock­stars befind­en wir uns in der glück­lichen Sit­u­a­tion, dass dieses Know-how qua­si Teil unser­er DNA ist. Unsere Grün­der haben erfol­gre­ich bere­its zwei Online-Mar­ket­ing-Dien­stleis­ter gegrün­det und gewinnbrin­gend verkauft und sind als Ref­er­enten an der Ham­burg Media School tätig. In unserem Blog Rock­stars Dai­ly veröf­fentlichen wir pro Tag einen Artikel; das dafür zuständi­ge Team beste­ht aus mir als lei­t­en­dem Redak­teur, einem Ver­mark­tungsver­ant­wortlichen und zwei Volon­tären.

Wir sind damit hin­sichtlich Kapaz­itäten und Pro­duk­tions­fre­quenz sicher­lich von einem Ver­lagshaus weit ent­fer­nt. Trotz­dem ist Audi­ence Devel­op­ment für uns kein Fremd­wort: Jedes Team-Mit­glied hat Zugang zum Web-Ana­lyt­ics-Tool; wir kon­trol­lieren damit fort­laufend Leis­tungskenn­zahlen wie (natür­lich) die tägliche Besucherzahl, die Ver­weil­dauer und die Zahl der wiederkehren­den und neuen Besuch­er auf der Seite.

Wir erhal­ten Rück­mel­dung, welche Artikel erfol­gre­ich sind, bei welchen The­men die Nutzer aussteigen und kön­nen einiger­maßen genau nachvol­lziehen, in welchem Aus­maß es unsere Reich­weite steigert, wenn ein Social Influ­encer wie Sascha Lobo einen unser­er Artikel auf seinen Social-Media-Pro­filen postet. Auch welche Reich­weiten­zuwächse uns die ver­schiede­nen Con­tent-Part­ner­schaften, in deren Rah­men unsere Inhalte auf anderen Por­tal­en einge­bun­den wer­den, ein­brin­gen, kön­nen wir nachvollziehen.

Über unser E‑Mail-Tool sehen wir genau, um welchen Fak­tor die Zahl der Neu-Abon­nen­ten unseres wöchentlichen Newslet­ters steigt (näm­lich das Zehn­fache), wenn wir ein Lead-Gener­ierungs-Tool instal­lieren, und erfahren, dass die Zahl der Öffnun­gen und Klicks unser­er E‑Mails weit über dem Branchen­schnitt liegt.

Unseren Con­tent pro­moten wir, wie sicher­lich fast jedes Medi­um heute, über mehrere Social-Media-Plat­tfor­men. Weil Face­book darunter sich­er die wichtig­ste ist, nutzen wir auch hier ein externes Tool zum Mon­i­tor­ing. Wenn wir unsere Artikel über Face­book-Anzeigen pushen, zahlen wir dort durch ziel­gerichtetes Tar­get­ing teil­weise für Klicks nur 3 Cent. Alle diese Maß­nah­men liegen in den Hän­den des gle­ichen Teams, das auch für die inhaltliche Seite des Blogs ver­ant­wortlich ist.

Face­book ist somit zu unserem wichtig­sten Traf­fic-Liefer­an­ten gewor­den. Was uns aber noch pos­i­tiv­er stimmt, ist, dass der Anteil der Nutzer, die unsere Seite direkt aufrufen, seit dem Start des Blogs um 12 Prozent­punk­te gestiegen ist. Damit müssen unsere Inhalte immer sel­tener die Leser find­en – son­dern die Leser find­en uns.

Unser Autor: Roland Eisen­brand, Head of Con­tent bei ramp 106

Roland Eisen­brand beschäftigt sich seit dem Jahr 2007 als Jour­nal­ist mit dig­i­talem Mar­ket­ing. Als Head of Con­tent des Ham­burg­er Unternehmens ramp106 ver­ant­wortet er die Inhalte auf OnlineMarketingRockstars.de, schreibt Artikel für die Rubrik “Rock­stars Dai­ly” und gestal­tet gemein­sam mit den Grün­dern inhaltlich die Online Mar­ket­ing Rock­stars Kon­ferenz. Davor war er für mehrere Jahre für die Mar­ket­ing-Fachzeitschrift ONE­toONE tätig.