Keine Big Bang-Innovation ohne die kleinen Schritte

Jeder möchte den Markt mit einem Knall erobern. Das gelingt aber nur den wenigsten, sagt unser Kolumnist Thomas Barta. Erfolg werde vielmehr durch neue Denkweisen und schrittweise Verbesserungen erzielt.

Keine Big Bang-Innovation ohne die kleinen Schritte

Wachstum zu generieren gehört zu den Hauptaufgaben von Marketern. Marketing und Wachstum sind untrennbar miteinander verbunden, ganz gleich, ob es um das Wachstum der Marktanteile, die Steigerung des Umsatzes oder den Ausbau der Customer Advocacy geht. Entgegen der landläufigen Meinung sind es jedoch nicht „Big Bang“-Innovationen, die die Entwicklung der erfolgreichsten Firmen antreiben. Stattdessen bemühen sich diese Unternehmen fortlaufend darum, Prozesse für ihre Kunden zu vereinfachen.

Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, müssen Sie als Customer Leader in Ihrem Unternehmen Umsatz generieren und nicht nur Kosten verursachen. Wer sich über die Faktoren im Klaren ist, die in Zukunft für Wachstum sorgen könnten, wird auch bei der Geschäftsführung Gehör finden. „Marketer müssen sich stärker in die Unternehmensstrategie einbringen und sollten die zukünftige Entwicklung von Märkten aufzeigen können. Dies gelingt, indem sie Bereiche für zukünftiges Wachstum ausfindig machen“, erläutert etwa Christopher Macleod, Marketingleiter der Londoner Verkehrsbetriebe, Transport for London.

Nachfolgend schauen wir uns zwei komplett entgegengesetzt Strategien an, wie Sie Ihr Marketing in Bezug auf Wachstum ausrichten können.

Die Big Bang-Innovation

Apples berühmter Slogan „Think Different“ist auch heute noch ein Leitspruch für viele Marketer. Eine Innovation mit Big Bang-Effekt, die auf dem gesamten Markt zu einem Kurswechsel führt, erregt beim Publikum am meisten Aufsehen. Das tut sie auch deshalb, weil Konsumenten den „großen Knall“ nicht erwarten. Steve Jobs hat einmal gesagt, sein iPod würde nicht existieren, wenn er die Kunden nach ihren Wünschen gefragt hätte.

Eine Generation zuvor hörte man Ähnliches über den Walkman von Sony: Dieser wurde angeblich entwickelt, damit der Co-Chairman der Firma auf Langstreckenflügen Opern hören konnte. Ebenso würde die Eiscreme von Ben & Jerry’s der Legende nach nicht existieren, hätte Ben Cohen nicht mit ungewöhnlich intensiven Aromen und Texturen experimentiert, um die schlecht ausgeprägten Geschmacksnerven seines Freundes Jerry Greenfield anzuregen.

Manchmal gelingt sogar etablierten Unternehmen der Big Bang. Zu den Beispielen zählen die ultra-kompatiblen System/360 Mainframes von IBM aus dem Jahr 1964 und, in kleinerem Umfang, das Swiffer Reinigungssystem von P&G aus dem Jahr 1999. Viele bekannte Unternehmer wie Fred Smith (FedEx), Larry Page (Google) und Jerry Yang (Yahoo!) konnten dank der Erfindung neuer Produktkategorien große Erfolge feiern.

In der Praxis bedeutet das Konzept Big Bang für viele Marketer, ihre angestammte Kategorie, in der sie arbeiten, zu überdenken und herauszufinden, was in Zukunft einen Mehrwert schaffen könnte. Ein Beispiel: Aktuell fahren die meisten Konsumenten mit dem eigenen Auto. Zukünftig wünschen sie sich vielleicht eine andere Lösung, wie ein On Demand-Auto, einen ganzen Bus, wenn es praktisch erscheint, und dazu eine gute Navigation.

Die Welt braucht weiterhin führende Marketer, die die Bedürfnisse der Kunden auf revolutionäre und radikal neue Art erfüllen. Welche Kundenbedürfnisse könnten Sie also lösen? Beispielsweise wie oder wo Menschen essen? Wie sie schlafen? Arbeiten?

Haben Sie schon eine profitable Big Bang-Vision? Fantastisch.

Falls nicht, ist das auch kein Problem. Lesen Sie einfach weiter.

Die „Simply Better“-Innovation

Jeder liebt bahnbrechende Innovationen. Diese sind äußerst rentabel und werden bei Erfolg weithin gefeiert – dies ist jedoch selten der Fall. Schritt für Schritt ist in der heutigen Geschäftswelt beinahe ein Schimpfwort. Tatsächlich sind es jedoch schrittweise und beharrlich erfolgende Produkt- und Service-Optimierungen, die den meisten Marken und Unternehmen langfristige Erfolge sichern.

Das Konzept ist denkbar einfach: Setzen Sie alles daran, die Grundbedürfnisse der Kunden gewinnbringend zu erfüllen, und zwar „einfach besser“, als es Ihre Wettbewerber tun. Das jedenfalls schreibt Patrick Barwise , Professor an der London Business School, in seinem Buch „Simply Better“.

Rufen Sie sich einmal die erfolgreichsten Unternehmen, die Sie kennen, ins Gedächtnis. Mit nur wenigen Ausnahmen sind stete schrittweise erfolgende Innovationen ein wichtiger (wenn auch wenig glamouröser) Faktor, wenn es um langfristigen Erfolg geht. Dies gilt sogar für Unternehmen, die sich gleich zu Beginn einen Ruf als revolutionäre Innovatoren erarbeitet haben.

Steve Jobs, der für seine Maßstäbe setzenden Innovationen bekannt war, sagte ein paar Monate vor seinem Tod auf einer Investorenkonferenz: „Es waren genau diese ständigen Optimierungen, die es uns ermöglichten, uns gegen unsere Wettbewerber durchzusetzen und uns neue Marktanteile zu sichern.“

Überlegen Sie sich also als Erstes, was in den Augen Ihrer Kunden noch nicht so gut läuft. Indem Sie diese Probleme angehen, können Sie aus der Perspektive der Kunden Ihre Position im Vergleich zu Wettbewerbern stärken.

Um Ihren Vorsprung zusätzlich auszubauen, sollten Sie auch die unausgesprochenen „latenten“ Wünsche der Kunden nicht vernachlässigen. Überlegen Sie sich, inwiefern Sie und Ihre WettbewerberIhr Angebot optimieren könnten. Auf diese Weise finden Sie schon jetzt heraus, was Ihren Kunden wichtig ist, bevor diese selbst ein Defizit feststellen.

Können Sie als Erster diese latenten Kundenbedürfnisse identifizieren? Möglicherweise setzen Sie damit in der gesamten Branche neue Maßstäbe.

Colgate bietet stetig kleine Verbesserungen und hält somit seit knapp 100 Jahren seine Führungsposition im Bereich Zahnpasta. Für ein Produkt, das jeden Tag genutzt wird und sich gegen harte Mitbewerber wie P&G und Unilever durchsetzen muss, ist das eine beachtliche Leistung. Durch Produkte mit kleinen Neuerungen wie MPF Fluoride , Blue Minty Gel oder Colgate Total gelang es der Marke, den Markt immer in Schwung zu halten. Auch wenn die meisten Kunden nur wenige dieser Innovationen als bahnbrechend bezeichnen würden, brachten sie doch wichtige Vorteile mit sich und trugen dazu bei, dass sich die Kunden Jahrzehnt für Jahrzehnt erneut für die Marke entschieden.

2012 erklärte Chief Designer Sir Jonathan Ive, Schöpfer legendärer Apple-Produkte wie beispielsweise dem iPhone und dem iPad: „Unser Ziel ist simpel: bessere Produkte zu entwerfen und herzustellen. Bringt unser nächstes Produkt gegenüber dem vorherigen keine Vorteile mit sich, wird es auch nicht produziert.“

Wie können Sie also Ihre Produkte oder Services „einfach besser“ für Ihre Kunden machen? Die Lösung könnte pragmatischerer sein, als Sie denken.