Erfahrungen beim Autokauf: Die Lücke zwischen Händler und Hersteller
Vor dem nächsten Autokauf steht für viele Interessenten zunächst der Besuch des Marken-eigenen Produktkonfigurators im Web an. Farbe, Ausstattung, Besonderheiten und vieles mehr kann damit heute ausgewählt werden und am Ende erscheint der Preis für das gewählte Modell mit allen Extras.
Dennoch: Optimal ist noch kaum einer der Konfiguratoren führender Hersteller, die ich bei meinem Versuch getestet habe. Hier gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Doch es gibt noch mehr Hürden: Nach der (hoffentlich erfolgreichen) Auswahl des Wunschautos steht für den potenziellen Käufer als nächstes der Gang zum Fahrzeughändler an.
Und hier lauert auch schon die nächste Herausforderung, wie ich am eigenen Leib erfahren musste: Denn die Händler arbeiten in der Regel eigenständig, auch wenn sie eine bestimmte Marke mehr oder weniger exklusiv in einer Region vertreten. Oft blicken sie recht erstaunt, wenn sie sehen, was ich mir als Kunde im Online-Konfigurator des Herstellers zusammengebastelt habe. Das Kundenerlebnis geht schnell flöten, wenn ich als Enthusiast mit großer Vorfreude vom Verkäufer im Autohaus mit einem „Das meinen Sie doch nicht im Ernst“ empfangen werde.
Automarken, die mit ihren Vertragshändlern gemeinsam moderne Digital Marketing‑Lösungen einsetzen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil: Das Engagement der Kunden ist höher, die generelle Customer Experience wird besser. Doch das reicht leider noch längst aus. Schauen wir uns deshalb die Rolle des Händlers auf der gesamten Customer Journey genauer an.
Verbindung zwischen Autohändler und Online-Konfigurator fehlt
Das Wunschauto ist konfiguriert, die grundlegende Finanzierung ist gesichert und nun steht die nächste Hürde an: Meine erste Testfahrt mit dem potenziellen Fahrzeug. Hier wird der Kunde mitunter recht unsanft aus der Welt der Werbung in die „echte“ Welt teleportiert. Plötzlich scheinen die im Konfigurator eingestellten Feinheiten gar nicht mehr so toll, schnell oder großartig, wie mir als Kunde in den Werbespots oftmals suggeriert wird.
Die erste Enttäuschung: Der überraschte Autohändler, dem gar nichts von meinen bisherigen Schritten (sprich die Konkretisierung meines Kaufwunsches im Online-Konfigurator) bewusst ist. Zwar war bei meinem Test das Auto, welches ich Probe fahren wollte, meist vor Ort – aber von meinen persönlichen Anpassungen und den Gründen hierfür wusste der Verkäufer genauso wenig wie von den mir wichtigen Entscheidungskriterien. Dabei können diese Daten über den Online-Konfigurator doch mit Leichtigkeit an den Händler in meiner Nachbarschaft gesendet werden – mit dem Ergebnis einer flüssigeren und viel positiveren Customer Experience.
So aber fehlte dem Mitarbeiter jegliches Hintergrundverständnis für mein Interesse am ausgewählten Auto, sogar die online bereits ausgefüllten Informationen musste ich noch einmal in ein Formular schreiben. Denn die Daten werden weder online übertragen noch mein Kundenerlebnis vor Ort in diesem Stadium der Customer Journey in den Fokus gerückt.
Nein, ich muss alles online eingeben, vor Ort dann das Ganze noch einmal schriftlich. Damit der Händler – Sie vermuten richtig – die Informationen am PC abtippen darf, damit sie in sein System übernommen werden. Einen stärkeren Eindruck fehlender Vernetzung bzw. Kommunikation zwischen Händler und Hersteller kann man mir als Kunde kaum vermitteln. Dabei sollte ich als potenzieller Käufer doch in der Lage sein, einfach meinen Termin wahrzunehmen und nach einem lockeren Identitätscheck das Auto bei einer Testfahrt sofort auszuprobieren. Schließlich habe ich bereits ein konkretes Kaufinteresse signalisiert.
Nach der Testfahrt die Frage: „Bin ich hier richtig?“
Wie dem auch sei, in meinem Fall konnte die Probefahrt tatsächlich stattfinden. Bei meiner Rückkehr ins Autohaus dann allerdings der nächste Hammer. Von Einbeziehen in den weiteren Verkaufsprozess keine Spur. Als ich nach kurzer Suche einem Angestellten mitteilte, dass ich zurück bin, kam die Frage nach Firmen- oder Privatkauf auf. „Privat“ war meine Antwort – „Da bin ich der falsche Ansprechpartner“ die Reaktion…und das war es dann.
Weder Schilder noch andere zuvorkommende Mitarbeiter haben mir dann weitergeholfen. Mein Smartphone umso mehr. Nicht gerade die beste Art, wie jemand behandelt werden möchte, der gerade Anstalten macht, die zweitgrößte Investition seines Lebens zu tätigen. Da fühlt man sich bei Amazon wegen jeder kleinen 2‑Euro-Bestellung besser aufgehoben und als wichtiger Kunde wahrgenommen. Und das bei einer Investition, die in die Zehntausende von Euro geht.
Nach dem Gespräch mit einem Vertriebsmitarbeiter und dem Verlassen des Autohauses – ohne neuen Wagen – wurde ich abermals von der kompletten Missachtung durch den Händler überrascht. Als wäre ich in einem schwarzen Loch verschwunden, gab es kein Follow-Up-Marketing, keinen Anruf und keine andere Art der Kontaktaufnahme. Als ich dennoch trotz aller Widrigkeiten weiter Interesse an dem Wagen verspürte und nochmals ins Autohaus gefahren bin, begann das Trauerspiel erneut – und zwar ganz von vorne.
Seien wir mal ehrlich: Wenn sich jemand aktiv für eine Marke entscheidet, online den gesamten Konfigurationsprozess des Autos durchläuft, zum Händler fährt und eine Probefahrt absolviert – bin ich dann nicht ein hochpotenzieller Kunde, um zumindest etwas Follow-Up-Marketing an mir zu riskieren? Und da wäre ich wieder beim Einstieg in diesen Artikel: Autohändler und Marken, die auf gemeinsames digitales Marketing setzen, sind hier ganz klar im Vorteil.
Händler und Hersteller, vereinigt euch!
Denn dann muss die Initiative noch nicht einmal vom Händler kommen. Auch der Hersteller kann abfragen, wie meine Probefahrt lief, welche Fragen aufgekommen sind und ob weiter Interesse an diesem Modell besteht? Im besten Fall klären Autohaus und Fahrzeughersteller das unter sich, unterstützt von moderner Digital-Marketing-Technologie. So lässt sich die ziemlich große Lücke schließen und mein Erlebnis als Kunde beim Autokauf wäre deutlich besser.
Es gibt viele Ansatzpunkte, um die Customer Experience von der ersten Recherche im Web über die Testfahrt bis hin zum Kaufabschluss zu optimieren. Je enger die Vernetzung zwischen Händler und Hersteller ist, desto geringer ist die Kluft im Laufe der Customer Journey.
Das macht mich nicht nur sicherer in meiner Kaufentscheidung, sondern verbessert auch die Wahrnehmung einer Marke und erhöht die Loyalität zu ihr. Wenn der Händler das auf eigene Faust nicht schaffen kann, muss der Autohersteller eingreifen. Doch Vorsicht, nicht dass der Kunde am Ende auf der Strecke bleibt! Denn verkauft wird schließlich am Point of Sale.