Müssen Designer dem Feedback ihrer Kunden immer zustimmen?

Ist es unsere Pflicht, jedem Feedback von Kunden zuzustimmen? Sind wir das dem Kunden (als für einen Job bezahlte Designer) tatsächlich schuldig?

Es gibt ganze Community-Websites zum Thema „Kunden aus der Hölle“. Deshalb ist es bei Weitem nicht so, dass Designer automatisch denken: Der Kunde hat immer recht.

Auf der einen Seite haben uns unsere Kunden ihr hart verdientes Geld anvertraut und sollten daher ein Mitspracherecht bei unserer Arbeit haben. Auf der anderen Seite haben sie uns auch in dem Wissen für den Job engagiert, dass wir uns mit Webdesign besser auskennen als sie.

Wie genau sieht also der richtige Kompromiss aus? Sollten wir jedem Feedback zustimmen oder nicht?

Mit dieser schwierigen Frage müssen sich Webdesigner und insbesondere Designer, die noch nicht lange auf diesem Gebiet tätig sind, extrem häufig auseinandersetzen.

Was also tun, wenn der Kunde sich eine andere als die von euch erstellte Lösung wünscht, selbst wenn sie eventuell nicht optimal ist? Hier ist unsere Empfehlung, wie ihr in diesen Situationen vorgehen solltet:

Nicht dem Fluch des Wissens zum Opfer fallen

Der Fluch des Wissens ist ein sonderbares Problem. Und nicht nur Webdesigner leiden darunter. Es betrifft im Grund jeden, der einer anderen Person „etwas“ zu erklären versucht.

Wikipedia beschreibt es ganz gut:

„Der Fluch des Wissens ist eine kognitive Verzerrung, die dann auftritt, wenn eine Person während der Kommunikation mit anderen Personen unwissentlich voraussetzt, dass diese den für das Verständnis notwendigen Hintergrund besitzen.“

Auf unser Kundenszenario angewandt tritt das Problem dann auf, wenn wir die Begründung für eine eingeschlagene Richtung unseres Projekts liefern wollen, ohne uns dabei in die Position des Kunden zu versetzen. Wir verwenden zum Beispiel nicht seine Sprache, sondern erwarten von ihm bereits bestimmte Kenntnisse im Bereich Design.

Das Problem besteht natürlich darin, dass euer Kunde kein Designer ist. Er verfügt nicht über dasselbe Wissen wie ihr. Und obwohl diese Tatsache im Augenblick vielleicht offensichtlich scheint, wird sie mitten in einem Gespräch leicht übersehen.

Sich in die Position des Kunden zu versetzen und zu versuchen, die Situation mit seinen Augen zu sehen, ist nicht leicht und erfordert permanente Aufmerksamkeit von euch.

Es gibt jedoch einen Trick, den ihr anwenden könnt: Konzentriert euch beim Erklären der Situation darauf, die richtigen Fragen zu stellen – anstatt die richtigen Antworten zu geben.

Sollte euer Kunde also zum Beispiel eurer Vision/Arbeit nicht zustimmen, liegt es an euch, zu verstehen, was er wirklich meint – welche zugrunde liegende Sorge er euch vermitteln möchte. Dieses Verständnis könnt nur ihr erlangen, indem ihr gute Fragen stellt.

Wenn ihr den Kunden reden lasst, könnt ihr dem Problem auf den Grund gehen und die Bedenken des Kunden unmittelbar angehen, statt beliebige Lösungen aufzuzählen, die eventuell nicht optimal sind.

Auf die Zielgruppe konzentrieren

Abhängig von den Vorlieben eures Kunden stimmt er euren Entscheidungen vielleicht einfach aus dem Grund nicht zu, weil sie ihm „nicht gefallen“.

Es wird ihm jedoch wesentlich schwerer fallen, euch nicht zuzustimmen, wenn ihr das Gespräch auf die Perspektive der Zielgruppe verlagert.

So kann sich zum Beispiel unsere Lieblingsfarbe auf unsere Geschäftsentscheidungen auswirken, ob wir wollen oder nicht. Das trifft auf den Bereich Webdesign wohl ganz besonders zu. Genau aus diesem Grund gibt es auf den Websites von Menschen mit der Lieblingsfarbe Blau vorwiegend blaue Farbpaletten – und so weiter.

Für einen professionellen Designer ist der Unterschied zwischen „was mir gefällt“ und „was für die Zielgruppe passt“ offensichtlich. Das haben wir schließlich gelernt. Für einen Kunden ist das jedoch eine echte Herausforderung. Daher ist es eure Aufgabe, das Gespräch auf die Zielgruppe hin und von den persönlichen Vorlieben des Kunden weg zu lenken.

„Ich bin der Meinung, wir sollten eine hellere und hoffnungsvollere Farbpalette verwenden. Wie wäre es mit Grün?“ – sagt der Kunde. _„Warum?“ _– fragt der Designer – „Denken Sie, dass Grün besser mit der Zielgruppe harmoniert?“

Indem ihr das Gespräch so lenkt, zwingt ihr den Kunden dazu, seine eigenen Neigungen zu verstehen und noch einmal über Dinge nachzudenken, die zuvor als berechtigtes Argument erschienen.

Der Kunde mag auf diese Art zwar nicht sofort mit euch übereinstimmen, aber ihr fördert sein Verständnis dafür, warum ihr während der Arbeit an seinem Projekt bestimmte Schritte unternommen habt und warum eine Lösung, die vielleicht für ihn persönlich nicht ideal ist, sich tatsächlich als die richtige für seine Zielgruppe herausstellen kann.

(Ein ähnliches Szenario wird von Lou Levit in einer ihrer Kundengeschichten beschrieben. Das Lesen lohnt sich.)

Und da wir schon mal beim Thema Gespräche sind:

Zuhören, fragen, anleiten

Der Wert des Gesprächs zwischen euch und dem Kunden macht oft den Unterschied zwischen einem erfolgreichen Projekt und einem Misserfolg aus.

Tatsächlich stehen euch im Grunde nur drei Möglichkeiten offen, wenn der Kunde eure Vision beanstandet:

Von diesen drei Möglichkeiten ist die letzte der einzige Ansatz, mit dem ihr dem Problem auf den Grund gehen könnt.

Vielleicht kommen einmal mehr die persönlichen Neigungen des Kunden ins Spiel. Oder vielleicht möchte er einfach eine Website nachahmen, die er irgendwo anders gesehen hat. Vielleicht ist aber auch das Gegenteil der Fall: Er hat eine bestimmte Lösung mehrfach im Netz gesehen und möchte sie nicht nachahmen.

Erst nachdem ihr euch das „Warum“ eures Kunden angehört habt, könnt ihr damit beginnen, ihm die Besonderheiten eurer Lösung/Vision zu erklären.

Seid ihr zum Beispiel mit dem Bau eines eCommerce-Shops beschäftigt, möchte der Kunde in der Regel alles an diesem Shop einzigartig machen. Er möchte sich komplett von der Konkurrenz abheben, um das Einkaufserlebnis 100 % originell zu gestalten.

Vielleicht möchte er sogar den Einkaufskorb anders gestalten als der allgemeine Standard. In solchen Fällen ist es von Vorteil, mit dem „Warum“ zu beginnen, um den Kunden in ein Gespräch zu verwickeln und ihm dann zu zeigen, warum man Änderungen an Webstandards besser unterlassen sollte.

Verwendet dabei Daten zu eurem Vorteil. Verlagert das Gespräch von „Ich denke, dass meine Lösung die bessere ist“ auf „Laut mehrerer Studien ist diese Lösung die bessere“. Zeigt ihr dem Kunden also zum Beispiel eine verlässliche Fallstudie über die Auswirkungen der Platzierung des Einkaufskorbs auf den Umsatz von Webshops, wird er eurer Ansicht sehr viel wahrscheinlicher zustimmen.

Einkaufskörbe sind nur ein einfaches Beispiel. Zum „Allgemeinwissen“ von Designern gehören noch viele andere Dinge, die dem Kunden aber komplett wie schwarze Magie vorkommen. Wenn ihr nach dem Warum fragt, zuhört und anschließend erklärt, könnt ihr am besten sicherstellen, dass ihr die gleiche Sprache sprecht.

Über Ziele reden

Es ist immer eine gute Idee, alle Fragen auf das Hauptziel des Designs zu lenken.

Und außerdem: „Der Kunde mag X nicht und hätte lieber Y. Schauen wir uns einmal an, wie die Auswirkungen auf das Hauptziel aussehen könnten.“

Wenn ihr dem Kunden erklärt, dass eine von ihm gewünschte Änderung negative Auswirkungen auf sein Hauptziel haben könnte, bedient ihr euch vielleicht der mächtigsten Waffe in eurem Arsenal – solange ihr dabei die oben erwähnten Punkte beachtet.

Schließlich wurden die Ziele für die Website entweder vom Kunden selbst oder mit eurer Hilfe festgelegt. In jedem Fall identifiziert er sich mit diesen Zielen. Er möchte sie erreichen. Könnt ihr also formulieren und (auf verständliche Weise) erklären, warum sich die von ihm gewünschte Änderung auf diese Ziele auswirken kann, gelingt es euch vielleicht sofort, die Meinung eures Kunden zu ändern.

Allerdings:

Der Kunde könnte vielleicht doch recht haben

Es tut mir wirklich leid, aber ich möchte gern etwas hervorheben, mit dem sich nicht viele Anleitungen für den „Umgang mit Kunden aus der Hölle“ beschäftigen:

Der Kunde könnte vielleicht doch recht haben.

Denkt mal darüber nach: Der Kunde besitzt alle Fachkenntnisse zu seinem Unternehmen, dem relevanten Markt, seinen Kunden, den von ihm angebotenen Produkten etc. Und selbst wenn all diese Kenntnisse nur zu einem einfachen „Das Logo sollte größer sein“ führen, müsst ihr dennoch gut darüber nachdenken und erneut herausfinden,_ warum_ der Kunde genau das gesagt hat.

Zugleich meine ich damit, dass ihr nicht mit der Frage „Wie kann ich seine Meinung widerlegen“ an das Problem herangehen solltet, sondern vielmehr darüber nachdenken müsst, „ob es möglich ist, dass der Kunde tatsächlich recht hat?“

Oft ist nämlich genau das der Fall.

Zusammenfassung

Mit dem Feedback eines Kunden umzugehen, ist nicht unbedingt ein einfacher Aspekt in der Arbeit eines Designers. Manchmal könnt euch nur am Kopf kratzen und darüber nachgrübeln, warum euer Kunde etwas auf eine gewisse Weise erledigt haben möchte. Doch diese Erfahrung gehört einfach zum Beruf eines Designers dazu. Und wir müssen alle lernen, mit solchen Situationen umzugehen.

Letztendlich lassen sich Missverständnisse oder unerwartetes Feedback am besten vermeiden, wenn man regelmäßig mit dem Kunden spricht und ihn über die sinnvollen Webdesign-Lösungen unterrichtet, die auf seiner neuen Website Anwendung finden (werden).

Ein auf diese Weise unterrichteter Kunde ist mit eurem Service als Ganzes immer zufriedener. Dadurch hebt sich die Gesamtqualität eures Designs von der Masse ab.

Und um die Hauptfrage zu beantworten – solltet ihr dem Feedback des Kunden zustimmen oder nicht? Ich würde die Frage kurzum mit Nein beantworten. Um jedoch dazu in der Lage zu sein, müsst ihr zuvor das Vertrauen eures Kunden gewinnen und genau erklären können, warum ihr einen anderen Ansatz gewählt habt und warum dieser besser ist.