Wie das Marketing vom Internet der Dinge profitiert
Vernetzte Geräte verändern die Welt. Doch der Hype um Gadgets wie den intelligenten Kühlschrank oder die internetfähige Glühbirne verstellt nicht selten den Blick auf das Wesentliche. Denn das Internet der Dinge besitzt vor allem ein extrem hohes wirtschaftliches Potenzial. In seiner Studie „The Internet of Things: Mapping The Value Beyond The Hype“ sieht das McKinsey Global Institutes einen weltweiten Markt für das Internet of Things (IoT) von bis zu 11,1 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2025.
In Deutschland werden Unternehmen laut einer Prognose der Marktforscher bis 2020 rund 23 Milliarden Euro pro Jahr mit dem Internet der Dinge umsetzen. Aktuell liegen die jährlichen IoT-Umsätze noch bei weniger als 10 Milliarden Euro. Als wichtigste Anwendungsfelder der Zukunft benennt die Studie die Digitalisierung der Fertigung mit einem Umsatzpotenzial von 9 Milliarden Euro und vernetzte Fahrzeuge mit einem Umsatzpotenzial von 4 Milliarden Euro.
Die Analysten benennen aber auch die Felder, auf denen hierzulande noch Nachholbedarf besteht: Rückstand habe die deutsche Wirtschaft in Anwendungsfeldern wie der Digitalisierung des Gesundheitswesens oder der Vernetzung von Gebäuden als Smart Homes.
Wo kann eine erfolgversprechende IoT-Strategie ansetzen?
Doch wo sollen Unternehmen heute bei ihrer IoT-Strategie ansetzen? Antworten darauf will die IDC Studie „Internet of Things in Deutschland 2016 –Wegbereiter der digitalen Transformation” geben, für die letzten Herbst 395 Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitern aus acht Branchen befragt wurden. Fast drei Viertel der Befragten ordnet IoT mittlerweile als sehr oder extrem wichtig für ihr Unternehmen ein. Dennoch befindet sich ein Großteil der Befragten noch immer in der Evaluierungs- oder Planungsphase von entsprechenden Projekten. Lediglich ein Drittel hat bislang IoT‑Lösungen als Pilot oder operativ umgesetzt.
Dabei durchlaufen sie laut IDC in der Regel vier Stufen: In einem ersten Schritt werden Objekte, Assets oder Produkte vernetzt. Die dadurch entstehenden Informationen liefern dann die Grundlage für die zweite Stufe, das Monitoring der entsprechenden Objekte und Prozesse. Auf der dritten Stufe nutzen die Unternehmen die zur Verfügung stehenden Informationen, um ihre Abläufe und Verfahren zu optimieren. Und letztlich werden auf Stufe vier neue Angebote und Services für die Kunden auf der Basis des Internet of Things realisiert.
Viele Unternehmen befinden sich nach den Erkenntnissen der Marktforscher noch in der ersten Phase, die von einer internen Sichtweise statt vom Fokus auf den Kunden dominiert wird. IDC warnt deshalb davor, auf der ersten oder zweiten Stufe stecken zu bleiben. Und hier beginnt die Aufgabe des Marketings, um sinnvolle Anwendungen für die Kunden zu finden, zu entwickeln und umzusetzen.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Marketing
Im Handel etwa bietet das Internet der Dinge eine Vielzahl von neuen Chancen, wie die ersten konkreten Beispiele zeigen. Das Ladenkonzept „Amazon Go“ etwa macht das Kassenpersonal im Supermarkt überflüssig, indem es automatisiert überwacht, was die Kunden im Regal wählen, und die Produkte automatisch über ihr Amazon-Konto abrechnet.
Oder Beacons an den Regalen können genutzt werden, um die Kundenströme am Point of Sales über Promotions auf dem Smartphone der Verbraucher zu steuern. So hat die Rum-Marke Malibu letzten Sommer in Großbritannien 40.000 mit NFC-Sendern ausgestattete Flaschen in den Handel gebracht, die über eine Berührung exklusiven Content auf die Handys der Einkäufer übertrugen.
Ein weiteres IoT-Einsatzfeld im Handel: Mit den neuen Order-Buttons für den Kühlschrank wie „Amazon Dash“ lässt sich die Nachbestellung von Standardprodukten automatisieren und eine feste Verbindung zu den Stammkunden einer Marke etablieren, was das Wechselrisiko zu konkurrierenden Brands minimiert. Allerdings stehen Markenartikler hier vor der Herausforderung, die nüchterne Transaktion per Order-Button mit emotionalen Markenerlebnissen zu bereichern und so die Markenloyalität der Kunden zu erhöhen.
Wearables als Schnittstelle zum Internet der Dinge
Wearables sind weit mehr als ein Produkttrend, der den menschlichen Alltag unterstützt. Man kann sie auch als Schnittstelle zum Internet der Dinge nutzen. Die Smartwatch lässt sich etwa als Informationsträger für Payment‑Lösungen oder als Schlüsselersatz einsetzen. Oder der Fitnesstracker liefert die notwendigen Daten zur Aktivierung anderer vernetzte Geräte im Haus oder im Auto. Beispielsweise wenn Signale für Müdigkeit vom Tracker dazu führen, dass das Soundsystem im Auto oder Büro sein Streaming auf eine etwas weniger ruhige Musikrichtung umstellt.
Mit der massiven Verbreitung von Wearables eröffnen sich auch neue Potenziale für die automatisierte Personalisierung ortsbezogener Werbung. Etwa wenn ein Café je nach Datenprofil eines Fitnesstrackers völlig unterschiedliche Rabattcoupons für Getränke an das Smartphone des Trägers sendet. Dem Sportler wird ein Powertrink schmackhaft gemacht, während ein Autofahrer einen Kaffee-Gutschein erhält.
Der Marketingphantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. Etwa wenn ein Kaffeekapsel-Hersteller Produktproben neuer Sorten an alle Haushalte mit vernetzter Kaffeemaschine verschickt. Oder ein Touristikunternehmen könnte Haushalten mit hoher Heizkostenrechnung gezielt Werbung für sonnenreiche Urlaubsziele zusenden.
Datenschutzbedenken der Verbraucher ernst nehmen
Allerdings stehen solchen Ideen – gerade in Deutschland – erhebliche Datenschutzbedenken gegenüber. Zwar könnten über die Stromverbrauchsdaten eines vernetzten Smart Meters exakte Energieprofile erstellt werden, aus denen sich die Nutzung bestimmter Elektrogeräte oder die generelle Anwesenheit im Haus erkennen lässt. Doch wenn ein Energieversorger oder gar ein anderes Unternehmen auf dieser Basis gezielte Marketingaktionen startet, dürfte die Akzeptanz der Verbraucher schnell zu Ende sein.
Das bekommen heute schon Krankenkassen zu spüren, die mit Hilfe der Auswertung von Fitnesstracker-Daten das sportliche Verhalten ihrer Besitzer mit speziellen Tarifen oder Vergünstigungen belohnen wollen. Denkbar sind aber vielleicht Kundenprogramme wie Payback, wo Teilnehmer für die Nutzung ihrer Daten mit Rabatten oder Bonuspunkten entschädigt werden und das Ganze völlig transparent gestaltet ist. Jeder Verbraucher kann dann entscheiden, ob er sich auf diesen Deal einlässt.