Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Experten geben Antworten

Der Adobe Think Tank ist ein internationales Diskussionsforum und fand diese Woche zum ersten Mal in Berlin statt. Es ging darum, wie wir mit Blick auf Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitswelt in Zukunft gestalten wollen.

Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Experten geben Antworten

Die Zukunft der Arbeit geht uns alle an. Und es fehlt uns derzeit noch an einer Vision – das war der Tenor beim Adobe Think Tank, der diese Woche zum ersten Mal in Berlin stattfand (Adobe ist die Muttergesellschaft von CMO.com).

Einen Tag lang setzten sich die eingeladenen Professoren, Marketer, CEOs, Forscher und Personalbeauftragten zunächst in einem Workshop und anschließend in einer Diskussion mit dem Thema auseinander. Übertragen wurde der Berliner Think Tank im Livestream auf Facebook und YouTube.

Moderator Lars Gaede, Journalist für Wired, Die Zeit und Süddeutsche Magazin wollte zu Beginn der Diskussion wissen: Warum wird das Thema derzeit so heiß debattiert?

„Es berührt uns im Innersten, unsere Emotionen“, gab Dr. Ole Wintermann zur Antwort, Senior Project Manager bei Bertelsmann und Betreiber des Blogs „Zukunft der Arbeit“. „In diesem Land definieren wir uns sehr stark über die Arbeit“, so Dr. Wintermann weiter. Die Digitalisierung verändere aber unsere Arbeitswelt und unsere Vorstellung vom (Traum-)Beruf, die wir mitunter seit Jugendtagen hätten. „Wir brauchen eine Bereitschaft und eine Offenheit, uns mit diesem Thema zu befassen. Da haben wir Nachholbedarf“, sagte er.

Mit Dr. Nanne von Hahn war passenderweise eine erfahrene Personalbeauftragte vertreten. Als Director Talent, Development & Strategy kümmert sie sich um die Entwicklung der Mitarbeiter bei Telefonica Germany. „Arbeit ist etwas, das der Mensch zur Definition der eigenen Person nutzt. Je selbstbestimmter die Arbeit gelebt werden kann, desto besser. Aber dazu ist auch eine hohe Selbststeuerungs-Kompetenz nötig“, sagte Dr. von Hahn. Dies sei besonders wichtig, weil Menschen, die diese Kompetenz in Zukunft nicht mitbringen, Nachteile haben werden.

Jeder Arbeitnehmer würde einen Sinn in seiner Tätigkeit sehen wollen. Den würden wir eben auch aus der Zeit mit Familie und Freunden und gemeinnützigen Tätigkeiten ziehen. „Eine Balance zu finden, wird in Zukunft wichtiger werden und das ist sehr individuell“, so Dr. von Hahn.

Aus Unternehmenssicht hat Prof. Heike Bruch das Thema beleuchtet. Sie ist Professorin und Leiterin des Institute for Leadership and Human Resource an der Universität St. Gallen. Die Arbeit werde fluider und flexibler, Hierarchien weniger. Dagegen würden die Freiheiten des Wo und Wie zunehmen, virtuelle Teams entstehen, die digitale Medien und Kommunikation einsetzen. „Es braucht an erster Stelle eine Art von Führung, die dabei Sinn vermittelt, die Identifikation steigert und Menschen inspiriert“, sagte Prof. Bruch. Dazu brauche es eine bestimmte Kultur und viel Vertrauen. Die Strukturen in Unternehmen müssten dazu flexibler werden, denn diese profitierten davon.

Als CEO der Kreativagentur SinnerSchrader ist es Matthias Schraders Aufgabe, die Jobs in seinem Unternehmen zu spannenden Erfahrungen zu machen. „Unser Geschäft ist sehr abhängig von Talenten und die geben den Ton an, weil es eine Talentknappheit gibt“, sagte Schrader. Daher versuche er, die Ziele und Wünsche seiner Mitarbeiter mit denen des Unternehmens abzustimmen. „Wenn das nicht übereinstimmt, die Vorstellungen der Mitarbeiter und des Unternehmens auseinandergehen, dann gibt es Reibung, Produktivitätsverluste und die Talente gehen“, so Schrader.

Für Dr. Rainer Bischoff, Forschungsleiter bei Ku Ka Roboter, war nicht die Fabrik ohne Menschen erstrebenswert, sondern das „Menschen und Roboter in Zukunft gemeinsam arbeiten“. Der Mensch werde weiterhin seine Kreativität und Sensorik einbringen, die Roboter die Präzision und Muskelkraft. „Ich sehe das optimistisch, denn so können wir den Wohlstand halten, den wir in Deutschland und Europa erarbeitet haben“, sagte Dr. Bischoff.

Unsicherheiten und Maßnahmen

Moderator Lars Gaede lenkte die Debatte daraufhin auf die Sorgen rund um das Thema Digitalisierung und Automatisierung. Wo würden diese entstehen und wie könne ihnen politisch und gesellschaftlich begegnet werden?

„Es gibt eine große Unsicherheit, ob mein Arbeitsplatz in Zukunft wegfällt, ob ich ersetzbar bin“, sagte Dr. Ole Wintermann. Das führe zu Abwehrreflexen. „Alles deutet darauf hin, dass wir es in Zukunft mit mehr Arbeitslosigkeit zu tun haben werden. Die Frage ist, wie wir dem begegnen werden“, sagte er. „Versuchen wir durch einen verschärften tariflich-politischen Rahmen das zu verhindern, oder wollen wir das Thema Arbeit neu denken?“

Dem stimmte Prof. Al-Ani, Organisation Researcher am Alexander von Humboldt Institute for Internet and Society, mit der Beobachtung zu, dass unsere Gesellschaft zwar demokratisch organisiert wäre, Unternehmen mit ihren Top-Down-Strukturen dagegen nicht. „Wenn aber Firmen vermehrt zu Plattformen zusammenfinden, die riesig sind und vielleicht auch öffentliche Aufgaben übernehmen, dann könnte man diese eventuell nach einem öffentlich-rechtlichen Schema organisieren“, so Prof. Al-Ani.

Mathias Schrader sah seinerseits die Politik unter Druck. Diese denke eher kurzfristig, in Wahlperioden. „Das Thema verlangt aber eine Perspektive von 10 oder 20 Jahren“, sagte Schrader.

Dr. von Hahn ergänzte, dass wir die Lernkompetenzen und die Lernagilität in den Lehrplan der Schulen integrieren müssten, damit sich die heutigen Schüler in der morgigen Arbeitswelt zurechtfinden können. Dies sei auch Aufgabe der Unternehmen für Lars Trieloff, Director of Platform Marketing bei Adobe Engineering. Man müsse schon heute zum Arbeitgeber gehen können, und nach einem Kurs in einer neuen Fähigkeit fragen können, „ob das Technologie oder Häkeln ist. Es geht dabei weniger um den Skill und mehr um die Fähigkeit diesen zu erwerben. Die Firma sollte das möglich machen, damit sie die Mitarbeiter hat, die anpassungsfähig sind.“

Haben wir den Maschinen Kreativität voraus?

Lars Gaede wollte von den Panel-Teilnehmern auch wissen, was es mit der Kreativität in Zukunft auf sich habe, und ob es bald den ersten Kampagnen-Claim von einem Roboter geben werde. Lars Trieloff war dabei nicht vom Begriff Kreativität überzeugt. Denn auch hinter so genannten Geistesblitzen, die die Welt verändert hätten, stecke immer viel Arbeit. „Aber Technologie kann den Weg dorthin erleichtern. Dinge zu testen und zu analysieren, das können Maschinen übernehmen. Marketer haben zahlen, Tests und Beweise aber können am Ende nichts gegen die Hippo (Highest Paid Person Opinion) ausrichten“, so Trieloff. Letztlich sei dies wieder eine Führungsfrage, „denn den Daten zu wiedersprechen, wird sich in Zukunft nicht mehr auszahlen“.

Matthias Schrader stimmte ihm dort zu. Es gehe nicht um Kreativität und Geistesblitze, sondern um Design und Architekturen. Cross-funktionale Teams kämen in seiner Agentur zusammen, denn „Innovation entsteht aus der Reibung zwischen verschiedenen Disziplinen. Dazu gehört die menschliche Interaktion, das ist nicht so sehr technologie-gestützt“, so Schrader. Das neue Produkt, die Geschäftsidee bleibe den Menschen vorbehalten, die Umsetzung und die Analyse daraufhin sei Sache der Maschinen.

Eine Lösung für die Probleme der Automatisierung

Abschließend fragte Moderator Lars Gaede nach dem Modell des bedingungslosen Grundeinkommens. In diesem sah Dr. Ole Wintermann eine Lösung für die steigende Arbeitslosigkeit durch Automatisierung. „Vielleicht müssen wir aus der kapitalistischen Verwertungslogik und aus unserer institutionellen Logik herauskommen, um uns weiterzuentwickeln“, so Dr. Wintermann.

Laut Prof. Heike Bruch würde Arbeit als Zwang empfunden. „Wenn wir aber durch das Grundeinkommen den Mechanismus Erwerbstätigkeit außer Kraft setzen, dann ist die Frage, welche Arbeit wir gerne machen, was für uns einen Sinn ergibt. Menschen wollen gerne arbeiten, es gibt einen Drang, sinnvolle Dinge zu tun. Vor dem Sofa und dem Nichtstun müssten wir da keine Angst haben“, sagte Prof. Bruch.

Schließlich sagte Prof. Al-Ani, dass wir eingangs erwähnte Vision bräuchten, was wir mit unserer Arbeitswelt und unserer Zeit machen wollten. „Dieses Narrativ ist noch ungewohnt. Wir müssen erst noch lernen, damit umzugehen“, schloss Prof. Al-Ani.

Mehr über den Adobe Think Tank, das Panel und die Teilnehmer erfahren Sie hier.