Webdesign für kleine Unternehmen: Wünsche vs. Bedürfnisse

Zunächst einmal etwas, das wahrscheinlich nicht jedem gefallen wird: Beim Webdesign für kleine Unternehmen geht es weder darum, die Website schön aussehen zu lassen, noch geht es darum allen Kundenideen zuzustimmen.

Wo liegt also der sogenannte Sweet Spot, also der optimale Bereich?

Widmen wir uns zuerst den Bedürfnissen vs. Wünschen.

Möchte ein Kunde eine Website für sein Unternehmen erstellen, soll diese verständlicherweise möglichst „die Bedürfnisse aller erfüllen“. In anderen Worten: Der Kunde möchte sicherstellen, dass die Website auf das gesamte Unternehmensangebot eingeht – nichts soll ausgelassen oder vernachlässigt werden.

Vielleicht ist dieser Ansatz jedoch nicht der beste.

Hier kommt das Prinzip Bedürfnisse vs. Wünsche ins Spiel. Sehr oft sieht das so oder so ähnlich aus:

Die obere Abbildung lässt sich wie folgt verstehen:

Wie man sehen kann, sind die Bedürfnisse (größtenteils) in den Wünschen enthalten. Man könnte argumentieren, dass der Umfang der umgesetzten Wünsche langfristig keine so große Bedeutung hat, sofern alle Bedürfnisse erfüllt werden. Das stimmt jedoch nicht ganz.

Zuerst einmal verliert die Website bei zu vielen Wünschen ihren Fokus. Das Erreichen der wichtigsten Ziele wird erschwert, und Besuchern fällt es schwerer zu erkennen, was sie eigentlich auf der Website tun sollen.

Zweitens wird die Qualität der Bedürfnisse beeinträchtigt, sollte zu viel Zeit für die _Wünsche _verwendet werden, anstelle die Bedürfnisse zu optimieren.

Wesentlich ist also, die Website auf das zu beschränken, was wirklich zählt, und sich nicht in einzelnen Funktionen zu verlieren. Unter Berücksichtigung all dessen sieht so das erfolgreiche Webdesign für kleine Unternehmen aus:

1. Eine Sache konsequent machen

Die meisten kleinen Unternehmen werden entweder für die Bereitstellung einer bestimmten Serviceleistung oder für den Verkaufs eines bestimmten Produkts (oder einer bestimmten Produkt_palette_) gegründet. Derselbe Gedanke sollte auch für deren Website gelten.

Das wichtigste Meta-Ziel für die Websites kleiner Unternehmen lautet daher: Eine Sache konsequent machen.

Schauen wir uns ein klassisches Beispiel für ein kleines Unternehmen an – ein Restaurant. Das wichtigste Ziel für die Website eines Restaurants besteht vor allem darin, seine Kunden davon zu überzeugen eine Buchung vorzunehmen – entweder direkt auf der Website oder per Telefon. Alles andere ist nebensächlich.

Eine gute Website eines kleinen Unternehmens sollte dieses Prinzip widerspiegeln. In der Startup-Welt wird dies auch ein Minimum Viable Product („minimales überlebensfähiges Produkt“) genannt. Dahinter steht der Gedanke, dem Endnutzer etwas zu bieten, das seinen wichtigsten Wünschen gerecht wird, aber nicht mehr.

Die Website Dollar Shave Club ist ein gutes Beispiel hierfür. Schon beim ersten Aufrufen der Website ist klar, um was es eigentlich geht.

2. Endnutzer der Website bestimmen

Eines sollte von Anfang an klar sein: Ihr gestaltet die Website nicht wirklich für eure Kunden, sprich dem Inhaber des kleinen Unternehmens. Ihr gestaltet sie für die Kunden eures Kunden, den tatsächlichen Endnutzer.

Wer sind diese Menschen? Was wollen sie? Was kann die Website ihnen bieten? Was hat das kleine Unternehmen ihnen zu bieten?

Die Antworten auf diese Fragen stimmen kurioserweise nicht immer mit den ursprünglichen Vorstellungen des Kunden überein. Alle Inhaber einer Website möchten verständlicherweise vor allem, dass die Website zu ihnen passt. Erst danach beginnen sie darüber nachzudenken, wie sich ihre eigenen Vorlieben mit denjenigen ihrer Kunden decken lassen.

An diesem Punkt setzt eure Arbeit an. Eure Hauptaufgabe beim Webdesign für ein kleines Unternehmen besteht darin, den tatsächlichen Endnutzer zu bestimmen und in Erfahrung zu bringen, wie euer Kunde ihm mithilfe der Website besser dienen sein kann.

Die Website Gitman Bros. scheint sich über ihre Endnutzer vollkommen im Klaren zu sein.

Das Unternehmen verkauft Hemden und Krawatten. Es verwendet keine unnötigen Stockfotos junger glücklicher Menschen, die am Strand Fahrrad fahren oder Ähnliches. Es konzentriert sich stattdessen gänzlich auf das Produkt. Es beliefert Kunden, die die Qualität der Hemden schätzen und diese Qualität sofort in den Bildern erkennen möchten. Die Kunden von Gitman Bros. kennen sich mit der Materie aus. Ihnen muss der Lifestyle-Aspekt von Kleidung nicht verkauft werden.

3. Das Design an die Demographie anpassen

Die Zielgruppe hat einen erheblichen Einfluss auf das Design einer Website. Typografie, Bilder, Gefühle, Layouts usw. müssen an die Zielgruppe angepasst werden.

Einige der wichtigsten Aspekte:

Farben

Abhängig vom Background der Zielgruppe kann es zu unterschiedlichen Reaktionen je nach Farbpalette kommen. Die Wahl einer unpassenden Farbpalette kann die Fähigkeit des Unternehmens, sein Angebot effektiv darzubieten, extrem beeinträchtigen. Standort, Religion, politische Ansichten, Alter und kultureller Hintergrund der Zielgruppe können hierbei eine Rolle spielen.

Natürlich muss auch die Identität des Unternehmens berücksichtigt werden, die sich eventuell nicht gänzlich mit der Demographie der Zielgruppe deckt.

Das Logo prägt die Stimmung und bestimmt die Optik und Haptik der gesamten Website. Aus diesem Grund muss es auch die Zielgruppe ansprechen und sie davon überzeugen, dass die Website für sie die richtige ist.

Der Web-Entwickler und Blogger Robert Mening hat in seiner Anleitung für die Logogestaltung einen sehr guten Erklärungsansatz:

“[Logos] müssen die gesamte Vergangenheit einer Organisation integrieren. Und sie

sollten so gestaltet sein, dass sie auch die Zukunft der Organisation signalisieren. […]”

Das Logo für ein Start-up-Unternehmen ohne Markenwert, das von Mittzwanzigern geleitet wird, unterscheidet sich in der Regel immens von dem eines 30 Jahre alten Unternehmens mit hunderten von Kunden, das von Mittvierzigern geleitet wird.

Schaut euch das folgende Beispiel an:

Hierbei handelt es sich wahrscheinlich nicht um das Logo eines Pflegeheims. Oder dieses:

Wahrscheinlich keine Brauerei.

Hierbei handelt es sich natürlich um extreme Beispiele und natürlich würde kein Designer jemals einen solchen Fehler begehen und ein Kampfsportlogo für eine ältere Zielgruppe gestalten. Befinden wir uns jedoch mitten im Designprozess, kann es schon einmal vorkommen, dass die wichtigsten Prinzipien für das gewünschte Logo in Vergessenheit geraten, wodurch eine Reihe kleinerer Fehler auftreten können. Zusammengenommen können diese kleinen Fehler das Endergebnis erheblich beeinträchtigen.

Kurz gesagt solltet ihr euch folgendes einprägen: Menschen zuerst, Stile später.

Typografie

Die Typografie gehört zu den nicht unmittelbar offensichtlichen Elementen, die dennoch großen Einfluss darauf haben, wie sich eine Marke im Internet ausdrückt und wie sie von ihrer Zielgruppe wahrgenommen wird.

Stellt euch vor, Comic Sans wird auf einer Website für eine lokale Druckerei oder Zeitung verwendet. Das würde das Aus für das Unternehmen bedeuten, oder?

Es geht mir darum, dass wir vorsichtig mit Typografien umgehen. Sie sollte niemals nur ein nachträglicher Gedanke sein. Sie sollte gezielt gewählt werden und im Einklang mit der Zielgruppe und ihrem Gefühl für Komfort stehen.

Ältere Besucher wissen im Allgemeinen größere Schriftarten zu schätzen. Junge Berufstätige reagieren positiver auf moderne und professionelle Schriftarten. Handelt es sich um eine Website, bei der es auch nur im Entferntesten um Finanzen geht? Verwendet klassische Schriftarten, die Vertrauen wecken. Und so weiter.

Bilder und Oberflächenelemente

Reich bebilderte Websites werden meistens als ansprechend und interessant angesehen. Das ist jedoch nicht immer der Fall und hängt wiederum stark von der Zielgruppe ab.

Ähnlich wie die Farbwahl ist auch die Auswahl der Bilder von Standort, Alter, kulturellem Hintergrund, Beruf, Interessen usw. eurer Zielgruppe abhängig. Zudem muss auch die der Zielgruppe zur Verfügung stehende Internetgeschwindigkeit berücksichtigt werden – so können große Bilder im Internet an abgelegenen Orten eventuell nicht so gut angezeigt werden.

Im Vordergrund sollte immer die Frage stehen, welche Websites die Zielgruppe bereits besucht. Wo verbringt sie ihre Zeit? Wie bildlastig sind diese Websites?

Schaut euch auch an, was die Konkurrenz macht. Verwendet diese viele Bilder? Falls ja, auf welche Art?

Nachfolgend ein Beispiel von UVE:

Offensichtlich handelt es sich hier um ein Weingut und eine Pension mit Zimmern zur Vermietung. Ein solches Unternehmen kann in der Tat großen Nutzen aus guten Bildern ziehen. Seine Kunden möchten wahrscheinlich zuerst wissen, in welcher Gegend das Weingut liegt und wie es dort aussieht.

Des Weiteren solltet ihr euch auf die UI-Elemente der Website konzentrieren. Hier schleichen sich wahrscheinlich am ehesten Fehler ein, insbesondere wenn nur die neuesten Design-Trends berücksichtigt werden.

Ein Beispiel: Ghost-Buttons. Eigentlich eine nette Sache. Sie lassen sich leicht erstellen, funktionieren gut und sehen in den meisten Designs gut aus. Das Problem besteht jedoch darin, dass quasi nur Menschen mit ausreichender Internet-Erfahrung etwas mit ihnen anzufangen wissen. Alle anderen merken nicht einmal, dass es sich um einen Button handelt.

Das ist nur ein Beispiel, zeigt jedoch gut, dass weithin akzeptierte UX-Elemente sich nicht immer für alle Besucher eignen.

4. Den Besucher Schritt für Schritt anleiten

Eine Herausforderung für die Websites von kleinen Unternehmen liegt darin, sich zu sehr auf die bloße Darstellung aller Informationen und Angebote des Unternehmen zu konzentrieren, ohne die Besucher dabei zu einem bestimmten Endergebnis zu leiten.

Dieses Endergebnis ermöglicht es der Website, ihr Ziel zu erreichen. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Kauf direkt auf der Website, die Buchung eines Tisches, ein Telefongespräch zur Vereinbarung eines Termins usw. handeln.

Egal wie dieses Endergebnis aussieht, es muss direkt über die Website erreichbar sein.

In einfachen Worten: Die Website eines kleinen Unternehmens muss dem Besucher verdeutlichen, was genau von ihm erwartet wird, und das Design muss sicherstellen, dass diese Handlungsaufforderung auf der Seite ausreichend sichtbar ist.

Nachfolgend ein Beispiel von Craft Coffee:

Jeder Bereich der Homepage leitet den Besucher Schritt für Schritt an. Es wird das Hauptangebot der Website verdeutlicht und anschließend erklärt, wie es funktioniert und was der Besucher bei anhaltendem Interesse als nächstes zu tun hat.

Denkt bei der Arbeit also über den Weg nach, den die Besucher auf der Website gehen. Wo kommen sie höchstwahrscheinlich an? Wohin gehen sie als nächstes? Welche Hindernisse können auftreten? Und unter all diesen Fragen: Wie kann das Geschäftsziel weiter unterstützt werden und sich mit den Besucherzielen überschneiden? Etwa so:

Wird dieses Prinzip nicht verstanden, kann dies großen Einfluss darauf haben, wie die Website mit ihren Besuchern harmoniert … oder wie sie nicht harmoniert. Es ist leicht, die Website mit Content zu überladen, wodurch die eigentliche Nachricht missverständlich wird und der Besucher den Überblick darüber verliert, was von ihm als Nächstes erwartet wird.

Auch Andrei Baicus, Designer bei ThemeIsle ist der Meinung, dass dies ein häufiger Fehler beim Webdesign für kleine Unternehmen ist:

„Erdrückender Content ist meiner Meinung nach der häufigste Fehler. Ich liebe Websites, die dem Besucher schnell und einfach das liefern, wofür er gekommen ist, ohne mit unnützen Informationen überladen zu werden.“

Kleine Unternehmen sollten sich bei ihrer Website darum bemühen, ihre Kernaussage so sauber und einfach wie möglich darzustellen.

Der Besucher sollte sich Informationen nicht erarbeiten müssen oder nach etwas suchen, das leicht aufzurufen sein sollte (wie etwa im Falle von in Dropdowns versteckten Shop-Seiten).

5. Mobil kommt zuerst

Die Tatsache, dass heutzutage mehr Menschen via Mobilgerät anstatt via Desktop/Laptop auf das Internet zugreifen, ist allgemein bekannt. Dennoch vernachlässigt das Design vieler Websites noch immer gänzlich die mobile Seite.

Diese spielt jedoch eine wesentliche Rolle, insbesondere für die Websites kleiner Unternehmen. Es fällt nicht schwer, sich zum Beispiel vorzustellen, wie jemand an der Tür eines Unternehmens vorbeiläuft, dessen Internetadresse auf dem Schaufenster sieht und beschließt, diese sofort unterwegs aufzurufen.

Drei Elemente sind hinsichtlich des mobilen Webdesigns für kleine Unternehmen besonders wichtig:

6. Die wesentlichsten Seiten

Eine gute Website für ein kleines Unternehmen kann sehr von einer Handvoll wichtiger Unterseiten profitieren:

(Natürlich benötigt nicht jede Website tatsächlich alle der folgenden Seiten. Die Liste dient lediglich als Referenz.)

Nicht alle Websites für kleine Unternehmen müssen gleich aussehen

Für den Inhaber eines kleinen Unternehmens ist seine Website oft das A und O des gesamten Unternehmens. Das ist keine Übertreibung. Der Webdesigner, der an einem solchen Projekt arbeitet, trägt eine sehr große Verantwortung. Diese ist wahrscheinlich noch größer als bei der Arbeit an einer Website für ein großes Unternehmen.

Leistet ihr dort keine gute Arbeit, wird das Großunternehmen lediglich das Projekt beenden, einen anderen Designer anheuern und eine Woche drauf von vorn beginnen. Gestaltet ihr jedoch eine schlechte Website für ein kleines Unternehmen, hat dieses oft nicht die Chance, einen erneuten Versuch zu starten.

Das solltet ihr im Hinterkopf behalten und eure gesamten Fähigkeiten darauf aufwenden, für kleine Unternehmen eine Website zu schaffen, die mit der Zielgruppe harmoniert und den Eigentümer seinen Zielen näher bringt.