Studie: Digitale Bürgerservices sind in Deutschland selten
Am Geld kann es nicht liegen: Die IT-Ausgaben in der öffentlichen Verwaltung sind denkbar hoch. Doch bei den digitalen Services für die Bürger ist meist wenig davon zu spüren – so eine Studie der Bertelsmann Stiftung, in der acht Wissenschaftler zehn Handlungsempfehlungen zusammenfassen. Sie sollen die heutige Behörden-Servicewüste in eine digitale Oase verwandeln.
Anderswo funktioniert die Online-Verwaltung bereits
Beispiel 1: Wer in Österreich ein Kind bekommt, muss sich nach der Geburt lediglich mit einem Ausweis identifizieren. Das Krankenhaus meldet dann alle nötigen Informationen an die Personenstandsbehörde (Standesamt), die wiederum alle weiteren Schritte einleitet. Am Ende erhalten die Eltern eine Familienbeihilfe, ähnlich dem deutschen Kindergeld, ohne dass sie ein einziges Formular ausfüllen mussten. Die staatliche Verwaltung funktioniert im Hintergrund und dem Bürger bleibt viel Aufwand erspart.
Beispiel 2: Ein privater Käufer erwirbt in Estland ein Auto von einem privaten Verkäufer. Der Verkäufer loggt sich auf der Website der Kfz-Behörde ein, wählt sein registriertes Auto aus und drückt auf „Verkauf“. Dann lädt er den Kaufvertrag hoch und registriert den Käufer. Dieser wird per E‑Mail aufgefordert, den Kauf mittels digitaler Unterschrift zu bestätigen und die Verwaltungskosten online zu zahlen. Nun muss der Verkäufer den Vorgang noch einmal bestätigen und am nächsten Tag landen die Fahrzeugpapiere für den neuen Autobesitzer in der Post. Der Verwaltungsaufwand für Käufer und Verkäufer liegt bei etwa zehn Minuten.
Bündelung der digitalen Bürgerservices erforderlich
Die neue Bertelsmann-Studie zeigt: Was in manchen unserer Nachbarländer bereits hervorragend funktioniert, ist hierzulande meist noch Zukunftsmusik. Die Deutschen können rund die Hälfte der Verwaltungsleistungen nicht online nutzen und nur wenige Behördengänge im Web erledigen. In Österreich oder Estland, den Vorreitern in Sachen Digitalisierung, liegt dieser Anteil bei nur 15 Prozent.
Zwar bieten viele deutsche Behörden – so die Studie – verteilt auf mehreren Webseiten einzelne Service-Angebote. Eine Bündelung auf nur einer Webseite oder gar eine zentrale Anlaufstelle für die Bürger fehlen dagegen meistens. „Die Bürger haben wenig Verständnis dafür, wenn sie sich statt einer Behörden-Rallye nun auf eine Webseiten-Rallye begeben müssen”, unterstreicht Studien-Mitautor Sirkko Hunnius.
Zehn konkrete Schritte für mehr digitale Serviceangebote
Er hat mit seinen Kollegen zehn Bereiche identifiziert, in denen gehandelt werden muss, und empfiehlt der Politik zehn konkrete Schritte, mit denen die Verwaltungen künftig digital gut aufgestellt werden können:
- eine strategische Ausrichtung der gemeinsamen digitalen Reformanstrengungen von Behörden – mit einem positiv besetzten Zielbild, das den Bürger in den Mittelpunkt aller Digitalisierungsbestrebungen stellt, unter einer gemeinsamen Dachmarke, die digitale Verwaltungsleistungen über föderale Grenzen hinweg entwickelt
- eine innovative Verwaltung, die Einflüsse unterschiedlicher Experten aufnimmt und flexibel handelt
- eine vernetzte Verwaltung, die Effizienz- und Spezialisierungsmöglichkeiten nutzt, sodass sie auch in ländlichen Räumen leistungsfähig bleibt
- eine offene Verwaltung, die die Menschen in Entscheidungsprozesse einbezieht, offen für deren Anliegen ist und transparent handelt
- eine bürger- und unternehmenszentrierte Verwaltung, die ihre Online-Angebote auf die Bedürfnisse der Bürger zuschneidet, statt Webseiten-Strukturen anzubieten, durch die man sich umständlich hindurch navigieren muss
- eine sichere und vertrauenswürdige Verwaltung, die verantwortungsvoll mit Daten umgeht, Bürgern selbstbestimmtes Handeln ermöglicht und ihnen dafür Datensouveränität überträgt
- eine datengetriebene Verwaltung, die intelligent Daten nutzt und mit den Menschen teilt
- eine technisch-organisatorische Gesamtarchitektur (föderale IT-Architektur), die auf Basis gemeinsamer IT-Infrastrukturelemente integrierte digitale Angebote ermöglicht
- eine föderale IT-Steuerung mit „Chief Digital Officers“, die das „Geschäftsmodell“ der Verwaltung ins digitale Zeitalter übertragen und hierfür die notwendigen Gestaltungs- und Entscheidungsrechte haben
- einen aktualisierten rechtlichen Rahmen für das Zeitalter der Digitalisierung, damit überkommene Rechtskonstrukte den digitalen Wandel in der Verwaltung nicht länger ausbremsen
Wenn Sie mehr dazu erfahren wollen: Auf dem 5. Zukunftskongress Staat & Verwaltung am 20./21. Juni 2017 in Berlin sind wir während der gesamten Veranstaltung mit einem Informationsstand (Ebene B 0244) und am 1. Tag am frühen Nachmittag mit einem Best-Practice-Dialog vertreten. Dort wird Michael Schuster (Adobe Solution Consultant) einen Formularprozess mit einer digitalen Signatur vorstellen. Gottfried Junghanns von der HTW Berlin spricht über die AEM Forms-Technologie, wie sie an der Hochschule eingesetzt und weiterentwickelt wird. Abschließend stellt Ronald Schulz, Head of Data & Content Driven Services Digital Marketing bei T‑Systems Multimedia Solutions, verschiedene von dem Dienstleister entwickelte E‑Government-Services vor.
Ich freue mich auf Ihren Besuch.