Digitale Transformation der Verwaltung: Immer noch Schneckentempo
Vor wenigen Tagen kam die frohe Botschaft auf meinem Smartphone an: „Die Bundesregierung will Vorbild bei der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung sein“, teilte deren Presse- und Informationsamt mit. Der Innenminister habe den vom Kabinett nun so beschlossenen „Evaluierungsbericht 2016“ zum Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020” vorgelegt, der den Stand von dessen Umsetzung beleuchte.
Zu den im Bericht erwähnten Projekten gehören unter anderem
- der Portalverbund mit dem Ziel, Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen im Netz einen leicht auffindbaren, sicheren Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen bereitzustellen
- die Einführung der elektronischen Akte (E‑Akte)
- der Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen
- die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse des Bundes
- die organübergreifende Digitalisierung des Gesetzgebungsverfahrens
- die Verwendung von Open Data
„Die bereits in Kraft getretenen Umsetzungspflichten sind zu weiten Teilen erreicht“, freut sich die Bundesregierung über erste Erfolge ihrer Initiative. Viele der Projekte seien aber langfristig angelegt, zudem würden davon zahlreiche Behörden mit teilweise sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen betroffen.
„Die für die Transformation notwendige Kompetenz in den Organisationen der Bundesverwaltung muss über mehrere Jahre hinweg auf- und ausgebaut werden“, ist deshalb die Schlussfolgerung in dem Zwischenbericht. In zwei und in vier Jahren werde es daher eine erneute Evaluierung geben.
Woran hakt es beim Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020”?
Haben wir diese Zeit bei der Umsetzung von Digital Government in Deutschland wirklich? Staaten wie Estland, die zwar wesentlich kleiner sind, gehören in Europa längst zu den Vorreitern und zeigen in der Praxis, wie eine digitale Verwaltung aussehen kann und den Bürgern nützt. Wenn ich mit Entscheidern aus dem Behördenumfeld spreche, werden immer wieder folgende Punkte angesprochen:
- die Mitarbeiter haben keinen Einblick, was die Behördenleitung konkret plant bzw. ob sie überhaupt etwas plant und sie wissen auch nicht, wann etwas geplant wird oder werden soll?
- die Mitarbeiter sind verunsichert, weil die meist keine Digital Natives sind und davor Angst haben, was auf sie zukommt – es gibt zu wenig Aufklärung.
- die Behördenleitungen entscheiden zusammen mit der IT über zukünftige Projekte, die Mitarbeiter werden dann vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen die Machbarkeit beweisen. Viele fühlen sich davon überrollt und wünschten sich, dass sie frühzeitiger in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
- Es gibt keinen Chief Digital Officer wie in vielen Unternehmen – also keinen „digitalen Vorreiter“ mit dem nötigen Know-how und dem Ziel, alle Beteiligten zusammen zum Erfolg zu führen.
Das Budget für die Digitalisierung ist beim Bund – siehe die aktuelle Pressemitteilung – und auch in manchen Bundesländern da. Aber die Städte und Gemeinden sowie viele Bildungseinrichtungen bleiben bei der digitalen Transformation auf der Strecke. So ist man dort gezwungen, auf vermeintlich „günstige“ oder gar kostenfreie Technologie zu setzen, die naturgemäß ihre Grenzen hat. Besser wäre stattdessen eine Orientierung auf Lösungen, die für Bürger, Kommunen und Behörden das benutzerfreundlichste und effizienteste Angebot schaffen.
Falsche Pferde und Luftschlösser statt verlässliche Rahmenbedingungen
Viele Verwaltungsmitarbeiter, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen haben, kritisieren die Politik, weil sie immer wieder „aufs falsche Pferd“ setzt. Statt „endlich umsetzbare Rahmenbedingungen zu schaffen“, würden „Luftschlösser wie der elektronische Personalausweis gebaut“.
Zwar hat die Bundesregierung im letzten Jahr den „Gesetzentwurf zum Abbau von Schriftformerfordernissen“ beschlossen, mit dem über 450 Schriftformerfordernisse im Verwaltungsrecht des Bundes abgebaut werden sollen. Doch die Umsetzung ist mehr als zäh. So könnte künftig zum Beispiel die Zulassung zur Handwerksmeisterprüfung elektronisch beantragt werden oder Einwendungen gegen Immissionsschutzanlagen ließen sich ohne Papier vorbringen.
Doch es bewegt sich nur wenig in diesem Sinne. „Das war schon immer so und soll auch so bleiben“, ist offenbar eine beliebte Einstellung. Ob das Sinn macht, spielt dabei erst einmal keine Rolle. Aktuell kann man nicht von „medienbruchfrei“ sprechen, wenn ein Antrag sich zwar online ausfüllen lässt, aber für die Unterschrift mit Tinte ausgedruckt und schlimmstenfalls per Briefpost zur Verarbeitung geschickt werden muss. Selbst ein Scan des mit Tinte signierten Dokuments ist häufig nicht ausreichend. Es muss das Original sein. In zweifacher Ausführung, damit das Schriftstück mit der Unterschrift der Gegenseite wieder zurückgeschickt werden kann. Was für eine Zeit- und Papierverschwendung.
Dabei gibt es bereits funktionierende eSignatur‑Lösungen, die auch alle Anforderungen an Datenschutz und Rechtssicherheit erfüllen. Mehr dazu auch in unserem Video:
Wenn Sie mehr dazu erfahren wollen: Auf dem 5. Zukunftskongress Staat & Verwaltung am 20./21. Juni 2017 in Berlin sind wir während der gesamten Veranstaltung mit einem Informationsstand (Ebene B 0244) und am 1. Tag am frühen Nachmittag mit einem Best-Practice-Dialog vertreten. Dort wird Michael Schuster (Adobe Solution Consultant) einen Formularprozess mit einer digitalen Signatur vorstellen. Gottfried Junghanns von der HTW Berlin spricht über die AEM Forms-Technologie, wie sie an der Hochschule eingesetzt und weiterentwickelt wird. Abschließend stellt Ronald Schulz, Head of Data & Content Driven Services Digital Marketing bei T‑Systems Multimedia Solutions, verschiedene von dem Dienstleister entwickelte E‑Government-Services vor.
Ich freue mich auf Ihren Besuch.