Monika Schulze von der Zurich Gruppe über Marketing-Trends

Zwar erreicht die Versicherungsbranche ihre Kunden noch über traditionelle Kanäle. Im Interview mit CMO.com berichtet Monika Schulze aber wie sich die Rolle des Marketings geändert hat.

Monika Schulze von der Zurich Gruppe über Marketing-Trends

Monika Schulze war bei Unilever als Global Vice President für die Marke Knorr und in anderen leitenden Positionen tätig. Dann stieg sie in die Versicherungsbranche ein und übernahm den Posten des CMO für die Zurich Gruppe Deutschland.

Als Global Head of Marketing bei Zurich setzt sie ihre Expertise aus dem Handel ein, um die Kundenorientierung im Unternehmen und in der Versicherungsbranche ganz allgemein zu stärken. Als Mitglied des unternehmenseigenen Innovationsteams sorgt Monika Schulze dafür, dass Zurich in puncto digitale Entwicklung die aktuellen Trends bedient. Gleichzeitig ist sie aber vom ganzheitlichen Marketingansatz überzeugt. Im Interview mit COM.com berichtete sie zunächst über die größten Herausforderungen in ihrem Job.

Schulze: In der Versicherungsbranche hat man sich vor allem auf Vertreter und Versicherungsträger, aber nicht auf die Kundschaft konzentriert. Dank Digitalisierung, besser informierten Kunden und Finanztechnologieunternehmen sind in diesem Bereich nun Entwicklungen zu erkennen. In den vergangenen Jahren haben wir es geschafft, unser Konzept als Unternehmen und als Marketingteam maßgeblich zu verändern.

Deshalb bin ich auch in die Branche gekommen. Der ehemalige Geschäftsführer für Deutschland hatte mich konkret gebeten, eine kundenorientierte strategische Marketingabteilung aufzubauen und Initiativen zu starten, zum Beispiel mit Bezug auf die Kundendatenbank und Customer-Lifetime-Value-Modelle. Außerdem sollte ich Marktforschung betreiben, um herauszufinden, welche Gründe in den Marktsegmenten B2C und B2B für den Kauf von Versicherungen ausschlaggebend sind. Das Unternehmen konnte sich danach viel stärker auf Daten stützen als zuvor.

CMO.com: Wie wichtig war Ihre Erfahrung im Handel, um diese Aufgaben bei Zurich zu erfüllen?

Schulze: Schauen Sie sich den Handel mal an. Die Marketingteams sind dort gleichermaßen auf Kunden wie auf Daten fokussiert. Als ich in der Branche gearbeitet habe, war ich oft auch für Gewinn oder Verlust verantwortlich. In den Sachbereichen Marketing und Kommunikation bei Zurich und in der Versicherungsbranche ganz allgemein hatte das Marketing von jeher eine Unterstützerfunktion, zum Beispiel bei Veranstaltungen. Doch das ändert sich jetzt. Ich bin der Meinung, die Marketingabteilung muss viel mehr für die Entwicklung und das Wachstum des Unternehmens tun, anstatt ihm nur zu assistieren.

CMO.com: Mit welchem Geheimrezept lässt sich die Kundenorientierung in der Versicherungsbranche stärken?

Schulze: Sie müssen die gleiche Sprache sprechen wie Ihre Kollegen. Vor Kurzen war ich auf einer Konferenz und in einer der Reden ging es darum, wie wichtig es ist, die gleiche Sprache wie die internen Kunden zu sprechen. Das war für mich vollkommen plausibel. Wenn ich mit der Finanzabteilung oder dem Geschäftsteam kommuniziere, kann ich mich nicht über die Bedeutung der Gefühle von Kunden auslassen. Ich muss sagen: ‚Wenn wir die richtigen Kunden anvisieren und verstehen, was sie sagen, können wir den Umsatz um X steigern.‘ Das ist die Sprache, die sie verstehen. Besonders für digitale Marketer ist es sehr wichtig, Marketingjargon so umzuformulieren, dass andere Unternehmensbereiche damit etwas anfangen können. Um eine bessere Kundenorientierung zu erreichen, muss man fragen: ‚Was bedeutet das für das Unternehmen?‘

CMO.com: In welchem Ausmaß sieht Zurich sich selbst als digitales Unternehmen?

Schulze: Wir befinden uns noch auf dem Weg dahin. Im Vergleich zu Unilever oder P&G investieren wir nicht so viel. Wenn man sich allerdings die Media-Analyse ansieht, scheinen traditionelle Kanäle auch ganz gut zu funktionieren. Ich glaube, eine gute Kombination ist hier das Geheimnis: Zielkunden und Customer Journey analysieren und dann die beste Media-Kombination definieren. In einem so traditionellen Markt wie der Schweiz wirkt Fernsehwerbung noch und man kann gute Ergebnisse erzielen, wenn man digitale Kanäle und Paid Media damit verbindet. Ganz besonders, wenn Sie mit dem Publikum interagieren möchten.

Für die Kommunikation mit Unternehmen unterhalten wir Partnerschaften mit LinkedIn, Bloomberg und The Wall Street Journal. Im Zusammenspiel mit Twitter läuft das wirklich gut. Zurich ist auch im Vordenken ziemlich aktiv. Wir kooperieren eng mit dem Weltwirtschaftsforum, das ebenfalls auf Twitter sehr aktiv ist und uns eine große Reichweite beschert.

CMO.com: Wie experimentieren Sie mit anderen Social-Media-Plattformen?

Schulze: Ich bin immer der Meinung, man sollte sich auf eine Sache konzentrieren. Zuerst müssen wir unsere aktuellen Social-Media-Kanäle richtig benutzen können, dann können wir unseren Radius ausweiten. Im Moment sehen die Zahlen, die ich von LinkedIn und Twitter erhalte, recht gut aus und ich bin mit der Customer Journey zufrieden. Vielleicht gehen wir in Zukunft einen Schritt weiter. Ich will aber nicht zu viele Dinge auf einmal angehen.

Im Retail-Bereich konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Entwicklung von Social-Media-Plattformen, um die Kanäle unserer Makler zu unterstützen. Unser Ziel ist es, globale Inhalte auf lokaler Ebene zu verbreiten und dass sich unsere lokalen CMOs um die Makler kümmern. Wir kooperieren mit Unternehmen wie Hearsay. Auf diese Weise können unsere Makler auf Content-Bibliotheken zugreifen und die Inhalte aussuchen, die ihnen zusagen. Diese teilen sie dann, meist über Facebook, mit ihrem Kundenstamm. Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass wir damit nicht nur die Qualität der Kommunikation erhöhen, sondern auch das Geschäftsergebnis beeinflussen und Talente anlocken.

CMO.com: Wie wichtig ist Mobile für Ihre Marketingaktivitäten?

Schulze: Mobile ist jetzt überall und spielt eine immer wichtigere Rolle. Ausgangspunkt ist dabei stets die Frage nach dem anvisierten Publikum und der Customer Journey. Wenn wir gute, kreative Ideen haben, müssen die sich auch in den verschiedenen Kanälen umsetzen lassen, die der Kunde benutzt, Mobile eingeschlossen.

Ich schaue mir den Kundentypen und meine Kampagne an und definiere dann für jeden Kanal basierend auf den Daten der Mediaagentur, was ich tun muss.

CMO.com: Hat sich mit der Entwicklung im Digitalbereich auch die Struktur Ihrer Marketingabteilung verändert?

Schulze: Als ich in Deutschland als lokaler CMO tätig war, hatte ich ein digitales und ein traditionelles Marketingteam unter mir. Ich bin aber der Überzeugung, dass alle zu einem Team gehören sollten und dass dort genügend digitale Expertise vorhanden sein muss. Meiner Erfahrung nach macht jeder sein eigenes Ding, wenn man die Teams aufteilt. Das führt zu doppelter Arbeit und stärkerem Schubladendenken. Indem man mit nur einem Team anstatt mehreren an einem Projekt arbeitet, lässt sich das vermeiden.

Ich arbeite gerne auf ein einziges Ziel hin. Dann kann ich kurz und bündig sagen: ‚Das ist es, was ich erreichen will‘. Wenn ich mir Publikum und Customer Journey unter dieser Prämisse anschaue, finde ich auch Lösungen und habe nicht das Gefühl, erst einmal digital etwas machen zu müssen und anschließend im Fernsehen.

Trotzdem habe ich in den vergangenen Jahren auch viele Mitarbeiter eingestellt, die speziell auf Digital geschult waren – und nicht nur auf digitales Marketing, sondern auch auf digitale KPIs und digitale Analysen.

CMO.com: Wie sieht Ihr Aufgabenspektrum bei Zurich aus und wie schaffen Sie es, so viele globale Teams zu managen?

Schulze: Als globaler CMO muss ich eine gute Beziehung zu den Teams auf der ganzen Welt aufbauen und dafür sorgen, dass alle am selben Strang ziehen. Ausgangspunkt sind die Geschäftsziele und das, was die Geschäftsführer in den Ländern erreichen müssen. Dann entwerfen wir Marketingpläne und knüpfen an lokale und globale Aktivitäten an, um festgelegte Vorgaben umzusetzen.

Für die Kommunikation mit den Teams in den verschiedenen Ländern nutze ich Technologie und persönliche Gespräche. Man muss sich immer mal persönlich treffen, um eine emotionale Bindung aufzubauen – also die Leute sehen, mit ihnen reden und gemeinsam zu Abend essen. Das schaffe ich zwar nicht mit allen Ländern, aber ich treffe die CMOs der wichtigsten Länder mindestens viermal im Jahr, und das ganze Team kommt jedes Jahr mindestens einmal zusammen. Außerdem habe ich zwei Mal die Woche Telefon- oder Videokonferenzen. Entscheidend ist die Kommunikation – Sie müssen mit den Leuten reden.

CMO.com: Wie einfach ist es, auf die Expertise zuzugreifen, die Sie im Zuge der Weiterentwicklung des Marketings benötigen?

Schulze: Das ist immer ein Problem, denn zwischen den Ländern und der Expertise der Mitarbeiter gibt es riesige Unterschiede. Ich versuche, bewährte Praktiken mithilfe von Beispielen aus den Ländern und Gruppen des Unternehmens zu entwickeln und zu teilen. Letztes Jahr im Juni etwa hatten wir ein großes Marketinggipfeltreffen, auf dem wir die Länder baten, uns Beispiele dafür zu nennen, was bei ihnen wirklich gut funktioniert. Die besten Ideen wurden prämiert und mit den anderen geteilt, um sie anzuregen, es auch so zu machen. Wenn es in einem Land an kompetentem Personal mangelt, spreche ich mit dem Geschäftsführer, um eine Lösung zu finden.

CMO.com: Erwarten Sie heute von all Ihren neuen Marketingmitarbeitern solide Kenntnisse im digitalen Bereich?

Schulze: Ich finde, jeder Marketer sollte sich heutzutage mit Digital auskennen. Ohne digitale Expertise kann man kein gutes Marketing mehr machen. Das ist glaube ich keine Frage des Alters, oder dass man jüngere Leute einstellen muss. Viele ältere Menschen haben heute gute Kenntnisse im digitalen Marketing.

CMO.com: Wie sorgen Sie dafür, dass Sie mit Ihren eigenen Kenntnissen in puncto Digital auf dem Laufenden bleiben?

Schulze: Erstens arbeite ich sehr viel mit meinem Agenturnetzwerk und besuche auch viele Konferenzen. Vor Kurzem erst war ich auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Es ist unglaublich wichtig, zu den richtigen Events zu gehen, um den richtigen Input zu erhalten. Außerdem bin ich privilegiert, weil ich Mitglied des Innovationsteams bei Zurich bin. Kürzlich ging es für uns ins Silicon Valley und nach Israel, wo wir uns ausschließlich mit Marketinginnovationen beschäftigt haben.

Im Silicon Valley waren wir bei einer datengesteuerten Firma zu Gast, mit der wir jetzt eng zusammenarbeiten. Bei Daten geht es nur um die richtige Expertise und die richtige IT-Leistung, um die Daten sammeln zu können und daraus schlau zu werden.

Wir kooperieren auch mit Google und nehmen dort an Workshops teil. In den letzten Gesprächen mit Google ging es um Suchmaschinen und YouTube, aber auch um Dinge wie Google Cloud. Digitales Marketing wird dadurch für das Geschäft relevant und gilt nicht nur als eine Kompetenznische in der Marketingabteilung. Auch IBM ist einer unserer Partner, IBM Watson, um genau zu sein – eine kognitive Technologieplattform. IBM arbeitet mit sehr ausgeklügelten Marketing-Tools, ganz besonders in puncto Customer Insights.

CMO.com: Wie werden sich Marketing und digitales Marketing Ihrer Meinung nach entwickeln?

Schulze: Daten spielen da eine große Rolle. Auf der Mobile World Conference habe ich eine sehr gute Präsentation von IBM über psychologische Daten gehört, also Denkweise, Gefühle und Stimmungslage. Daten werden immer anspruchsvoller.

Ich glaube auch an das Konzept des Storytelling: Man posaunt dabei nicht einfach seine ach so wichtige Meinung in die Welt hinaus, sondern verpackt sie in Geschichten und bekommt Feedback von den Kunden. Dabei geht es darum, ein Gespräch zu ermöglichen und nicht darum, Monologe zu halten. Ich glaube aber nicht, dass 30 Sekunden Werbung fürs Storytelling ausreichend sind. Da gehört mehr dazu – und Digital gibt uns die Möglichkeiten dafür.

Das Interview erschien im März 2016 auf CMO.com.