Mehr Datenschutz führt nicht zum Tod der Online-Werbung
Nach langen Verhandlungen erfolgte im Dezember 2015 die europäische Einigung auf eine EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die bis zum Mai 2018 in den Mitgliedsländern umgesetzt werden muss und ab dann geltendes Recht ist. Sie wird zu einer weitgehenden Vereinheitlichung europäischen Datenschutzrechtes führen und in diesem Zusammenhang ist oft „von der Zeit nach dem Cookie“ die Rede.
Da hat man das Gefühl eines Déjà vu-Erlebnisses. Hatten wir diese Diskussion nicht schon mal? Und in der Tat: Im Jahr 2011, als die EU-ePrivacy-Verordnung (oft auch als “Cookie-Gesetz” bezeichnet), Publisher dazu verpflichtete, die Verbraucher über den Einsatz von Third-Party-Cookies zu informieren und einen Opt-In-Mechanismus einzusetzen. Viele Marketingverantwortliche hatten damals Angst vor diesem neuen Zeitalter von Transparenz und Kontrolle, dass zu einem drastischen Rückgang der Cookie-Verwendung beim Behavioural Targeting führen würde.
Horror-Szenario für Online-Werbung blieb aus
Doch dieses Horror-Szenario trat nicht ein. Cookies sind nicht veraltet, sondern werden in der Online-Werbung nach wie vor für das Audience Targeting, die Attribution und das Gewinnen von Erkenntnissen zu den Verbrauchergewohnheiten genutzt. Denn sie stellen eine einfache, genaue und skalierbare Lösung für all diese Aufgaben dar. Mit dem Anfang des Jahres bekanntgewordenen Vorschlag der EU-Kommission für eine Novelle der inzwischen in die Jahre gekommenen ePrivacy-Verordnung kam es wieder zu den alten Reflexen: „Das Ende des Internets so wie wir es kennen“ oder „Katastrophale Konsequenzen für die Onlinewerbung“ sind nur einige der Panik-Schlagzeilen.
Die neue Verordnung soll die Datenschutz-Grundverordnung flankieren und bringt eine Reihe von Veränderungen mit sich. Denn Cookies werden darin als persönliche Daten eingestuft, die entsprechend zu schützen sind. So soll künftig der Besuch einer Website alleine durch den Endverbraucher nicht mehr als Einwilligung in eine gesonderte Datenverarbeitung verstanden werden. Die derzeit üblichen Banner mit dem Inhalt „Mit dem Besuch dieser Website akzeptieren sie die Verwendung von Cookies“ oder dem Hinweis „Wir benutzen Cookies“ und einem OK-Button werden dann unzulässig sein, da dem Nutzer keine echte Wahl bezüglich der Abgabe einer Einwilligung verbleibt.
Cookies werden nun als persönliche Daten eingestuft
Es genügt auch nicht, darauf hinzuweisen, dass der betroffene Nutzer in seinem Browser bestimmte Datenschutzeinstellungen vornehmen kann. Vielmehr muss dem Nutzer beim ersten Aufruf der Website und noch vor der ersten Platzierung eines einwilligungsbedürftigen Cookies ein Hinweis auf deren Verwendung gezeigt werden, bei dem der Nutzer die Wahl hat, dem zuzustimmen oder es abzulehnen. Die Darstellung kann durch ein Banner oder ein Hinweisfenster erfolgen, das nicht zu übersehen ist.
Die Zustimmung muss per echtem Opt-In abgefragt werden, bei dem etwa im Fall einer Checkbox diese nicht bereits mit einem Häkchen versehen ist. Außerdem muss den Nutzern, die ihre Einwilligung bereits erklärt haben, jederzeit eine Option zum späteren Widerruf angeboten werden. Das alles – und noch einige andere geplante Änderungen – bedeuten jedoch nicht den heraufbeschworenen „Tod der Cookies”. Gleichwohl müssen sich Marketingverantwortliche auf einen geänderten Umgang mit den Daten ihrer Kunden einstellen.
Datenschutz als Chance begreifen
Sie sollten ihre Strategien und damit auch die Systeme anpassen – und das neben der der damit verbundenen Herausforderung auch als neue Chance begreifen. Denn die DSGVO kann auch dazu führen, sich mit innovativeren Datentypen zu beschäftigen und eine differenzierte Datenstrategie zu entwickeln. Die in der Verordnung verwendete breite Definition von „persönlichen Daten“ hat zur Folge, dass auch anonyme Online-Identifier wie Cookies und Device-IDs unter einem neuen Blickwinkel betrachtet werden müssen.
Wenn Unternehmen bereits eine ausgefeilte CRM-Strategie verfolgen und dadurch über eine hohe Bandbreite an – per Opt-In erhobene – an Kundendaten verfügen, sind sie bereits optimal auf die erwarteten stürmischen Datenschutz-Zeiten vorbereitet. Wenn dies nicht der Fall ist, wird es nun höchste Zeit, damit zu beginnen.
Wie lässt sich der Verbraucher dazu bewegen, seine persönlichen Daten zur Verfügung zu stellen? Welchen Mehrwert muss man ihm dafür bieten? Das sind die entscheidenden Fragen für jeden Marketingverantwortlichen heute. Die DSGVO ist aber auch ein guter Anlass, um einmal auf die Daten hinter dem Kunden zu schauen. Wie kann ein breiterer Ansatz auch zu brauchbaren Ergebnissen beim Targeting führen? Welche Daten lassen sich aggregieren, welche vielleicht löschen?
Relevanz der Online-Werbung ist entscheidend
Stellen wir uns ein Beispiel für eine solch intelligentere Werbung vor: Es ist ein kalter und regnerischer Montag-Morgen. Ich bin hungrig, habe es eilig und mein Zug hat wieder mal Verspätung. Mein per Cookie erfasstes Verhalten im Browser verrät einem Unternehmen nichts über diese Situation. Aber ein Werbetreibender könnte mir trotzdem ein passendes Angebot machen. Indem er zum Beispiel meine aktuelle Position (im Bahnhof) kennt und etwas Kontext darum herum (die Züge haben Verspätung, ich habe schon öfter im Bahnhof was zu essen gekauft usw.).
Was liegt also näher, als mir in meiner aktuellen Lage eine aufmunternde Nachricht auf mein Smartphone zu schicken. Darin werden mir – gekoppelt mit einem Rabatt-Coupon – ein paar Möglichkeiten vorgeschlagen, in der Wartezeit auf die Schnelle meinen leeren Magen zu füllen. Wetten, dass ich höchstwahrscheinlich darauf eingehe? Und das alles ohne Cookie-Daten und Kenntnis meiner konkreten Person, nur wegen der aktuellen Relevanz für die Reisenden zu diesem Zeitpunkt und einer Werbung, die auf ihre persönliche Situation zugeschnitten ist.
Mit kreativem Moment-Marketing beim Verbraucher punkten
Diese Art von Daten nennen wir „Makro-Daten“ oder auch „Moment-Daten“ – sie sind der Schlüssel für relevante Werbung, die auf einer Real-World-Umgebung basiert. Marketingverantwortliche haben heute tausende von Möglichkeiten, das für sich zu nutzen: Sportereignisse, TV-Filme, Wetter, Social-Media-Buzz, Gesundheitstrends oder aktuelle Wirtschafts- und Politik-Entwicklungen.
Im letzten Jahr, so eine Umfrage, nutzten bereits 70 % der Marketingentscheider solches individuelle Moment-Marketing. 2017 und danach dürfte diese Werbeform im Digital Marketing weiter an Bedeutung gewinnen. Ihr großer Vorteil: Dafür braucht es keine Cookies und das Risiko sinkt, mit schärferen Datenschutzbestimmungen zu kollidieren. Gleichzeitig können sich Marken damit besser von der Konkurrenz abheben und erreichen höhere Interaktionsraten der Verbraucher. Notwendig ist dafür – neben entsprechender Technologie – nur etwas Kreativität.