Seid aufmerksamer in der Fotografie: Top Tipps von Ja Soon Kim
In diesem Monat geht es bei uns weiterhin um Bilder, die einen Zweck verfolgen. Fotografien können dabei ganz unterschiedlichen Zwecken dienen: Sie können versuchen zu überzeugen, sie können etwas dokumentieren oder sie helfen einfach dem Fotografen sein Geld zu verdienen. Was aber, wenn der Vorgang des Fotografierens selbst zum Zweck wird? Wir haben mit Ja Soon Kim, einer Fotografin, Yogaveteranin, Meditationslehrerin und Adobe Stock Premium Contributorin, über das Thema „Aufmerksames Fotografieren“ gesprochen.
Eigene Visionen finden, anstatt denen anderer folgen
Ja Soon hat in letzter Zeit viel über Instagram nachgedacht. „Ich bin älter als die meisten bei Instagram“, sagt sie. „Ich sehe diese vielen jungen Menschen, die in ein Auto springen und Tausende von Kilometern zurücklegen oder an entlegene Orte fliegen, um letztlich ein paar Bilder zu schießen, die stark an das erinnern, was schon zig andere vor ihnen ins Netz gestellt haben. Ich denke mir dann bloß: ‚Ihr seid bis dorthin gereist, aber habt ihr wirklich gesehen, was es dort gibt?“
Ja Soon hat den Eindruck, dass die Fotografen der Generation Instagram manchmal so sehr darauf fixiert sind, das “Bild schlechthin” zu schießen, dass sie dabei ganz vergessen, den Moment zu erleben und ihre eigenen Visionen zu entwickeln. „Deine eigene Vision ist wertvoll. Postet, was euch gefällt und was ihr seht“, rät sie. „Dafür müsst ihr nicht weit reisen. Ich lebe in der Wüste – also ist es genau das, was ich sehe: Den Wechsel der Jahreszeiten und die wunderschönen Naturschauspiele der durch Wind und Wasser geformten Wüste. Ich reise auch, aber ich fotografiere immer das, was mir vor die Linse kommt.“
JA SOON KIM / ADOBE STOCK
Streift umher (nicht zu fern) – und nehmt einen Beutel mit.
Eine für Ja Soons Fotografie typische Technik ist das so genannte flat lay. Dabei trägt sie diverse Dinge zusammen, arrangiert sie sorgfältig und lichtet sie schließlich von oben ab. Die Gegenstände müssen keineswegs exotisch oder gar im traditionellen Sinne schön sein. Vielmehr geht es ihr um die vielen kleinen Dinge, die sie auf ihren Spaziergängen entdeckt oder auch um Momente, die sie gedanklich fesseln.
„Egal wo ich hingehe, ich habe immer einen Beutel dabei, um Dinge einsammeln zu können. Manche dieser Dinge haben für die meisten Leute kaum einen Wert, wie etwa ein Blatt von einem Baum. Aber ich nehme sie mit nach Hause“, erklärt sie. „An meinem Fenster habe ich eine ganz schlichte Fotoecke, wo ich die Dinge dann so lange arrangiere, bis ich wirklich zufrieden damit bin. Für mich sind das Augenblicke der Ruhe, der Betrachtung, ja, sogar der Meditation. Ich bin dann wirklich voll und ganz bei dem, was ich sehe, in dem einen Moment – Erinnerungen bestehen aus Momenten. Sie bestehen nicht aus Tagen oder Reisen.“
JA SOON KIM / ADOBE STOCK
Nach einem Schneesturm in der Wüste beobachtete Ja Soon kürzlich ihre Nachbarn beim Wegfegen von Baumrinde, die durch den Wind heruntergefallen war. Weil sie in den Schatten und Strukturen der am Boden liegenden Rinde Schönheit entdeckte, sammelte sie die Stücke für eine spätere flat-lay-Komposition auf. „Manchmal gehe ich einfach nur vor die Tür und sammle ein paar Piniennadeln ein – daraus kann sich schon ein ganz tolles flat lay ergeben.“
Ja Soon hat das Glück, in der Nähe einer ausgedehnten Landschaft aus Bergen und Wüste zu leben, und dennoch verliert sie sich in ihrer Fototografie am liebsten in den kleinen Details des Moments. „Die Dinge zeigen sich einem von selbst, dafür muss man aber genau hinsehen. Erst wenn man wirklich genau hinschaut, sieht man das winzige Vogelnest in der Baumkrone und den Ansatz einer gebrochenen Eierschale darin. Das ist Schönheit.“
JA SOON KIM / ADOBE STOCK
Aufmerksam zu sein, bedeutet für Ja Soon, das Leben im Detail, zugleich aber auch in der Tiefe wahrzunehmen. Neulich zum Beispiel spazierte sie durch einen Park und bemerkte plötzlich Federn, die auf dem Boden lagen. „Ich erkannte, dass viele dieser Federn von einer Krähe stammten. Sie waren schwarz. Einige andere erkannte ich als die Brustfedern einer Eule. Dann waren da noch mehr schwarze Federn, also hatte offenbar die Eule die Krähe gefressen. Ich war ganz baff, wie ich mir das so ansah und dabei über diesen Kampf um Leben und Tod nachdachte … und so sammelte ich die Federn auf und machte ein Bild damit – eine Dokumentation des Lebens, wie es ist.“
Im Moment sein
Noch mehr Bilder aus der Reihe „aufmerksames Fotografieren“ findet ihr in unserer speziellen Visual Trend Gallery.