Der Marketingchef als Superwaffe der Geschäftsführung

Der Zuständigkeitsbereich von Marketingchefs wird in Zukunft wachsen. Jenseits des Marketings werden sie dann auch in der Chefetage mitreden.

Der Marketingchef als Superwaffe der Geschäftsführung

Kürzlich gab es in einem Artikel im Harvard Business Review wieder einmal zu lesen, dass 80 Prozent der Geschäftsführer keine großen Stücke auf ihren Marketingchef halten. Tatsächlich? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass 80 Prozent aller Marketingleiter zu dumm sind für ihren Job. Wissen einige Geschäftsführer eventuell gar nicht, was sie am Chef der Marketingabteilung haben?

Schauen wir uns die Fakten an. In einigen Unternehmen gibt es gar keinen CMO, und in Firmen mit einem solchen wird er nur äußerst selten in Entscheidungen der Geschäftsführung einbezogen. Es wird sogar (immer noch) darüber debattiert, ob es überhaupt sinnvoll ist, „den Kunden in die Chefetage zu lassen“. Ein Unternehmen ohne Marketingchef in der Geschäftsführung kann eigentlich gleich öffentlich verkünden: „Tut uns leid, lieber Kunde, du bist für uns leider unwichtig. In der Geschäftsführung spricht nie jemand über dich und deine Bedürfnisse interessieren uns erst recht nicht. Darum kümmert es uns nicht, ob unser Marketingchef in geschäftliche Entscheidungen einbezogen wird. Das ist eh nur der Typ, der die Farbe fürs Logo aussucht.“

Vor Kurzem habe ich eine Untersuchung gesehen, laut der die Finanzkraft von Unternehmen mit Marketingleiter durchschnittlich um 15 Prozent höher liegt. Das ist doch Beweis genug dafür, dass man den Einfluss dieser Position nicht unterschätzen darf. Wenn ein Unternehmen florieren soll, muss die Marketingabteilung richtig besetzt sein.

Ist Ihr leitender Marketer Superman oder Clark Kent?

Die Rolle des Marketingchefs verändert sich. Und zwar schnell. Der Marketingchef der Zukunft wird – wie alle CMOs, die heute schon Großes leisten – nicht mehr einfach nur für die Kommunikation und die Marke verantwortlich sein. Wenn das wirklich alles ist, was Sie ihm zutrauen, können Sie genauso gut Superman ohne Kostüm engagieren. Denn was bleibt ohne Lycra-Anzug und Umhang übrig? Richtig, Clark Kent. Die besten Marketingchefs haben ein direktes Mitspracherecht in puncto Geschäftsstrategie, Preisbildung, Innovationen, Kundenerlebnis, Technologie, Datenanalysen, Insights und – Achtung, jetzt kommt´s! – Verantwortung für das Geschäftsergebnis.

Stellen Sie sich bitte folgende Szene vor: Jemand betritt den Versammlungsraum der Geschäftsführung und sagt: „Ich sollte eigentlich zu Ihrer Führungsriege gehören. Ich kenne Ihre Kunden besser als Sie, ich kann die Bedürfnisse der Kunden prognostizieren und ich kann ihre Wünsche und Entscheidungen beeinflussen. Ich weiß ganz genau, was das Unternehmen seinen Kunden zu welchem Preis anbieten sollte und ich weiß auch, wie wir mit ihnen am besten umgehen. Außerdem bin ich eine hervorragende Führungskraft, ich kann die Leute inspirieren, ihr Bestes zu geben und ich kommuniziere mit den Menschen auf emotionaler Ebene. Ich besitze Geschäftssinn, weil ich regelmäßig mit allen Abteilungen zu tun habe, ich denke strategisch und zugleich pragmatisch und ich weiß, wie extrem wichtig Innovationen für Produkte, Services, Menschen und Prozesse sind. Ich kann Ihnen helfen, das Wachstum voranzutreiben. Und wenn Sie mich in strategische Entscheidungen einbeziehen, werde ich dafür sorgen, dass sich die Ergebnisse um bis zu 15 Prozent verbessern. Ich muss dafür nur zur Geschäftsführung gehören. Was meinen Sie?“

Nehmen Sie die Zügel in die Hand

Verantwortung liegt nicht nur beim Geschäftsführer. Der Aufgabenbereich von Marketingchefs wächst schnell, also müssen Sie auch dafür sorgen, dass Sie in Sachen Know-how immer auf dem Laufenden sind. Außerdem müssen Sie sich und Ihre Ziele in der Chefetage etablieren.

Thomas Barta, Experte für Marketing Leadership und Co-Autor von „The 12 Powers of a Marketing Leader“ meint dazu: „In unserer globalen Studie war Führungskompetenz der entscheidende Faktor für den Einfluss von Marketingchefs auf den Geschäftsbetrieb. Im Marketing zu arbeiten, ist nicht das Gleiche, wie die Marketingabteilung zu leiten. Wenn Sie Marketingchef sind, sollten Sie nicht darauf warten, dass Ihr Geschäftsführer Ihnen mehr Verantwortung überträgt. Nehmen Sie die Zügel selbst in die Hand, wenn Sie erfolgreich sein wollen.“

Auch Geschäftsführer müssen sorgfältig überlegen, welche Kompetenzen und Erfahrungen ihr CMO haben sollte. Angesichts eines wachsenden Aufgabenfelds wird es ein CMO nicht leicht haben, wenn er sich beispielsweise ausschließlich mit Kommunikation befasst, nur weil man in seinem Unternehmen den kommerziellen Nutzen des Marketings verkannt hat. Es sei denn, er erweitert seine Kenntnisse in anderen Sektoren, Unternehmen oder Abteilungen.

Setzen Sie auf Digital

Ed Smith ist der Ex-CMO des australischen Pay-TV-Senders Foxtel. Dort hatte er einen riesigen Verantwortungsbereich, saß in der Geschäftsführung und hatte in allen möglichen Situationen mit Kunden zu tun. Vor Kurzem übernahm er eine Digitalisierungsrolle in einer europäischen Media-Agentur, weil er genau diese Erfahrung machen wollte. So wurde aus ihm letzten Endes ein besserer und einflussreicherer Marketingchef. Ich fragte ihn, wie sich CMOs seiner Meinung nach auf die Zukunft vorbereiten sollten. Seine Antwort: „Marketingchefs müssen jetzt wirklich auf Daten und Digital setzen. Ein Großteil des Kundenerlebnisses ist heutzutage digital und in den kommenden zehn Jahren wird in vielen Unternehmen alles Digitale, selbst der kundenbezogene IT-Bereich, dem Aufgabenbereich des CMOs zufallen. Setzen Sie also wirklich auf Digital – selbst wenn Sie sich bei Ihren ersten digitalen Projekten ein paar blaue Flecken und Schrammen holen. Heuern Sie bei einem Start-up an, leiten Sie ein technisches Projekt oder sammeln Sie Erfahrungen in einer Digitalagentur.“

Interessanterweise wurde kürzlich in einer Studie von Grace Blue aufgedeckt, dass 40 Prozent der leitenden Marketingkräfte bei Werbetreibenden davor in einer Agentur gearbeitet hatten. IAG, eines der größten australischen Versicherungsunternehmen, holte sich vor Kurzem Brent Smart als obersten Marketer ins Boot, der vormals bei Saatchi & Saatchi in der Chefetage gesessen hatte. Vorausschauende Unternehmen suchen sich jetzt Leute dieses Kalibers mit umfangreichem Erfahrungsschatz. Lineare Karrierewege in einer einzigen Abteilung oder Branche kommen langsam aus der Mode, denn Marketer verlassen immer häufiger ihre traditionell abgegrenzten Bereiche, um anderswo im Unternehmen Erfahrungen zu sammeln.

Steven Overman, globaler Marketingchef bei Kodak und Präsident der Filmabteilung, meint dazu: „Was die Geschäftsziele angeht, arbeite ich nicht nur mit unserem Geschäftsführer eng zusammen. Ich habe auch regelmäßige Treffen mit unserem Finanzchef, dem Personalleiter, dem IT-Chef und unserer Rechtsberatung. Als Präsident der Abteilung bin ich außerdem für das Geschäftsergebnis mitverantwortlich. Das wiederum ermöglicht mir ein größeres Verständnis der Anforderungen an eine effektive Geschäftsführung. Ich kann nur jedem Marketingchef empfehlen, über seinen Tellerrand hinaus in die anderen Geschäftsfelder zu blicken.“

Marketingleiter müssen das Zepter in die Hand nehmen und sich in der Chefetage etablieren. Nur dann wird der Geschäftsführer das wahre Potenzial des Marketings zu schätzen wissen: nämlich als eindrucksvolle Superwaffe für profitables Wachstum.