Was der Bürger 2.0 will: Bestimmt nicht das letzte Jahrhundert

Mehr als 85 % der Kom­mu­nika­tion mit Behör­den begin­nt mit einem For­mu­lar – und fast 100 % dieser For­mu­la­re wur­den – ver­ständlicher­weise – für das Aus­füllen mit einem Stift auf einem Blatt Papi­er aus­gelegt. Im Laufe der Jahre sind viele dieser For­mu­la­re als elek­tro­n­is­che 1‑zu-1-Kopie als PDF ins Web ver­schoben worden.

Doch das reicht heute längst nicht mehr aus. Denn die Bürg­er erwarten heute ein ganz anderes Erleb­nis ohne Medi­en­brüche und nutzen zunehmend mobile Endgeräte für den Kon­takt zu den Behör­den. Was fehlt, ist deshalb eine Opti­mierung der Doku­menten­prozesse mit dem Ziel der Verbesserung der Cus­tomer Experience.

Das Beispiel For­mu­la­rwe­sen ist typ­isch. Immer noch ori­en­tieren sich viele Ver­wal­tun­gen an den Prozessen aus den 60er und 70er Jahren des let­zten Jahrhun­derts und wollen sie ein­fach in die dig­i­tale Welt übertra­gen. Doch damit wer­den nur die vorhan­de­nen Inef­fizien­zen kopiert und Chan­cen für Verän­derun­gen verspielt.

Das Nutzer­erleb­nis stärk­er in den Fokus rück­en

Denn der Bürg­er 2.0 will bei seinem dig­i­tal­en Behör­den­gang verbesserte und ein­fachere Transak­tio­nen. Ganz gle­ich ob es sich um Ter­min­vere­in­barun­gen, An‑, Ab- oder Ummel­dun­gen jeglich­er Art oder um die Beantra­gung eines neuen Reisep­a­ss­es über die Home­page der Stadt handelt.

Diese verän­derte Erwartung­shal­tung sollte auch Kon­se­quen­zen für die Webauftritte von Kom­munen, Behör­den auf allen Ebe­nen oder anderen stat­tlichen Insti­tu­tio­nen haben. Schon das Drehen einiger weniger Stellschrauben kann hier Wun­der bewirken:

Das 20. Jahrhun­dert lässt grüßen

Stellen wir uns ein­mal vor, eine typ­is­che Ver­wal­tung in Deutsch­land hätte das Kun­den­er­leb­nis für den Verkauf von modis­chen Turn­schuhen entwick­elt – ähnlich wie es der Her­steller Nike auf sein­er Web­site NikeiD bere­its anbi­etet. Statt sich über eine solch ein­fache, intu­itive und für mobile Endgeräte aus­gelegte Per­son­al­isierung der Lieblings-Sneak­er zu freuen, wür­den sich die Kun­den wohl ver­mut­lich eher mit einem kom­plizierten For­mu­lar in Überlänge mit Check­box­en und eini­gen Wieder­hol­un­gen bei den Eingaben herum­schla­gen müssen.

Vielle­icht sollte das Pferd bei der Gestal­tung solch­er Nutzer­erleb­nisse mal von hin­ten aufgezäumt wer­den: Wie geht der Bürg­er bei seinem dig­i­tal­en Behör­den­gang wohl vor? Was erwartet er davon?

For­mu­la­rprozesse aus dem 20. Jahrhun­dert sind gut, um

Nicht so gut sind diese ver­al­teten For­mu­la­rprozesse aber, um

Wie gesagt, die ein­st­mals für Papi­er opti­mierten For­mu­la­re heute in ein elek­tro­n­is­ches Sys­tem zu übernehmen, ist rel­a­tiv ein­fach. Doch der Medi­en­bruch bleibt und da die Doku­mente sich am PC kaum aus­füllen lassen und mobil meist nicht nutzbar sind, fällt auch der Bürg­er in das alte Ver­hal­tens­muster zurück: Er lädt das PDF herunter, füllt die Felder aus und ver­schickt das Doku­ment per E‑Mail oder gar per Post – wenn zum Beispiel am Ende auch noch eine eigen­händi­ge Unter­schrift erforder­lich ist.

Vom Beispiel der Steuer­erk­lärungssoft­ware lernen

Ein pos­i­tive Aus­nahme stellt in unserem Land bere­its die jährliche Abgabe der Steuer­erk­lärung dar. Zwar wer­den am Ende des Prozess­es die vom Finan­zamt ange­forderten Dat­en über die üblichen For­mu­la­re ein­gere­icht – entwed­er elek­tro­n­isch über ELSTER oder aber aus­ge­druckt auf Papierform.

Doch bietet eine Vielzahl der auf dem Markt erhältlichen Steuer-Soft­warelö­sun­gen viele nüt­zliche Fea­tures für ein intu­itives Nutzer­erleb­nis an: von Erklär‑Videos und aktuellen Online-Infor­ma­tio­nen über intu­itive Such­funk­tio­nen bis hin zu Muster­briefen für jedes erden­kliche Anliegen.

Heutzu­tage muss sich nie­mand mit einem Com­put­er mehr durch unzäh­lige Seit­en unver­ständlich­er Steuer­for­mu­la­re mehr wühlen, son­dern kann dank der intu­itiv­en Inter­faces der Steuer­erk­lärung­spro­gramme eine für ihn indi­vid­u­al­isierte Erk­lärung – auch online – abgeben – inklu­sive ein­er unverbindlichen Voraus­berech­nung des zu erwartenden Bescheids.

Auf den Return on Invest­ment schauen

Für die benutzer­fre­undliche Opti­mierung von Transak­tio­nen – nicht nur bei Doku­menten­prozessen – lohnt sich auch ein Blick auf viele erfol­gre­iche E‑Com­merce-Seit­en. Sie haben nicht nur ein respon­sives Web­de­sign, das sich automa­tisch an das jew­eilige Endgerät anpasst. Son­dern sie konzen­tri­eren sich auch im Kern darauf, wie die Ver­brauch­er möglichst schnell und kom­fort­a­bel das Ziel erre­ichen – näm­lich den Kauf eines Pro­duk­tes oder ein­er Dienstleistung.

Nicht das schicke Design oder die leicht ver­dauliche Auf­bere­itung von Inhal­ten ste­ht im Mit­telpunkt, son­dern das knall­harte Geschäft und der Return on Invest­ment (ROI). Und das soll­ten auch die Behör­den tun, wenn sie sich mit der Dig­i­tal­isierung ihrer Prozesse befassen. Soll das eGov­ern­ment in Deutsch­land gelin­gen, muss es rentabel für den Staat werden.

Direkt durch gerin­gere Transak­tion­skosten und die Ver­mei­dung von Medi­en­brüchen, die aufwändi­ge Han­dar­beit nach sich ziehen. Und indi­rekt durch eine größere Zufrieden­heit der Bürg­er, die zu ein­er höheren Akzep­tanz von Dig­i­tal Gov­ern­ment-Ange­boten führt. Ein gerin­geres Fehler­risiko und höhere Qual­ität sind dann eben­so wie die beschle­u­nigte Abwick­lung von Prozessen ein willkommen­er Effekt.