Die Evolution vom UI/UX-Designer zum Produktdesigner
Was ist ein Produkt? Bis vor Kurzem wurde der Begriff nur im Zusammenhang mit materiellen Dingen gebraucht, die oft im Einzelhandel erhältlich waren. Inzwischen jedoch sind damit zunehmend auch digitale Produkte gemeint. Apps sind moderne Produkte.
Bildquelle: Wired
Bei der Entwicklung großartiger Produkte ist das Design das wichtigste „Feature“. Wir haben eine Phase erreicht, in der das Produktdesign dominiert – die Gestaltung hebt Unternehmen von der Konkurrenz ab und sorgt für echte Wettbewerbsvorteile.
Die Designbranche hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Heute umfasst der Oberbegriff „Designer“ mehrere verschiedene Aufgabenbereiche: UX-Design, UI-Design und Produktdesign. „Was ist der Unterschied zwischen diesen Berufsfeldern?“ – eine Frage, die man in der Designbranche ziemlich häufig hört. Schauen wir uns also an, was hinter jedem dieser Fachbereiche wirklich steckt und warum die Weiterentwicklung von UI/UX-Design zu Produktdesign im modernen Technologiezeitalter völlig logisch ist.
UX, UI, Produkt: Wer tut was?
All diesen Funktionen ist eines gemein – sie gestalten die Interaktion des Anwenders mit einem Produkt. Die Aufgabenbereiche unterscheiden sich jeweils ein bisschen, haben aber dasselbe Ziel.
UX-Designer – User Experience Designer
UX-Designer befassen sich vor allem damit, wie sich ein Produkt anfühlt. Ihr Ziel ist es, die Anwenderinteraktion so effizient und einfach wie möglich zu gestalten. UX-Designer betrachten Design aus Perspektive des Anwenders und räumen potenzielle Probleme aus dem Weg, indem sie:
- verschiedene Produktanwender-Szenarien erstellen und Interaktionsmuster aufbauen,
- diverse Tests durchführen und beobachten, was Anwender tun (z. B. Usability-Laborstudien, Blickerfassung, A/B-Tests, E-Mail-Umfragen usw.),
- Interface-Prototypen entwickeln und die Produktlogik mit Wireframes darstellen.
Low-Fidelity-Prototypen aus Karton, wie hier bei Nintendo, sind eine Möglichkeit zu ermitteln, wie sich ein Produkt anfühlen würde:
Bildquelle: Nintendo
UI-Designer – User Interface Designer
UI-Designer dagegen kümmern sich in erster Linie darum, wie ein Produkt aussieht. Sie sind dafür verantwortlich, wie wir das Produkt in seiner endgültigen Version sehen. Dazu gestalten sie jeden Bildschirm bzw. jede Seite, mit denen Anwender interagieren, und sorgen dafür, dass die Benutzerschnittstelle die vom UX-Designer entwickelte Logik visuell vermittelt. (Beispielsweise kann ein UI-Designer bei der Entwicklung eines Data Dashboard die wichtigsten Inhalte ganz nach vorn ziehen.) Außerdem entwickeln sie außerdem einen Stilleitfaden und eine einheitliche visuelle Sprache, die auf alle Elemente des Produkts angewandt werden. Kurz gefasst: Ein UI-Designer ermittelt die besten Methoden zum Hervorheben der Elemente, die die Aufmerksamkeit des Anwenders erregen sollen.
Bildquelle: Ramotion Agency – Behance
Produktdesigner
Produktdesigner ist ein übergreifender Begriff für Designer, die an der Entwicklung des Aussehens (Look) und der Handhabung (Feel) eines gesamten Produkts beteiligt sind. Viele Produktdesigner sehen sich selbst als Designer, die Erlebnisse gestalten. Das bedeutet: Produktdesigner sind diejenigen, die UX- und UI-Designern echte Einblicke in die gewünschte Funktionsweise bestimmter Features oder den angestrebten Look bestimmter UI-Steuerelemente geben und nicht nur dafür verantwortlich, wie ein Erlebnis aussieht, sondern auch dafür, wie es funktioniert und was es leistet.
Bildquelle: Emmanuel Torres – VitPilot – Behance
Unternehmen verwenden den Begriff „Produktdesigner“ auf unterschiedliche Weise. Die allgemeinste Definition ist: eine Person, die die Anwenderbedürfnisse vertritt. Justin Edmund schrieb: „Ein Produktdesigner leitet die Produktvision von einer übergeordneten Ebene (Ist dieses Produktmerkmal sinnvoll für das Ziel, das wir in 6 Monaten erreichen wollen?) bis hin zu einer untergeordneten Umsetzungsebene (Wie wirkt sich die Gestaltung dieser Schaltfläche auf den Anwenderfluss durch die Funktion aus?).”
Triebkräfte der Designevolution
Design und seine zugehörigen Fachbereiche sind wie jedes andere Handwerk: Man kann sich mit den Details immer noch näher vertraut machen und die eigenen Fertigkeiten perfektionieren, indem man eine aktivere Rolle im gesamten Designprozess spielt. Es gibt einen generellen positiven Trend: Designer übernehmen zunehmend größere Verantwortung innerhalb des Produktentwicklungsprozesses. Hier einige Triebkräfte für diesen Trend:
Design Thinking
Design Thinking ist heute im Produktdesign ein äußerst populärer Ansatz. Die besten Designs reflektieren die Ziele des Produkts. Gute Designer haben schon immer Design Thinking auf die Gestaltung von Produkten, ob physisch oder digital, angewandt, denn es ist auf die gesamte Produktentwicklung ausgerichtet, nicht nur auf die „Designphase“. Design Thinking ist ein am Menschen orientierter kreativer Prozess, um sinnvolle und effektive Lösungen für Anwender zu entwickeln:
Bildquelle: Cathy Wang
Beim Nachdenken über Produkte sollten Designer Geschäftsziele verstehen und in der Lage sein, zunächst die folgenden Fragen zu beantworten:
- Welche Probleme lösen wir?
- Wer hat diese Probleme?
- Warum tun wir das?
- Wie tun wir das?
- Was wollen wir erreichen?
Die Beantwortung dieser Fragen hilft Designern, das Benutzererlebnis eines Produkts als Ganzes zu verstehen, nicht nur als Interaktion (Feel) oder als visuelles Design (Look). Erst anschließend ist es sinnvoll, zur tatsächlichen Suche nach einer Designlösung überzugehen. Dieser Prozess umfasst die folgenden 6 Phasen:
- Empathie: Forschungsarbeiten durchführen, um profundere Kenntnisse von den Anwendern zu gewinnen.
- Definition: Forschungsergebnisse kombinieren und beobachten, wo das Problem des Anwenders liegt. Durch Ermittlung der Benutzerbedürfnisse anfangen, Innovationsmöglichkeiten hervorzuheben.
- Ideenbildung: Verschiedene potenzielle Lösungen generieren, wobei Designer und Team völlige Freiheit haben.
- Prototyp: Einen Prototyp (oder eine Serie von Prototypen) anfertigen, um die Lösung zu testen. Anhand von Prototypen können Designer erkennen, ob sie auf der richtigen Spur sind. Oft entstehen so neue Ideen, die ansonsten nicht aufkommen würden.
- Test: Zurück zu den Anwendern, um Feedback einzuholen. Stelle dir die Frage: „Erfüllt diese Lösung die Bedürfnisse der Anwender?“
- Implementierung: Die Vision in die Praxis umsetzen. Sicherstellen, dass deine Lösung realisiert wird und für die Anwender funktioniert. Dieser Schritt ist für den gesamten Prozess entscheidend.
Struktur des Design Thinking:
Bildquelle: Sarah Gibbons
Zusammenarbeit
Immer mehr Unternehmen versuchen, Designer und Entwickler gemeinsam in den Entwicklungsprozess einzubinden. Diese neue Art der Produktentwicklung hat zwei wichtige Vorteile:
- Die Zusammenarbeit in einem gemeinschaftlichen Umfeld erzeugt eine Situation, in der Teammitglieder zu ungezügeltem Denken ermutigt werden. Einbeziehen des Urteils eines ganzen Teams ist außerdem der beste Weg, ein Produkt zu verfeinern, das – in Isolation gestaltet – möglicherweise nicht zu verwenden wäre.
- Methoden wie Agile und Lean führen dazu, dass Designer und andere Teammitglieder verstärkt funktionsübergreifend und innerhalb größerer Verantwortungsbereiche arbeiten.
Ein konsolidierter Prozess fördert bessere Arbeit:
Kontinuierliche Verbesserung (Iteratives Design)
Anders als traditionellere Arten des Designs ist der Designprozess für digitale Produkte kein einmaliger Ablauf. Designer sollten nicht erwarten, gleich beim ersten Mal alles richtig zu machen. Die Implementierung zeigt häufig Lücken im Design auf: nicht dokumentierte Bedingungen oder Fehlannahmen zur Produktverwendung, die ohne Auslieferung des Produkts schwer vorherzusagen sind. Ein gutes Beispiel dafür ist der Prozess, wie Spotify Produkte entwickelt. (Think It, Build It, Ship It, Tweak It):
Bildquelle: speckyboy
Um ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln, ist ein Prozess der kontinuierlichen Verbesserung notwendig. Iteratives Design basiert auf der Idee, dass Design in wiederholten Zyklen ablaufen sollte: Es ist ein Prozess der konstanten Verfeinerung und Verbesserung des Produkts, basierend sowohl auf qualitativen als auch auf quantitativen Feedbackdaten von Anwendern. Dies ist eine fantastische Gelegenheit für Designer, das große Ganze zu sehen, ihre Arbeit auf Grundlage des Feedbacks zu verbessern und das Produkt für den Nutzer grundsätzlich wertvoller zu machen. Produktdesign ist ein iterativer Prozess, der auf Design Thinking basiert:
Bildquelle: welovelean
Zusammenfassung
Produktdesign stellt die nächste Vergrößerung des Designauftrags dar, von User Experience Design hin zu einem umfassenderen Designstatus für ein ganzes Produkt.
Die besten Produkte werden von Leuten entwickelt, die das gesamte Produkt verstehen, nicht nur ihr Fachgebiet. Um solche Produkte zu schaffen, sollten UI/UX-Designer versuchen, sich zu Produktdesignern zu entwickeln, die in der Lage sind, zusätzliche Informationen zu generieren und zu verarbeiten, um so das beste Ergebnis zu erzielen.