Digitalisierung im Mittelstand: Vorteile nutzen, bevor es andere tun

Der Mit­tel­stand ist ohne Frage das Rück­grat der deutschen Wirtschaft. Mehr als die Hälfte der gesamten Net­tow­ertschöp­fung der deutschen Unternehmen wird von den KMU erwirtschaftet und sie bilden über 80 Prozent des Nach­wuch­ses aus – nur um zwei wichtige Eck­dat­en zu nen­nen. Aber der deutsche Mit­tel­stand bekommt durch die Glob­al­isierung zunehmend Druck. Schlag­worte wie Indus­trie 4.0 oder Dig­i­tale Trans­for­ma­tion sind keine Zukun­ftsszene­r­ien mehr, son­dern machen Erneuerungs- und Inno­va­tion­sprozesse drin­gend erforderlich.

Dig­i­tale Trans­for­ma­tion verän­dert kom­plette Branchen

Während die Musikin­dus­trie, der Einzel­han­del oder auch die Medi­en bere­its mit­ten in den mas­siv­en Umwälzung­sprozessen der Dig­i­tal­isierung steck­en, ste­hen andere Branchen wie der Maschi­nen­bau, die Auto­mo­bilin­dus­trie oder das Finanzwe­sen noch ganz am Anfang. Klar ist aber schon heute: Nie­mand wird sich der Trans­for­ma­tion entziehen kön­nen. Das gilt ins­beson­dere für glob­al agierende Unternehmen, egal ob nun B2C oder B2B.

Deutsch­er Mit­tel­stand: „Lange Zünd­schnur, großer Knall“

Auf der dmex­co 2016 sprach ich mit Ste­fan Rop­ers, Man­ag­ing Direc­tor Adobe Cen­tral Europe und Axel Schäfer, Senior Man­ag­er / Strate­gic Mar­ket­ing EMEA bei Adobe über die Dig­i­tal­isierung im deutschen Mit­tel­stand. Rop­ers skizzierte dabei einen deutschen Mit­tel­stand, der sehr von Man­u­fac­tur­ing geprägt ist. Bei vie­len mark­t­führen­den Unternehmen geht es um die Fer­ti­gung von physis­chen Pro­duk­ten, die sich selb­st nicht dig­i­tal­isieren lassen. Für diese Unternehmen ist der Schritt zur Dig­i­tal­isierung nicht so klar vorgeze­ich­net wie bei Dien­stleis­tun­gen und geht eher über den dig­i­tal­en Kon­takt zum Kun­den oder über Opti­mierun­gen inner­halb der Wertschöp­fungs­ket­ten. „Wir gehen davon aus, dass Man­u­fac­tur­ing und damit auch der Mit­tel­stand zu einem späteren Zeit­punkt ein­steigen wird – lange Zünd­schnur, aber großer Knall“, so Ropers.

Ein wichtiger Bere­ich inner­halb der Prozes­sop­ti­mierung ist beispiel­sweise die Dig­i­tal­isierung des Doku­menten-Man­age­ments. Das Aus­füllen von For­mu­la­ren zur Nachbestel­lung von Fer­ti­gung­steilen dauert in Papier­form deut­lich länger, als ein dig­i­tal­isiert­er Prozess, bei dem die Fer­ti­gungsan­lage oder eine dig­i­tal­isierte Logis­tik automa­tisch eine Liefer­an­ten-Order anstößt, wenn der Vor­rat eines bes­timmten Ver­brauchs­ma­te­ri­als oder Fer­ti­gung­steils nicht mehr aus­re­ichend ist.

Die Dig­i­tal­isierung fängt mit ein­er mod­er­nen Web­site an

Neben der Opti­mierung von Fer­ti­gung­sprozessen ste­ht der Kon­takt zum Kun­den weit oben auf der Wun­schliste von Mit­tel­ständlern. Ein Her­steller von Warmwass­er-Boil­ern hat in der Regel gar keinen Kon­takt zum Kun­den und damit auch keinen Ein­fluss auf das Kun­den­er­leb­nis, den Kun­denser­vice oder die Kun­den­bindung. Der Verkauf geht über lokale Handw­erk­sun­ternehmen, die auch den Ser­vice übernehmen und somit alle Berührungspunk­te mit den Kun­den beset­zen. Ein erster Schritt zur Dig­i­tal­isierung kön­nte hier eine mod­erne Web­site sein, über die sich die End­kun­den zum einen informieren kön­nen und zum anderen auch einen Kon­takt zum Her­steller auf­bauen kön­nen. Der Her­steller kann so wertvolles Kun­den­feed­back erhal­ten, das er für die weit­ere Entwick­lung zukün­ftiger Pro­duk­te und Dien­stleis­tun­gen nutzen kann.

Die näch­ste Aus­baustufe wäre eine Verknüp­fung von beste­hen­den Kun­den­dat­en für eine auf die Kun­denbedürfnisse und ‑erwartun­gen abges­timmte Kun­de­nansprache. Für den Her­steller von Warmwass­er-Boil­ern würde das zum Beispiel bedeuten, dass er bere­its weiß, was für ein Gerät bei einem Kun­den ste­ht, wenn dieser eine Ser­vicean­frage hat. „Kun­den­er­fahrun­gen und Kun­den­di­aloge wer­den für Unternehmen immer wichtiger”, erk­lärt Axel Schäfer. Es geht dabei nicht nur um die aktuellen Pro­duk­te, son­dern auch um zukün­ftige Trends und Ser­viceleis­tun­gen, die Mit­tel­ständler im direk­ten Aus­tausch mit ihren Kun­den erken­nen bzw. entwick­eln kön­nen.

IoT bietet viele Möglichkeit­en zur Digitalisierung

Die Dig­i­tal­isierung ist aber weit mehr als in diesem Text bish­er beschrieben. Es han­delt sich um eine ganzheitliche Trans­for­ma­tion auf per­sön­lich­er, gesellschaftlich­er, poli­tis­ch­er und wirtschaftlich­er Ebene. Das bedeutet zum einen, dass sich keine dieser miteinan­der ver­net­zten Ebe­nen vor der Dig­i­tal­isierung drück­en kann, denn auf den anderen Ebe­nen läuft sie weit­er. Zum anderen bedeutet es auch, dass es sich bei der Dig­i­tal­isierung um einen lan­gan­dauern­den Prozess han­delt, der ger­ade erst seinen Anfang genom­men hat. Beispiel­sweise wird die Dig­i­tal­isierung durch das Inter­net of Things (IoT) nochmals deut­lich an Fahrt aufnehmen. Plöt­zlich wer­den Maschi­nen zu adressier­baren Dialog­part­nern, die Dat­en über beliebige Ent­fer­nun­gen senden und emp­fan­gen kön­nen. Für den Her­steller von Warmwass­er-Boil­ern ergeben sich daraus ganz neue Möglichkeit­en. So kön­nen Leis­tungsstörun­gen beispiel­sweise schon ent­deckt wer­den, bevor sie sich beim Kun­den neg­a­tiv bemerk­bar machen. Statt eines verärg­erten Kun­den mit einem defek­tem Boil­er beste­ht so die Chance auf einen run­dum glück­lichen Kun­den mit einem per­fekt gewartetem Gerät.

Unternehmen, die einen solchen Grad der Dig­i­tal­isierung anstreben, soll­ten möglichst schon heute mit den ersten Schrit­ten begin­nen, denn die tech­nol­o­gis­che Mark­t­führerschaft alleine wird schon bald nicht mehr reichen. Auch der Mit­tel­stand sollte die Dig­i­tal­isierung als Chance begreifen und ergreifen, bevor es andere tun.