Content meets Techno: Was Marketer und Künstler aus dieser Beziehung lernen können
Interview mit den „Hotze“-Comic-Machern Jens Bringmann und Valentin Kopetzki von BRINGMANN & KOPETZKI. Das Gespräch führten Berti Kolbow-Lehradt und René Weber von FAKTOR 3
Das Thema Content ist weiterhin eines der heißesten Themen im Digital Marketing. Denn nur mit den richtigen Inhalten, die zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal an die richtige Person übermittelt werden, lässt sich die viel beschworene Customer Experience tatsächlich umsetzen. Zwei Jungs, die das Thema Content, damals noch zunächst in der analogen Welt, bereits bis zur Perfektion getrieben haben, sind Jens Bringmann und Valentin Kopetzki von BRINGMANN & KOPETZKI. Mit ihrer Comicfigur und der gleichnamigen Serie „Hotze“ sind sie ab Mitte der 1990er Jahre zu Kultfiguren der elektronischen Musikszene avanciert und sind es immer noch. Vor allem durch das Techno-Magazin Groove und durch die enge Symbiose mit dem ehemaligen Kasseler Kultclub „Stammheim“_ ist „Hotze“ bekannt geworden. Von Jens Bringmanns und Valentin Kopetzkis feinem Gespür für die Wünsche und Erwartungen ihrer Crowd können Marketer und Künstler zugleich lernen._
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- Jens Bringmann
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- Valentin Kopetzki
Hallo Jens, hallo Valentin. Erzählt uns mal ein paar Takte zur eurer Zeit als Partyveranstalter und wann und wie Ihr auf den Hotze-Comic gekommen seid?
Jens Bringmann: Es fing harmlos an. Im Zuge eines Praktikums hatte ich schon eine Weile lang Flyer für die Kulturfabrik Salzmann in Kassel erstellt, als sich kurzfristig ein Veranstalter zurückzog. Plötzlich wurde mir angeboten, die Party zu organisieren. Ich hatte aber zu der Zeit noch zu viel mit einem anderen Projekt zu tun. Gemeinsam mit Valentin holten wir daher einige Freunde mit Veranstaltererfahrung mit ins Boot und kümmerten uns ab da hauptsächlich um die Werbung für den Club. Es lief gut. Eine weitere Party folgte und dann noch eine. Es verselbständigte sich und irgendwann hieß es dann: „Wir übernehmen den ganzen Club.“ Als dann noch die ersten großen Namen wie Laurent Garnier und Richie Hawtin bei uns auflegten, ging der Erfolg durch die Decke.
Valentin Kopetzki: Zum anfänglichen Erfolg trugen unsere im Comic-Stil gezeichneten Flyer und Anzeigen bei, die wir deutschlandweit verbreiteten. Zu einer Zeit, als Techno-Visuals aus cleanen 3D-Artworks bestanden, fielen wir aus dem Rahmen. Wir fanden, dass Comics den Charakter einer Party viel emotionaler vermitteln können. Das sah auch die Zeitschrift Groove so und bat uns in diesem Stil Anekdoten aus dem Nachtleben zu illustrieren, die die Redakteure von ihren Terminen mitbrachten. Das Prinzip erschöpfte sich allerdings ziemlich schnell und viele der Anekdoten waren eigentlich nur witzig, wenn man die betreffenden Personen persönlich kannte._ Daher kam die Idee auf, eine eigene Figur zu kreieren, in deren Geschichten wir unsere persönlichen Erfahrungen einfließen lassen. Das war die Geburt von Hotze._
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In einem Interview sagte Star-DJ Chris Liebing einmal: „Wenn ich meiner Oma erzählen wollte, was ich am Wochenende so mache, dann würde ich ihr einfach den Hotze-Comic zeigen“. Wie habt Ihr es geschafft, so lebensnah den elektronischen Lifestyle einzufangen?
JB: Es ist immer wichtig, die Zielgruppe zu kennen. Wir kannten unsere ziemlich gut, denn wir waren ja die Zielgruppe. Wir haben Parties veranstaltet, weil wir – verdammt noch mal – selbst die besten Parties feiern wollten. Dabei haben wir versucht, Hotze immer markenfrei zu halten und keinen direkten Bezug zum Stammheim herzustellen. Aber der Look ähnelte natürlich unseren Partyflyern. Daher haben die Leute diesen Zusammenhang irgendwann selbst hergestellt.
VK: In diesem Sinne haben wir ja für uns selbst gezeichnet und waren frei von Beschränkungen. Der Schlüssel war das Authentische. Wir haben unser eigenes Leben gezeichnet – in etwas überspitzter Form natürlich. Die Leute haben sich einfach darin wiedergekannt. Es kam niemand von außen und tat so, als ob. Wenn man nicht dieses Glück hat, gibt es nur zwei Alternativen: Entweder man arbeitet sich tief rein oder holt sich Leute von außen dazu, die die Zielgruppe kennen.
Was hat sich seit damals für Euch verändert? Wie schwer ist Euch der Schritt aus der analogen in die digitale Welt gefallen?
JB: Die Digitalisierung hat sicher dazu geführt, dass es heute schwieriger ist, Aufmerksamkeit zu kriegen. Leser werden ja heute mit Comics, Memes und anderem visuellen Content überhäuft. Das macht es Zeichnern wie uns ein Stück weit schwerer, wahrgenommen zu werden. Der Medienwandel hat aber auch eine positive Veränderung gebracht. In den 1990ern war die Werbung sehr häufig humorbefreit. Jetzt, wo Social Media die Bedeutung von Humor für den Erfolg von Inhalten vielen Menschen deutlich sichtbar vor Augen hält, darf man eher mal etwas subversiver zeichnen.
VK: Inhaltlich macht es keinen Unterschied, für welchen Kanal oder welches Medium wir zeichnen. Der Vertriebsweg ist egal, denn wenn eine Geschichte auf Papier funktioniert, dann funktioniert sie auch online. Technisch ist die Produktion viel einfacher geworden. Während wir früher mitunter mit dem Auto unsere Arbeit zur Redaktion gefahren haben, um den Druckschluss einzuhalten, reicht es heute, entspannt eine Datei zu verschicken.
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Welche Vorteile bietet aus Eurer Sicht bildhafter Content im Vergleich zu Texten oder Videos?
JB: Wir lieben Bilder und empfehlen diese auch immer, weil wir damit einfach am schnellsten und direktesten unsere Ideen transportieren können. Es ist nicht so, dass wir Videos ablehnen. Für das Musikvideo „Bang Bang“ von Nena & Tok Tok haben wir ja mit einem Flash-Clip bereits gezeigt, dass wir auch im Bewegtbild unterwegs sind. In der Praxis halten wir Bilder auch für vorteilhafter. In vielen Situationen, etwa in der Bahn, starten Nutzer kein Video mit Ton. Um dann die Aufmerksamkeit zu gewinnen, sind aussagekräftige Headlines und auffällige Bildelemente viel relevanter.
VK: Was den Bildstil betrifft, gibt es keine universelle Formel für aufmerksamkeitsstarken Content. Ob wir nun Farben betonen, um Emotionen zu wecken, oder alles in Schwarz-Weiß halten, um mehr Drama zu erzeugen – hier kommt es immer auf die Botschaft an.
Die Kunst bei der Erstellung guter Inhalte ist, sich ständig zu überprüfen, neue ansprechende Formate zu entwickeln – weil sich auch die Crowd ändert. Auch Hotze hat sich weiterentwickelt. Wie habt Ihr Veränderungen wahrgenommen und in Euer kreatives Schaffen einfließen lassen?
JB: Ich beobachte, dass sich der Musikkonsum geändert hat. Früher war die Techno-Szene geschmacklich weniger durchlässig. Man hörte Techno und lehnte andere Genres ab. Heute ist es durchaus üblich, dass unsere Leser im Club Techno hören und zuhause Pop. Das wird auch von einem anderen Lebensgefühl begleitet. Um das abbilden zu können, ist es schon wichtig für uns, eine Rollendistanz einnehmen zu können.
VK: Es ist aber ja auch nicht so, dass wir total der Techno-Szene verhaftet sind. Wir haben auch schon für Hip-Hop-Bands wie Fünf Sterne deluxe gearbeitet. Außerdem sind wir über 20 Jahre im Geschäft, da kommt man sowieso unweigerlich in Kontakt mit anderen Musikgenres und Lifestyles. Wir sehen uns daher auch nicht als Techno-Spezialisten, sondern als pop-kulturelle Zeichner.
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Wie vermarktet Ihr euch heutzutage? Veranstaltet Ihr noch Partys oder konzentriert Ihr Euch nur noch rein aufs Zeichnen?
VK: Wir gehen hin und wieder noch auf eine Party, altersbedingt aber natürlich etwas seltener. Als Gastgeber treten wir nur noch bei Release-Partys für unsere Comics auf – und selbst da buchen wir uns dann bei befreundeten Veranstaltern ein.
JB: Zeichnen ist auf jeden Fall unsere Haupttätigkeit. Interessant ist, dass wir immer Aufträge von Menschen kriegen, die früher bei uns auf den Boxen getanzt haben und heute in Entscheider-Positionen sitzen. Zuletzt haben wir zum Beispiel ein Maskottchen für einen Gabelstapler-Hersteller entworfen. Das war witzig und spannend – aber vor 20 Jahren sicher nicht abzusehen.
Welchen Tipp würdet Ihr Entscheidern aus dem Business wie auch Künstlern geben, die über die Entwicklung von neuen Inhalten nachdenken, die ihre Zielgruppe optimal „abholen“ sollen?
VK: Hier kommen wir wieder zum Anfang des Gesprächs. Im Idealfall ist man selbst Teil der Zielgruppe und kennt daher intuitiv ihre Bedürfnisse. Ansonsten hilft es nichts: Man muss sich Tipps von Menschen holen, die die Szene und das Lebensgefühl besser kennen als man selbst.
» Weiteres Artwork von BRINGMANN & KOPETZKI anlässlich Adobe @ Online Marketing Rockstars gibt es unter folgendem Link http://blogs.adobe.com/digitaleurope/de/digital-marketing-de/marketing-rockstars/.