Adobe Forum: Die Zukunft der Erlebnisse intelligent gestalten

Die Digitalisierung krempelt die Prozesse in der Finanzbranche grundlegend um. Wie das Kundenerlebnis kohärenter wird und was zugleich die Grenzen der Transformation sind, das kam auf dem Adobe Customer Experience Forum Financial Services zur Sprache.

Adobe Forum: Die Zukunft der Erlebnisse intelligent gestalten

Das Statement von Prof. Dr. Bernd Jörs in der abschließenden Podiumsdiskussion war eindeutig: „Auch in Zukunft werden in der Finanzbranche Menschen gebraucht, denn nur sie können das Vertrauen zu den Kunden aufbauen. Das kann keine künstliche Intelligenz.“

Der Online-Marketingexperte von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Darmstadt (University of Applied Sciences) brachte damit etwas auf den Punkt, was sich durch fast alle Vorträge und Gespräche des Adobe Customer Experience Forum Financial Services (Adobe ist die Muttergesellschaft von CMO.com) zog: An der digitalen Transformation führt auch bei Banken und Versicherungen kein Weg vorbei. Sie ist aber kein Selbstzweck, sondern es geht vor allem darum, auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden einzugehen.

Menschliches Denken und künstliche Intelligenz

Der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck erläuterte dazu in seiner Keynote die Unterschiede zwischen menschlichem Denken und Computeralgorithmen (siehe auch das CMO.com-Interview mit Dr. Beck). „Um etwas Neues zu schaffen, darf man nicht nur vorgegebene Regeln abarbeiten“, so sein Credo. Sondern man müsse aus vorhandenen Mustern und Denkweisen ausbrechen, Fehler machen und etwas ausprobieren.

Erfolgreiche Unternehmen würden Routinearbeiten automatisieren – auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und nutzten die dadurch freiwerdenden Ressourcen für wichtigere Aufgaben: Den Kontakt zum Kunden, dessen Beratung oder Innovation bei Produkten und Services.

Bearbeitungszeit um 50 Tage verkürzt

Ein ganz praktisches Beispiel für diese Herangehensweise präsentierte Martin Brösamle vom Münchner Adobe-Partner eggs unimedia an Hand der Investitionsbank Berlin (IBB). Durch die Digitalisierung ihrer Formularprozesse hat sich bei der Landesförderbank die Bearbeitungszeit der Anträge von zuvor 60 Tagen auf nun 10 Tage reduziert. Die IBB-Berater können sich dadurch stärker um das individuelle hochwertige und großvolumige Geschäft kümmern, während die Standardanträge jetzt komplett online bearbeitet werden.

Aber auch das Kundenerlebnis selbst hat sich inzwischen spürbar verändert: Die IBB-Kunden können nun sehr bequem und rund um die Uhr – auch mit mobilen Endgeräten dank einer responsiven Website – sehr bequem alle Anträge ohne Papier stellen und den Bearbeitungsstand jederzeit einsehen. In der stark regulierten Finanzbranche mit ihren besonders hohen Anforderungen an Compliance, Datenschutz und Sicherheit ist die Umsetzung eines solchen Projekts allerdings mit vielen Hürden verbunden.

Investitionen amortisieren sich in vier Jahren

Darauf machte auch Beat Schmid, Head Corporate Center IT, bei der Schweizer Großbank Credit Suisse aufmerksam: „Bei uns hat es ebenfalls eine sehr lange und schwierige Diskussion über den Einsatz der Cloud gegeben“. Doch letztendlich sei die Entscheidung gefallen, die komplette Infrastruktur für das digitale Marketing dorthin zu verlagern.

„Wir haben mit unserem Cloud-Projekt die bisherigen Silos geknackt und bieten jetzt von der personalisierten Information bis zum Online-Abschluss ein einheitliches Kundenerlebnis“, betonte Schmid. Innerhalb von vier Jahren werden sich die dafür notwendigen Investitionen amortisieren. Denn die Infrastrukturkosten sind nun 30 Prozent geringer und auch bei der Wartung könne rund ein Viertel eingespart werden.

Spagat zwischen Standard und Individualisierung

Das haben auch die deutschen Sparkassen erkannt, die mit ihrer „Internet-Filiale“ einen „Spagat zwischen Standard und Individualisierung“ bewältigen müssen. Denn die 408 Geldinstitute dieses Sektors sind sehr unterschiedlich: Von den großen Sparkassen, die am liebsten ihren eigenen Webauftritt pflegen würden, bis zu den sehr kleinen, die keine Kapazitäten dafür haben und deshalb eine zentrale Lösung bevorzugen.

Christian Meier-Burmann, Projektleiter Internet-Filiale beim zuständigen IT-Dienstleister Finanz Informatik, hat seit über drei Jahren mit einem 80-köpfigen Projektteam an dieser Quadratur des Kreises gearbeitet. „Wir haben es geschafft“, zog er vor dem Fachpublikum in Frankfurt sein Fazit. Die Lösung: Jede Sparkasse ist ein Mandant in Adobe Experience Manager und kann ihren Webauftritt selbst betreuen.

Sie muss es aber nicht, denn eine „Modulfabrik“ hat mittlerweile bereits über 200 zentrale Text- und Grafik-Elemente im Sparkassen-Design erstellt, die einfach übernommen und beliebig mit eigenem Content oder auf regionaler Ebene von den jeweiligen Sparkassenverbänden erstellten Inhalten kombiniert werden können. Das Besondere an der neuen Webplattform: Die Onlinebanking-Funktionen sind dort ebenso nahtlos integriert wie die Vertriebslösungen.

Dadurch können auch Marketingkampagnen nun kanalübergreifend ausgesteuert werden. Ob im Web, auf der mobilen App, dem Geldautomaten oder einem Multifunktionsterminal in der Filiale – überall wird der Kunde in einer Sprache angesprochen und kann an einem Touchpoint gestartete Prozesse auf einem anderen Gerät fortsetzen.

Es gibt Grenzen der Digitalisierung

Was für die Sparkassen schon eine große Herausforderung war, ist für Deutschlands führenden Finanzvertrieb noch sehr viel schwieriger. „Wir haben über 14.000 freiberufliche Vermögensberater mit sehr unterschiedlichen Anforderungen an eine digitale Lösung“, schilderte Dr. Helge Lach, Mitglied des Vorstands der Deutschen Vermögensberatung AG, sehr plastisch die Aufgabe. Auch hier stellt Adobe Experience Manager die Basis mit zentralen Inhalten zur Verfügung, auf der die einzelnen Berater vor Ort dann ihren ganz persönlichen Webauftritt gestalten können.

90 Prozent der von ihnen angebotenen Bank- und Versicherungsprodukte können dort mittlerweile digital abgeschlossen werden. „Allerdings wird diese Möglichkeit erst von einem Drittel der Kunden tatsächlich genutzt“, räumte Dr. Lach ein. Er zeigte sich auch zutiefst davon überzeugt, dass sich die hoch regulierten und „meist sehr langweiligen“ Finanzprodukte auch in Zukunft nur im persönlichen Beratungsgespräch verkaufen lassen: „Es gibt einfach Grenzen der Digitalisierung, deshalb ist unser Geschäftsmodell auch nach wie vor so erfolgreich“.