Flo Alt von adidas Football will Teenager in sein Team holen

Um am Ball zu bleiben, muss adidas Football mit einer jungen und sprunghaften Zielgruppe Schritt halten. Im Interview erklärt Kommunikations-Chef Florian Alt wie er dafür pfiffige Jugendliche zu Mitspielern macht.

Flo Alt von adidas Football will Teenager in sein Team holen

Im Sommer 2016 wurde bei adidas Football schwer geschuftet. Die Marke sponserte sowohl die Copa América 2016 als auch die Fußball-Europameisterschaft UEFA Euro 2016 und nutzte diese große Bühne für den Start ihrer neuesten Kampagne: First Never Follows.

Flo Alt, Director of Brand Communication bei adidas Football, unterhielt sich mit CMO.com über das Vertrauen und die Geduld, die es brauchte, um bei beiden Turnieren die am meisten beachtete Marke zu werden. Und weshalb es eine ständige Herausforderung ist, mit der sprunghaften jungen Kernzielgruppe des Labels Schritt zu halten. Zunächst ging es aber darum, wie sich der angestrebte Markt von adidas Football entwickelt hat.

Alt: In den letzten vier Jahren haben wir unsere hauptsächliche Zielgruppe analysiert und versucht zu definieren, wen wir ansprechen möchten und wie diese Gruppe aussieht. Unsere wichtigsten Influencer spielten dabei eine Schlüsselrolle. Unsere Zielgruppe ist heute ein wenig weiter gefasst als in der Vergangenheit.

Wir haben uns auf Jungen im Alter von 16 bis 17 Jahren konzentriert, die sich rund um die Uhr und das ganze Jahr über mit Fußball beschäftigen – vom Aufwachen bis zum Schlafengehen. Das Denken unserer wichtigsten Kunden wird fast vollständig vom Fußball bestimmt. Damit meinen wir nicht nur die 90 Minuten, in denen sich die Jungs ein Spiel ansehen oder trainieren. Sie interessieren sich auch für die aktuellsten Neuigkeiten im Fußball, welcher Spieler wohin transferiert wurde, welche Mannschaften neue Trainer haben, für Spieltaktiken, für die neuesten Produkte auf dem Markt, für Innovationen im Spiel und für Gaming-Produkte etwa von EA und FIFA. Sie interessieren sich für einfach alles, was irgendwie mit Fußball zu tun hat. Intern nennen wir sie „Football Creators“.

Anfang 2015 haben wir angefangen, für unsere Kampagnengestaltung auf kulturelle Faktoren zu schauen. 16- bis 17-jährige Kids stehen meist an einem Wendepunkt in ihrem Leben: Einige werden als Profi-Fußballer Karriere machen, andere haben ihre erste Freundin oder kaufen ihr erstes Auto. Auch Musik spielt in ihrem Leben eine große Rolle. Das Verhalten der Jungs wird von vielen anderen Faktoren beeinflusst. All diese Aspekte unterstützen uns beim Design einer Kampagne, die genau auf ihre Denkweise abgestimmt ist und den richtigen Ton trifft, um auf Resonanz zu stoßen.

CMO.com: Wie wirkte sich der stärkere Fokus auf Ihre Zielgruppe bei der First-Never-Follow-Kampagne zur Copa América 2016 und UEFA Euro 2016 aus?

Alt: Eine wichtige Erkenntnis über die Creators war, dass diese Kids von Natur aus die Ersten sein wollen. Sie wollen die Ersten sein, die erfahren, welcher Spieler wohin geht und welche Schuhe auf den Markt kommen. Und sie wollen die Ersten sein, die diese Schuhe besitzen und die Ersten, die auf Inhalte zugreifen können, um sie dann mit ihren Freunden zu teilen. Dieses Verhalten ist tief in ihrer Persönlichkeit verwurzelt. Es hilft ihnen, ihren Status als Anführer im Freundeskreis zu bestätigen. Diese Jungs haben großen Einfluss, denn alle anderen imitieren ihren Style, ihre Fußballschuhe oder auch die Musik, die sie hören. Wenn du der Erste bist, bist du Trendsetter und Anführer. So entstand die Idee für die Kampagne First Never Follows – der Erste folgt niemandem.

CMO.com: Wie wurde die Kampagne auf die Beine gestellt?

Alt: Wenn wir eine neue Idee haben, wie First Never Follows, überlegen wir, wie wir sie in allen verschiedenen Marketingdisziplinen zum Leben erwecken können. Funktioniert sie etwa im Handel und können wir sie visuell umsetzen? Heutzutage müssen wir auch unbedingt verstehen, wie sich Menschen mit einem Konzept in den Social Networks identifizieren.

Wir versuchten, in beiden Turnieren klarzustellen, wofür adidas Football steht und was wir mit First Never Follows meinen. Während der beiden Veranstaltungen wählten wir wichtige „Zum ersten Mal“-Momente für die Präsentation der Kampagne aus, wie das erste Tor des französischen Fußballers Paul Pogba. Dann feierten wir diese Momente in unserer Kampagne auf den Social-Media-Plattformen von adidas.

Zusätzlich zu den Situationen auf dem Spielfeld wollten wir bei adidas in Deutschland einen Schritt weiter gehen und innovative „Zum ersten Mal“-Konzepte entwickeln.

Während der UEFA Euro 2016 kamen gleich zwei der Innovationen zum Einsatz. Die erste war das Spielerportrait nach dem Spiel. Nach ausgewählten Spielen schickten wir einen Fotografen aufs Spielfeld. Vorher hatten wir uns einen Spieler ausgesucht, der im Spiel etwas Herausragendes geleistet hatte und diesen ließen wir dann direkt nach dem Abpfiff ablichten. Sein Bild wurde anschließend sofort auf unseren Social-Media-Kanälen gepostet. Diese Aktion kam sehr gut an und hat massiv zum Erreichen unserer Shareability-Ziele beigetragen. Wenn man zum richtigen Zeitpunkt spektakuläre Inhalte liefert und die Kids gute Laune haben und teilen, läuft das wie geschmiert. Die Aktion wirkte sich großartig auf unsere KPIs aus – ein echter „Zum ersten Mal“-Moment.

Eine weitere Innovation während der UEFA Euro 2016 war die Übertragung der Höhepunkte auf unseren Social-Media-Kanälen, wie YouTube. Wir waren der einzige Sponsor, der am selben Spieltag Zugang zu Videos mit den Höhepunkten des Tages hatte. Die Inhalte wurden sorgfältig ausgewählt, zugeschnitten und Punkt Mitternacht ins Netz gestellt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde unser Zielpublikum die topaktuellen Videos mit Freunden teilen und weiterempfehlen. Weil wir Sponsorenrechte hatten, waren wir die einzigen, die so etwas tun konnten.

CMO.com: Wie messen Sie den Erfolg von First Never Follows?

Alt: Wir hatten uns vorgenommen, in den vier Wochen der Copa América 2016 und der UEFA Euro 2016 zur jeweils am meisten geteilten Marke zu werden. Wir wollten aus beiden Turnieren als die Marke hervorgehen, die von ihren Zielgruppen am häufigsten geteilt wurde, und das nicht nur im Vergleich zur direkten Konkurrenz, sondern auch zu anderen Sponsoren wie Coca Cola. Das haben wir geschafft. Auf Twitter (Retweets), Facebook (Teilen), YouTube (direkt geteilt und über andere Social Networks geteilt), Instagram (Benutzer-Tags) und Online-Medien (über soziale Plattformen geteilt) wurde unsere Marke insgesamt 1,61 Millionen geteilt. Insbesondere während der UEFA Euro 2016 dominierte adidas für 27 von 30 Tagen das tägliche Volumen der geteilten Beiträge. Das Ergebnis waren insgesamt 1,17 Millionen geteilte Beiträge, mehr als zwei Mal so viel wie die zweitgrößte Marke.

Auch in puncto Hashtag-Verwendung waren wir sieben Mal so häufig vertreten wie die zweitbeste Marke. Insgesamt wurde adidas in 685.000 Hashtags auf Instagram und Twitter erwähnt und somit zum sichtbarsten Label weit und breit.

Unser weiter gestecktes und ultimatives Ziel für die Zukunft ist eine Kombination aus dem NPS-Ansatz (Net Promoter Score) und kommerziellen Zielen. So bekommen die Leute auf jeden Fall unsere neuesten Schuhe zu sehen – die Mercury Pack – und wir können sie motivieren, sie zu kaufen und es ihren Freunden mitzuteilen.

CMO.com: Was ist das Geheimnis, um diese junge männliche Zielgruppe zu erreichen?

Alt: Man muss herausfinden, was bei diesen Kids wirklich Resonanz erzeugt. Und das darf keine Spielerei sein oder irgendetwas, das wir uns ausgedacht haben und meinen, es sei cool. Das Geheimrezept lautet, etwas zu finden, über das unsere wichtigsten Kundendenken: „Ja, das ist genau das, was ich auch fühle, das trifft bei mir genau ins Schwarze. adidas macht es richtig.“ Nur dann wollen sie wirklich mit dem Content interagieren und hören zu, was wir als Marke zu sagen haben. Und sie teilen es mit ihren Freunden.

Teenager verlieren schnell das Interesse und wenden sich anderen Dingen zu, deshalb muss man als Marke immer am Ball bleiben und kontinuierlich prüfen, über was sie gerade reden. Den richtigen Ton zu treffen, ist dabei immer eine unserer größten Herausforderungen.

CMO.com: Wie bleiben Sie denn am Ball?

Alt: Seit dieser Saison investieren wir mithilfe von Plattformen wie WhatsApp und Snapchat viel mehr Zeit in persönliche Gespräche mit Kids, Meinungsführern und Influencern im Dark Web oder im Dark Social Net. Das heißt, wir haben echte Konversationen mit wichtigen Creators.

Außerdem bauen wir in wichtigen europäischen Städten Communities auf, über die wir persönliche Beziehungen zu den Kids herstellen können und einen direkten Draht dazu haben, was sie denken und tun und worüber sie sprechen. Diese Gruppen kommen nur auf der Grundlage von Einladungen zustande, wir suchen uns also die richtigen Leute aus und holen sie ins Boot. Auf diese Weise verfeinern und überprüfen wir unser Marketingkonzept und teilen unsere neuen Produkte mit ihnen – also Open Source im wahrsten Sinne des Wortes. Wir erklären ihnen Design-Hintergründe und zeigen ihnen, dass sie aktiv an der Entwicklung des Fußballs beteiligt sind. Wir haben eine sehr gute und enge Beziehung zu den Kids. Das hilft uns, Trends aufzugreifen und mit der Zeit zu gehen. Eine bessere Einbindung unserer Zielgruppe ins Marketing ist für die Zukunft immens wichtig.

CMO.com: Welche Lektionen haben Sie durch diese Kampagne gelernt?

Alt: Eine wichtige Lektion war, dass man zu seinem ursprünglichen Plan stehen muss und nicht nervös werden darf, wenn in den ersten paar Tagen oder Wochen nicht alles wie geschmiert läuft. Wenn ich sage, dass wir bei beiden Turnieren die am meisten geteilte Marke waren, muss ich fairerweise erwähnen, dass wir in den ersten ein bis zwei Wochen etwas hinter der Konkurrenz zurücklagen. Doch wir wussten, dass unsere Strategie stimmte, was wir noch alles in petto hatten und welches Ziel wir anvisiert hatten. Gegen Ende der Veranstaltungen konnten wir zusehen, wie die Idee schließlich zündete und am Ende der Turniere waren wir die am meisten geteilte Marke.

Das war eine wichtige Lektion für uns: An den Plan halten, aber jeden Tag sorgfältig prüfen und analysieren, wie es um unsere KPIs bestellt ist. Die Ergebnisse dort zeigen uns, dass wir hier und da einige Schwachstellen hatten. Es ist noch nicht perfekt, aber wir haben bis zum World Cup 2018 noch genug Zeit, weitere Lektionen zu lernen.

CMO.com: Wie passt First Never Follows in die breitere Kommunikationsstrategie von adidas?

Alt: Wir verfolgen unsere eigene Markenstrategie, doch wir reflektieren adidas und dessen Ethos. adidas ist ein Open-Source-Unternehmen, das mit den Verbrauchern interagieren und sie begeistern möchte, um sich dadurch neu zu erfinden und anzupassen. Das ist auf jeden Fall auch für adidas Football erstrebenswert. Bestimmend ist für uns Teenager und ihre Gedanken zu verstehen. Aber wir haben auch den Mut, etwas gemeinsam zu entwickeln, das bei diesen Kids wirklich Resonanz findet. Zuhören und agil sein ist etwas, das nicht nur bei adidas Football, sondern von der ganzen Marke geschätzt wird.

Das Interview erschien auf Englisch im September 2016 auf CMO.com.