Digitale Transformation im Handel: Mehr Nachzügler als Vorreiter
Vor wenigen Tagen hat in Düsseldorf bei brütender Hitze draußen unser „Adobe Customer Experience Forum – Retail“ stattgefunden (Download der Präsentationen hier). Drinnen ging es zwar recht erfrischend zu, doch trotzdem gibt uns eine aktuelle Studie des Digitalverbands Bitkom sehr zu denken. Sie wurde am Vortag unseres Events veröffentlicht und stellt fest, dass der Einzelhandel auf die mit der Digitalisierung deutlich gewandelten Erwartungen seiner Kunden nur sehr zaghaft reagiert. So sehen sich 77 Prozent der befragten Händler eher als „Nachzügler in Sachen Digitalisierung“.
Jeder dritte stationäre Händler ist ohne Website
Kaum zu glauben: Laut der Umfrage haben elf Prozent der Händler immer noch keine eigene Homepage im Web. Betrachtet man speziell den rein stationären Handel, ist sogar jedes dritte Unternehmen (36 Prozent) ohne Internetauftritt. Fünf Prozent der befragten Anbieter verkaufen rein online, 65 Prozent nutzen sowohl On- wie Offline-Kanäle und 28 Prozent haben weiterhin nur ein stationäres Ladenlokal.
„Die Kunden wünschen sich heute den smarten Store, in dem sie ein rundum vernetztes Einkaufserlebnis haben“, stellt der Bitkom fest. Das alte Credo „Handel ist Wandel“ habe heute mehr Gültigkeit denn je. „Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif, aber sie lohnt sich“, ist das Fazit der Studie. Der Handel müsse die vielen neuen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten, nutzen und „mit ihnen einen Service anbieten, der den Kunden begeistert“.
Mehr Einnahmen durch Omnichannel-Strategie
Denn die in der Umfrage ermittelten Zahlen sprechen für sich: Diejenigen Händler, die neben ihrem stationären Ladengeschäft auch einen Online-Shop unterhalten, erzielen damit erhebliche Einnahmen. So sagt jeder Zweite, dass er bis zu 30 Prozent seines Umsatzes mittlerweile online macht. Weitere 27 Prozent geben an, dass zwischen 30 und 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes über den E‑Commerce erwirtschaftet wird. Bei gut jedem zehnten Händler (11 Prozent) ist es sogar mehr als die Hälfte.
Als größten Vorteil der Digitalisierung sehen die Befragten vor allem, dass ihr Alltagsgeschäft vereinfacht wird: Sei es in der Kommunikation mit den Kunden (83 Prozent), durch Online-Bestellmöglichkeiten beim Lieferanten (74 Prozent) oder in der Kommunikation mit Geschäftspartnern (65 Prozent). 60 Prozent meinen außerdem, dass sich dank der Digitalisierung ihr Geschäftsmodell ausbauen lässt. 58 Prozent berichten über neue Einnahmequellen.
Für die Zukunft gibt es aber doch Optimismus
Und warum dann so zaghaft? Als Gründe nennen die Umfrageteilnehmer vor allem den hohen Aufwand für Datenschutz (86 Prozent) und die hohen Investitionskosten für E‑Commerce‑Lösungen (81 Prozent). Langfristig wird aber laut der Studie die Bedeutung des digitalen Wandels auch in der Retail-Branche erkannt: Zwei von drei Händlern sehen die Digitalisierung als Chance.
Im Jahr 2030 rechnen etwa rund zwei Drittel (65 Prozent) damit, dass dann das Bezahlen beim Verlassen des Geschäfts automatisch und ohne lange Schlangen an der Kasse ablaufen wird. Mehr als jeder Zweite (53 Prozent) denkt, dass Waren bis dahin im stationären Handel auch über Virtual Reality erlebbar sein werden. 61 Prozent sehen Läden dann in der Rolle eines Showrooms, in dem Produkte getestet und anschließend im Online-Shop des Händlers bestellt werden können.
Sparsame Investitionen in die Digitalisierung
Bei den aktuellen Investitionen sind die Händler trotzdem eher sparsam: Drei Viertel (76 Prozent) aller Befragten gaben 2016 weniger als zehn Prozent des gesamten Jahresumsatzes für die Digitalisierung aus. Nur drei Prozent der Händler investierten mehr. Sieben Prozent gaben an, gar nicht investiert zu haben.
Auch bei ihren Planungen für das laufende Jahr wollen die Händler keine großen Sprünge machen: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) investieren genauso viel wie im vergangenen Jahr, knapp jeder Fünfte (18 Prozent) sogar weniger. 28 Prozent geben an, 2017 mehr Geld für die Digitalisierung ihres Unternehmens ausgeben zu wollen.