Liebe Marken, IoT und Wearables sind kein Selbstzweck!

Immer mehr Marken sprin­gen auf den IoT-Zug auf und bieten Unmen­gen ver­schieden­ster Wear­ables an: Von eige­nen Fit­ness-Track­ern und Smart­watch­es über Smart Glass­es bis hin zu intel­li­gen­ten Turn­schuhen ist mit­tler­weile fast alles dabei. Und all diese smarten Gegen­stände spe­ich­ern unendliche viele Daten.

Komisch nur, dass die meis­ten Kun­den überhaupt nicht wis­sen, was das Inter­net of Things (IoT) bzw. das Inter­net der Dinge überhaupt ist? Und solange sie für sich keinen überzeu­gen­den Vorteil in den neuen Tech­nolo­gien sehen, bleibt es ihnen auch ziem­lich egal. Warum auch nicht? Sock­en, die das Auftreten der eige­nen Füße analysieren, scheinen ja auch eher für pro­fes­sionelle Extrem­sportler erfun­den wor­den zu sein. Wo ist da der Mehrw­ert für mich als Otto-Normalverbraucher?

Immer mehr – ver­rück­te oder tat­säch­lich nüt­zliche – trag­bare Pro­duk­te mit einge­bauter Dat­en-Funk­tion zu schaf­fen, sollte kein Selb­stzweck sein. Vielmehr gilt es für Marken, zunächst einen Schritt zurück­treten und die sin­nvolle Bedeu­tung des neuesten Wear­ables für ihre Kun­den zu hinterfragen.

Cool war gestern: Das IoT-Pen­del hängt längst woanders

Wir befind­en uns mit­ten­drin in der Entwick­lung des Inter­nets der Dinge. Das IoT-Pen­del schwingt noch ziem­lich hin und her und hat sich bis dato für keine konkrete Rich­tung entsch­ieden. Zu Beginn schwebte das Pen­del wie in Zeitlupe über dem reinen Selb­stzweck: Es ging nur darum, möglich „smart“ zu sein – egal wie kun­de­nori­en­tiert der neueste Tech-Trend tat­säch­lich war. Und so einige Marken schwel­gen weit­er voller Euphorie in dieser Coolness-Phase.

Doch das Pen­del hat sich bere­its vielerorts weit­er­be­wegt – hin zu mehr strate­gis­chen Ansätzen. Viele Marken haben diesen Trend erkan­nt, ihre bish­eri­gen IoT-Erfahrun­gen gründlich analysiert und den echt­en Mehrw­ert ihrer smarten Pro­duk­te hin­ter­fragt. Super coole kalorien‑zählende intel­li­gente Hüte kön­nen trotz hip­per und clever anmu­ten­der Namen wahrschein­lich nur die wenig­stens Kun­den dauer­haft beein­druck­en. Aber was dann?

Das Mag­icBand von Dis­ney beispiel­sweise bietet Nutzern einen rel­e­van­ten und gut durch­dacht­en Mehrw­ert an: Das per­son­al­isierte, intel­li­gente Arm­band hil­ft den Besuch­ern ihren Aufen­thalt im Dis­ney­land wesentlich sor­gen­freier zu gestal­ten als zuvor. Es dient als Ein­trittskarte zu den Parks sowie als Zim­mer­schlüs­sel im Hotel, bietet einen schnelleren Zugang zu online gebucht­en Ver­anstal­tun­gen und erlaubt das bargeld­lose Bezahlen im Ressort.

Es soll den Blick der Besuch­er auf das Wesentliche lock­en. Näm­lich das Erleb­nis im Dis­ney­land, nicht die Suche nach dem vergesse­nen Geld­beu­tel oder das lange Anste­hen in der Schlange. Das alles wird möglich durch die schlaue Anwen­dung des Inter­net der Dinge.

Wer rel­e­vante smarte Pro­duk­te für Kun­den anbi­eten möchte, sollte zwis­chen „cool“ und echtem Mehrw­ert unter­schei­den. Der Fokus liegt – und das ist lei­der nicht selb­stver­ständlich – auf dem Kun­den: Inwieweit prof­i­tiert der von einem IoT-Pro­dukt? Was wird damit auf welche Weise im Leben des Nutzers verbessert?

So auch beim intel­li­gen­ten Nest Ther­mo­stat. Schnell ange­bracht, lässt sich mit ein­er ein­fachen Bewe­gung die Wun­schtem­per­atur an der Heizung ein­stellen. Der Clou dabei: Das Ther­mo­stat lernt automa­tisch, wann und in welchem Raum welche Tem­per­atur gewün­scht wird und passt dementsprechend die Präferen­zen dauer­haft an. Darüber hin­aus ver­sprechen die Her­steller – Inter­net­gi­gant Google hat das Start­up längst aufgekauft – rund 20 % Energiekosteneinsparung. Der Mehrw­ert ist also auch hier klar und deut­lich zu erkennen.

Kurzum: Her­steller bzw. Anbi­eter und deren Mar­ket­ingver­ant­wortliche müssen im Zusam­men­hang mit dem Inter­net der Dinge dem Kun­den zwei konkrete Fra­gen beantworten:

  1. Was ist der Mehrw­ert meines smarten Pro­duk­tes – und bedarf es tat­säch­lich ein­er umfassenden Daten­er­fas­sung dafür?
  2. Wo und wie find­et das eigentliche IoT-Erleb­nis bei meinem Kun­den statt?

Wenn IoT-Pro­duk­te abschrecken

Das Kun­den­er­leb­nis muss beim Nutzen des Inter­nets der Dinge und ver­net­zter Pro­duk­te also an erster Stelle ste­hen. Welche Rolle spielt hier das einzelne Pro­dukt? Und wird wom­öglich noch ein weit­eres Gerät zur voll­ständi­gen Nutzung benötigt? Brauchen wir etwa bei der dig­i­tal­en Apple Waage noch ein iPhone oder die Apple Watch – oder funk­tion­iert der „Smart Body Ana­lyz­er“ auch als in sich geschlossenes System?

Betra­cht­en wir ein­mal den smarten Kühlschrank: Fein und sauber lis­tet dieser alles auf, was wir hinein­le­gen und her­aus­holen. Auf dem einge­baut­en Bild­schirm sehen wir Rezeptvorschläge für unsere neuesten Einkäufe, nach unserem bish­eri­gen Kochver­hal­ten erstellte Einkauf­s­lis­ten oder was auch immer – allerd­ings ohne weit­ere Touch­points. Was bringt es uns, wenn die Ver­net­zung mit dem Smart­phone fehlt und die Einkauf­s­liste zusät­zlich fotografiert wer­den muss, um sie im Super­markt auch tat­säch­lich dabei zu haben?

Überkom­plizierte und unnötig erschw­erte Nutzer­erleb­nisse wirken abschreck­end und reduzieren auch mod­ern­ste IoT-Pro­duk­te auf die wesentliche Grund­funk­tion: Da wird die intel­li­gente Waage ohne funk­tion­ierende App schnell zur schlicht­en Gewichtsmes­sung degradiert – trotz des bezahlten Mehrpreises.

Das IoT-Pen­del schwingt zurück

Dass wir nach Wei­h­nacht­en etwas mehr wiegen, wis­sen wir auch so. Die dig­i­tale Waage soll uns nicht nur diesen alljährlichen Schock bere­it­en. Sie soll sich vor allem mit unseren Smart­phones und Tablets ver­net­zen, die uns wiederum konkrete per­son­al­isierte Hand­lungsempfehlun­gen anzeigen. Die ver­net­zten Geräte dienen als weit­er­er Anhalt­spunkt in einem zunehmend dig­i­tal­en Leben.

Das Pen­del wird ver­mut­lich zur gold­e­nen Mitte zurückschwin­gen und für ein Gle­ichgewicht zwis­chen „cool“ und „echtem Mehrw­ert“ sor­gen. Die Ver­brauch­er erwarten bei intel­li­gen­ten Pro­duk­ten nun mal eine smarte Ver­net­zung, die zusam­men für einen spür­baren Mehrw­ert sorgen.

Es wird noch dauern, bis wir diese Ver­net­zung richtig ver­ste­hen und smarte Pro­duk­te entsprechend gestal­ten kön­nen. Erst wenn die Akzep­tanz der Ver­brauch­er vorhan­den ist, kön­nen sie auch allmäh­lich zur Nor­mal­ität im per­sön­lichen All­t­ag wer­den. Und erst, wenn wir diesen Zus­tand erre­icht haben, wer­den die realen Fol­gen ein­er echt­en Per­son­al­isierung auch spür­bar – für Kun­den, Anbi­eter und Marketingverantwortliche.

Bis dahin wird mit Sicher­heit auch schon ein neues Pen­del schwin­gen und für neue coole Pro­duk­te sor­gen. Ob mit oder ohne Mehrw­ert, bleibt abzuwarten.

PS. „Quo vadis IoT?“ fragt sich auch die Net­zge­meinde: Mit dem Hash­tag #data4IoT find­et momen­tan eine inter­es­sante Blog­pa­rade statt, an der ich mich mit diesem Beitrag gerne beteilige.