Wie Content das Marketing verändert
Marketingverantwortliche sprechen gerne über „Zielgruppen“ und „Kunden“, haben aber häufig ein unzureichendes Bild dieser Personen. Dabei ist jeder Einzelne von uns Teil unterschiedlichster Zielgruppen und Kunde gleichermaßen. Ein Perspektivenwechsel könnte daher in vielen Fällen vorteilhaft sein, um das eigene (Content) Marketing effektiver zu gestalten.
Betrachten wir unser eigenes Verhalten wird klar, wie wir – stellvertretend für eine größere Nutzergruppe – Content konsumieren: überwiegend passiv, also ohne gezielt danach zu suchen. Wir werden täglich über diverse Kanäle mit Unmengen Content konfrontiert und entscheiden uns binnen kürzester Zeit für oder gegen den Konsum. Das passiert primär im limbischen System, weshalb rationale Kriterien wie der tatsächliche Wert (Information, Unterhaltung etc.) des Contents die Entscheidung nicht unmittelbar beeinflussen.
Erst auf lange Sicht tritt ein Lerneffekt ein, indem wir die Content-Qualität in Bezug zum Publisher bzw. zur Marke reflektieren. Damit beeinflusst langfristig vor allem unsere Erfahrung künftige Konsumentscheidungen. Und genau diese Erfahrung gilt es als Marketer positiv zu gestalten.
Experience Design im Content Marketing
Bevor Unternehmen mit ihren digitalen Publikationen inhaltlich punkten können, müssen sie auffallen, das heißt vor allem optisch ansprechen. „Content Design“ wird damit zu einer Notwendigkeit; Design aber nicht nur im Sinne der visuellen, sondern auch konzeptionellen Gestaltung, deren Einfluss auf den Erfolg des Content Marketings aufgrund unterschiedlicher Faktoren stetig zunimmt:
1. Kanalvielfalt
Die lineare Customer Journey ist Vergangenheit; die Zahl der möglichen Touchpoints nimmt zu, die Informationsverteilung verändert sich und die Erwartungshaltung der Konsumenten steigt. Unternehmen sollten den Eindruck, den sie durch ihren Content an all diesen Kontaktpunkten erzeugen, möglichst positiv gestalten, um im Entscheidungsprozess berücksichtigt zu werden. Ausschlaggebend ist eine kanalübergreifende Konsistenz in der (visuellen) Kommunikation. Eine klare „Brand Voice“ schafft Persönlichkeit und bildet die Grundlage für Beziehungen. Ein einheitliches Erscheinungsbild sorgt für den nötigen Wiedererkennungseffekt.
Bindungen entstehen jedoch nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit und ausreichend viele Kontakte, bevor ein Konsument eine Marke (positiv) in Erinnerung behält. Streuung ist dabei enorm wichtig, wie Dorothee Seedorf hier erklärt, denn auch beim Content Marketing gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Apropos Teile …
2. Formatvielfalt
Mit der Kanalvielfalt einher geht die Formatvielfalt. Sowohl die Konsumpräferenzen ändern sich hinsichtlich der Auswahl zwischen Text, Ton, Bild oder Video (externe Perspektive) als auch die strategische Nutzung von Content (interne Perspektive). Unterschiedliche Ziele wie Aufmerksamkeit, Verkauf oder Bindung erfordern individuelle Content-Formate; daraus entstand auch mein Modell des Content Polygons.
Während sich Content Marketing anfänglich mehrheitlich auf Textinhalte konzentriert hat, steigt inzwischen die Nachfrage nach Videos. Nicht nur sollen Videos bis 2019 für 80% des gesamten Web-Traffics verantwortlich sein, Experimente belegen schon jetzt, dass sie bspw. die Klickrate in Mailings oder die Conversion Rate auf Landing Pages verbessern können; ganz zu schweigen von ihrem Einfluss auf die Kaufentscheidung.
Erfreulich ist dabei der Trend in Richtung Live-Videos. Plattformen wie Periscope, Features wie Snapchat Stories und auch diverse Fake News Skandale tragen alle dazu bei, dass Konsumenten ungeschönten Content in Echtzeit bevorzugen, um dessen Glaubwürdigkeit besser einschätzen zu können. Dadurch entfallen hohe (Post-)Produktionskosten und Unternehmen können ihren wahren USP bestens in Szene setzen: ihre Mitarbeiter. Microsoft, Adobe oder Google machen es vor.
Anmerkung: Text-Content verliert trotz dieser Entwicklung nicht an Relevanz. Es verändert sich lediglich der strategische Fokus. Intent-basierte Suchmaschinenoptimierung mittels strukturiertem Infotainment dominiert rein textbasierten Entertainment-Content.
Und das bringt uns zu einem dritten Aspekt, den ich im Kontext des Content Designs ansprechen will:
3. Wertschöpfung
Vor allem format- und kanalübergreifend bleibt die Erfolgsmessung eine große Herausforderung für Content Marketer. Die Frage ist nur, ob bisherige Bemühungen überhaupt in die richtige Richtung gehen. Wie sinnvoll ist es, über die Reichweite oder die Interaktionsrate Rückschlüsse auf die Qualität bzw. Effektivität einzelner Content Assets zu ziehen? Ist dadurch eine Aussage über das individuelle Konsumerlebnis möglich (für das Kunden sogar mehr bezahlen würden)?
Content wirkt in seiner Gesamtheit und genau die gilt es zu bewerten – mittels Net Promoter Score, Retention Rate oder Customer Lifetime Value. Dadurch wird auch deutlich, dass Marketing (als Abteilung) nicht allein für Content verantwortlich sein kann, weil Content entlang der gesamten Wertschöpfungskette Anwendung findet. Eine erfolgreiche Content-Strategie erstreckt sich über alle Unternehmensbereiche und erfordert eine Kultur, in der Content gelebt statt nur produziert wird. Doch diese Transformation braucht Zeit.
„Die erfolgreichsten Marken haben erkannt, dass wirksame Content-Strategien mehr Wissen, Daten und Planung erfordern – und dass sie in den Markenwerten und ‑versprechen verankert sein müssen“ – so Peter Reid.
DAS ist die Ebene, auf der Content Design künftig stattfinden sollte.
Die Zukunft bringt weitere Veränderungen
Im Kontext des Content Marketings war „publish and pray“ ein funktionierender Ansatz, doch nun ist ein Umdenken erforderlich. „Test and learn“ heißt die neue Devise. Nicht zuletzt deshalb, weil sich im Markt immer häufiger Neues hervortut, mit dem es zu experimentieren gilt. Voice Search ist da nur ein imminentes Beispiel.
Wie sagte Friedrich Schiller so schön: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“