Ein Blick in das Digital Command Center von Philips

Ein Blick in das Digital Command Center von Philips

Dank der Digitalisierung, so die landläufige Meinung, können Unternehmen ihren Kunden besser zuhören und sich so auf ihre Bedürfnisse einstellen. Aber wie viele Unternehmen machen das auch? Und welches Unternehmen, das wirklich hinhört, nimmt sich die Ergebnisse zu Herzen und handelt entsprechend?

Philips hat in Amsterdam ein Digital Command Center eingerichtet, das auf den ersten Blick an das legendäre Mission Control Center der NASA erinnert. 40 Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing, E-Commerce, CRM, Kommunikation und IT sitzen hier vor unzähligen Bildschirmen. Auf diesen wird alles gestreamt, was mit Philips‘ weltweiten Marketing-Aktivitäten zu tun hat.

Zum Beispiel wird die Performance von Kampagnen überwacht, um aus eventuellen Fehlern zu lernen. Besonderes Augenmerk legt das Team auf Social Media, um Trends frühzeitig erkennen und unerfüllte Kundenwünsche bedienen zu können. Das wird dann in regelmäßigen Briefings dem Vertrieb und der Produktentwicklung mitgeteilt. Der direkte Draht zu den beiden Abteilungen ist ein wichtiger Bestandteil von Philips‘ Strategie.

Genau hingehört

Ein Beispiel: Für Haarentfernung, Epilation und Co. hat Philips eine neue Customer Journey aufgesetzt. Das Team rund um Blake Cahill, Global Head of Digital Marketing and Media und Leiter des Command Centers, sollte den Verkauf des Philips Epilierers Lumea beurteilen. Die auf Licht basierende Technologie verhindert, dass unerwünschtes Haar nachwächst, ohne einen Rasierer verwenden zu müssen.

„Das Produkt kam wirklich gut an. Nur der Preis von 300 Euro war eine Hürde für viele potenzielle Käufer“, erklärt Cahill. „Das ist ziemlich viel Geld. Selbst bei hervorragenden Bewertungen, die das Gerät auch wirklich hat, überlegt man bei diesem Preis zweimal. Also haben wir uns zusammen mit den Sales-Mitarbeitern angehört, was die Leute über das Produkt selbst und über Hürden für die Kaufentscheidung gesagt haben.“

Das Team löste das Problem schließlich mit einer Leasing-Option. Der Kunde zahlt im Vorfeld lediglich eine Nutzungsgebühr und geht damit ein nur minimales finanzielles Risiko ein. Das hat wunderbar funktioniert.

Auf den richtigen Trend setzen

Was bestehende und potenzielle Kunden über ein Produkt oder eine Dienstleistung denken, findet man am besten in sozialen Netzwerken, in Foren und über Feedback zu Content-Kampagnen heraus. So werden auch Trends sichtbar, auf die eine Marke mit der Einführung neuer Produkte reagieren kann. Philips wendet dieses Verfahren unter anderem zum Testen von Prototypen an. Hier bietet sich wiederum ein Haarpflegeprodukt für Herren als ein gutes Beispiel an.

„Die Tatsache, dass Bärte schwer angesagt sind, ist eine Herausforderung und eine Geschäftsmöglichkeit zugleich“, sagt Cahill. „Wir konnten beobachten, dass sich viele Männer zwischen Mitte 20 und Mitte 30 zwar nicht täglich rasieren, sich aber auch nicht gerne einen Vollbart stehen lassen. Es gab also eine echte Marktlücke für Produkte zwischen Glattrasur und Bartpflege. Mit OneBlade haben wir darauf reagiert.“ OneBlade ist Bartschneider und -trimmer in einem. Mit verschiedenen Aufsätzen kann man variabel die Bartlänge einstellen.

„Das Gerät mussten wir natürlich erst testen. Also erfanden wir unseren potenziellen Kunden ‚Ryan‘. Er ist zwischen Mitte 20 und Mitte 30 und trägt gerne einen gepflegten Dreitagebart“, so Cahill weiter. „Mithilfe von Micro-Targeting stellten wir eine Fokusgruppe mit mehreren Ryans zusammen, die das Produkt testen sollten. Die Teilnehmer wurden zu überzeugten Botschaftern von OneBlade und versorgten uns so mit den Daten, die wir brauchten, um ähnliche Kunden zu finden und ihnen das neue Produkt über Social Media und andere Kanäle vorzustellen. Das Ganze war ein Riesenerfolg.“

Eine entspannte Customer Journey

Laut Cahill liegt das Geheimnis dieses Erfolgs nicht nur darin, dass das Digital Command Center im Blick behält, was weltweit über Philips und seine Produkte in den sozialen Medien gesagt wird. Sein Team hat sich auch zum Ziel gesetzt, alles rund um die Customer Journey zu verstehen. Aus diesem Grund hängen riesige White Boards an den Wänden, auf denen die Customer Journeys der verschiedenen Produkte dargestellt sind und wie sie sich von Markt zu Markt unterscheiden.

„Wenn wir die Customer Journey für jedes Produkt und jeden Markt kennen, können wir sie nahtloser gestalten und zudem herausfinden, wo die Influencer sitzen“, betont Cahill. „Wir sind mit vielen Produkten auf unterschiedlichen Märkten präsent. In Europa finden wir Ryan nicht an der gleichen Stelle, wo wir ihn zum Beispiel in Südkorea finden würden. In einem Land gehen die Kunden lieber in ein Geschäft, in einem anderen wird das Online-Shopping bevorzugt. Wir lokalisieren die Kontaktpunkte, die jeder Kunden mit uns hat. Dann schauen wir, an welcher Stelle wir Falten ausbügeln können.“

Marketing führt die Transformation an

Bei Philips weiß man dank der digitalen Kommandozentrale, welche Marketingbotschaften und Kanäle tatsächlich funktionieren. Cahill zufolge ist das nur der Anfang. Er strebt eine weltweit einheitliche Kundenansprache und konsistente Botschaften an. Außerdem müssen die Teams in anderen Märkten informiert werden, wenn eine Kampagne oder Taktik ins Schwarze trifft. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Kampagne geändert oder zeitweilig gestoppt werden muss.

Andere Unternehmen sehen an Philips‘ Beispiel, dass die gewonnenen Erkenntnisse die Digitalisierung im gesamten Unternehmen voranbringen können – sofern ein multidisziplinäres Konzept verfolgt wird. Für Cahill ist klar, dass die Marketingabteilung dabei federführend sein sollte. Allerdings müssen alle anderen Bereiche mit einbezogen werden. Ein digitales Marketingteam, das sich nur zögerlich nach außen orientiert, wäre unpassend in dieser Rolle.

„Das Marketing hat die Chance, die Digitalisierung anzuführen und dem Unternehmen zu helfen, seine Kunden in den verschiedenen Märkten besser zu verstehen“, sagt Cahill. „Wir haben festgestellt, dass die Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen ausschlaggebend dafür ist. Besonders mit den Kollegen im Verkauf und in der Produktentwicklung stehen wir in ständigem Kontakt, um Feedback und Trends zu besprechen.“

Dieser Informationsaustausch reicht von der gegenseitigen Hilfe bei der Entwicklung neuer Produkte und Modelle, wie Lumea oder OneBlade, bis hin zur simplen Mitteilung, dass mehr Produkte in Rosé-Gold gewünscht werden.

Digitale Tools verändern die Arbeit in allen Unternehmensbereichen, ob Produktentwicklung, operatives Geschäft, Verkauf oder Marketing. Cahill unterstreicht, dass sich dadurch eine große Chance bietet. Im Marketing hat man die beste Sicht auf den Kunden. Also sind es hauptsächlich die Marketer, die mit ihrer Erfahrung das Fundament für neue Produkte und neue Customer Journeys legen.