Das Marketing kennt seine Kunden nicht genau
Eine neue Studie von Econsultancy im Auftrag von IBM legt wieder einmal den Finger in die Wunde: Fast 90 Prozent der dafür befragten Marketingexperten halten ein individuell zugeschnittenes Kundenerlebnis für den entscheidenden Erfolgsbaustein ihrer Digital-Marketing-Strategie. 80 Prozent sind dabei der Meinung, den Kunden bei allen Interaktionen und in allen Kommunikationskanälen bereits umfassend im Blick zu haben. Mehr noch: Sie sind überzeugt, ihren Kunden offline (75 Prozent), online (57 Prozent) und mobil (57 Prozent) herausragende Einkaufserlebnisse zu bieten. Soweit die Theorie.
Denn Econsultancy hat neben den Marketers auch parallel repräsentativ Verbraucher befragt. Und die haben eine ganz andere Wahrnehmung. 80 Prozent der Umfrageteilnehmer fühlen sich keinesfalls als Individuum behandelt. Selbst von den Marken ihres Vertrauens. Nur 37 Prozent glauben, dass ihre bevorzugten Händler sie als Individuum kennen und wahrnehmen, bei allen anderen Verkäufern ist der Anteil mit 22 Prozent noch niedriger. Relevante Inhalte erreichen nur jeden fünften Befragten. Selbst bei den Kunden, die Wiederholungskäufer eines Onliune-Shops sind und deren Interessen dort bekannt sein sollten, sind es nur 35 Prozent.
Woher kommt diese Diskrepanz in den beiden Befragungen? Nur wenige Unternehmen haben sich wirklich darauf eingestellt, dass ihre Kunden auf vielen Kanälen unterwegs sind. So geben nur 34 Prozent der Marketer an, die On- und Offline-Welten ihrer Kunden verknüpfen zu können. Schwer tun sich die Unternehmen offenbar vor allem mit der technischen Umsetzung: Nur 37 Prozent der befragten Marketingexperten verfügen bislang über Werkzeuge, die es ihnen überhaupt ermöglichen würden, eine umfassende Customer Experience zu schaffen.
Wer solche Erlebnisse nicht bietet, muss aber nicht nur in Zukunft mit Umsatzeinbußen rechnen. Schon heute gibt es Probleme. So gab in der Befragung fast die Hälfte der Kunden (49 Prozent) an, in den vergangenen zwölf Monaten einen Dienstleister aus den Bereichen Banking, Internetprovider oder Kabelanbieter gewechselt zu haben – Branchen, die eigentlich für ihre geringe Fluktuation bekannt sind.
Unternehmen, die ihren Kunden konsistente Einkaufserlebnisse über alle Kanäle hinweg bieten, profitieren laut der Studie dagegen in vielerlei Hinsicht. So würden 38 Prozent der befragten Verbaucher zum Beispiel einem durchschnittlichen Unternehmen ihre geografischen Daten übermitteln. Bei der Marke ihres Vertrauens sind es sogar 72 Prozent.
Was lernen wir daraus? Selbsttäuschung bringt uns im Digital Marketing nicht weiter. Entscheidend ist nicht, was wir über uns selbst denken. Sondern einzig und alleine das, was tatsächlich beim Kunden ankommt. Wenn die Antwort auf die Eingangsfrage stimmt, dass personalisierte Kundenerlebnisse heute und in Zukunft der zentrale Erfolgsbaustein jeder Digital-Marketing-Strategie sind, dann geht es jetzt um deren Umsetzung. Mit der richtigen Strategie und den passenden Werkzeugen ist das kein Hexenwerk. Man muss es nur anpacken.