Dmexco 2017: ‘Nächste Welle der Transformation am Horizont zu sehen’

Die Digitalisierung hat die Spielregeln der Wirtschaft verändert – darüber war man sich auf der diesjährigen Dmexco einig. Auf den Kunden komme es heute an, so der Tenor. Und der Wandel habe gerade erst begonnen.

Dmexco 2017: ‘Nächste Welle der Transformation am Horizont zu sehen’

Das Motto der Marketingmesse lautete in diesem Jahr „Lightening The Age Of Transformation“. Licht ins Zeitalter von Digitalisierung und Industrie 4.0 zu bringen, war denn auch eines der Hauptanliegen vieler Keynote-Speaker und Panels auf der Dmexco in diesem Jahr.

Das wurde gleich am ersten Konferenztag deutlich, als Nigel Morris, Chief Strategy & Innovation Officer bei Dentsu Aegis Network, eine morgendliche Gesprächsrunde zum Thema Digitalisierung und Transformation eröffnete.

„Digital ist kein Kanal”, sagte Morris. “Es hat die Spielregeln der Wirtschaft verändert, Voraussetzungen für einen perfekten Wettbewerb geschaffen und die Märkte transparent gemacht. Jedes Unternehmen muss zu 100 Prozent als digitaler Betrieb funktionieren”, so Morris weiter.

Auch die Repräsentanten großer Marken äußerten sich über die Notwendigkeit des Wandels. Marc Pritchard, Chief Brand Officer bei P&G, konnte „die nächste Welle der Transformation schon am Horizont“ wahrnehmen. Und laut Alison Lewis, Global CMO Consumer Companies bei Johnson & Johnson, würden in Zukunft nur jene Unternehmen erfolgreich sein, die alte Marketingstrategien mit neuen Denkweisen zu verknüpfen wüssten.

Marc Mathieu, Marketingleiter bei Samsung Electronics America, ging sogar noch weiter: „Meiner Meinung nach hat sich die Beziehung zwischen Marken und Kunden grundlegend verändert. Die Leute wollen am Gespräch teilhaben. Unsere Aufgabe als Marketer ist es, ihnen die Partizipation zu ermöglichen.“ Dazu ergänzte Nigel Morris, dass sich Marken in diesem neuen Geschäftsumfeld „vom Kunden ausgehend zur Marke zurückarbeiten müssen“.

Das vermutlich beste Bild der aktuellen Lage zeichnete aber Alicia Hatch, Marketingchefin bei Deloitte Digital. „Wir nehmen uns alte Unternehmen vor und erneuern sie. Um ein wirklich neues Kundenerlebnis zu entwickeln, müssen Unternehmen schlichtweg alles integrieren“, so Hatch.

Der Wert der Erfahrung

Die wichtigste Arena für heutige Unternehmen, so der Tenor auf der Kölner Konferenz, ist das Kundenerlebnis. Die deutlichsten Worte dafür fand Mark Thompson, Geschäftsführer der New York Times. Am Beispiel der Erwartungshaltung heutiger Leser, auf dem Smartphone die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zu erhalten, verdeutlichte er die Ambition der Verlage ein nahtloses Kundenerlebnis zu entwickeln, das schlicht und einfach funktioniert. Ohne diese grundlegende Funktionalität werde es nicht vorangehen.

Kunden seien dazu bereit, für Inhalte zu zahlen und mit Werbung zu interagieren, erklärte Thompson weiter, doch „die Funktionsweise und das Erlebnis müssen perfekt sein.“

Der nächste Schritt

Die große Frage lautete daher, wie sich Marken in dieser veränderten Situation am besten verhalten sollten.

In diesem Zusammenhang wurde betont, dass Marken auf die Sinnfrage hinter ihrem Tun eine gute Antwort parat haben sollten, und zwar nicht nur, um Authentizität zu beweisen, sondern auch, um das eigene Personal zu motivieren.

Jean-Marc Pailhol, Chief Marketing & Distribution Officer beim Versicherungsriesen Allianz, beschrieb die Herangehensweise an den Sinn des Unternehmens folgendermaßen: „Um zu wissen, in welche Richtung es gehen soll, müssen Sie wissen, woher Sie kommen.“ Sinn und Aufgabe der Allianz sei beispielsweise nicht der Verkauf von Versicherungen, sondern Menschen zu unterstützen, die ein Risiko eingehen.

Andere Redner sprachen über die Bedeutung von Innovationen. Dazu Suzanne Darmory, Executive Creative Director bei Zeta: „Wir dürfen nicht nur das liefern, was erwartet wird. Wir müssen etwas Neues erschaffen. Wenn wir das nicht tun, entwickeln wir uns zurück.“

Alicia Hatch von Deloitte Digital bezeichnete Kreativität und Innovationsfähigkeit gar als die wichtigsten geschäftlichen Kompetenzen des 21. Jahrhunderts. Sie räumte aber ein, dass die Notwendigkeit von Innovationen auch mögliche Fehlschläge mit sich bringe.

Ihr Tipp, um Fehlschläge am besten zu verkraften: „Sie müssen große Ideen haben, aber im Kleinen testen. Ihre Lernfähigkeit macht den Unterschied aus zwischen einem sinnlos zeitraubenden Fehlschlag und einem, der sich als Sprungbrett erweist. Sie können Mut beweisen, ohne dabei leichtsinnig zu sein. Das erreichen Sie nur durch beharrliches Lernen.“

Hatch riet den Konferenzteilnehmern auch, einen „Day One Plan“ zu erstellen, also darüber nachzudenken, was sie tun würden, wenn heute der allererste Geschäftstag ihres Unternehmens wäre und sie bei Null anfangen müssten.

Ein ähnlicher Ratschlag kam von Chris Curtin, Chief Brand & Innovation Marketing Officer bei Visa. Er empfahl seinen Zuhörern ein Gedankenexperiment. Sie sollten sich einmal darüber Gedanken machen, was jemand anderes tun würde, wenn er ihre Position im Unternehmen übernehmen würde. „Welche Dinge, die Sie tun, würde diese andere Person einfach übernehmen? Welche Entscheidung würden Sie so niemals treffen? Und was würden Sie beide für nötig erachten, aber nur Ihr Nachfolger würde es auch umsetzen?“

Innovation dank Integration

Andere Aspekte der Digitalisierung, die in Köln für Gesprächsstoff sorgten, waren die Unternehmensstruktur und die Notwendigkeit, Silos im Unternehmen aufzubrechen. Suresh Vittal Kotha, VP Platform & Products bei Adobe, sprach über die Vorteile von künstlicher Intelligenz (KI) – ebenfalls ein Schlüsselthema auf der Dmexco. Damit KI ihr volles Potenzial im Unternehmen entfalten könne, müsse sie auf alle geschäftlichen Daten zugreifen können. Ein wichtiger Schritt sei daher die Integration von Funktionen und Datenquellen. Die ganzheitliche Sicht auf den Kunden, die dadurch ermöglicht werde, bilde die Grundlage für die Einbeziehung neuer Ideen und Konzepte.

Die Verantwortung für Innovationen müsse im gesamten Unternehmen verteilt werden, anstatt sie allein einer Innovationsabteilung aufzubürden. Chris Curtin beschrieb diesen Vorgang mithilfe des grammatischen Unterschieds zwischen Substantiv und Adjektiv: Es gehe nicht darum, ein Innovationsteam zu haben, sondern darum, ein innovatives Unternehmen zu sein.

Wie viele andere Redner warnte auch er vor Routine und dem Vertrauen auf einen Status quo. Stattdessen müsse man Innovationen stets im Blick haben, um „lieber smart als hart“ arbeiten zu können.

Alicia Hatch von Deloitte Digital bestätigte: „Es erfordert eine Menge Mut, seine Vorgehensweise zu überdenken, insbesondere wenn sie bisher erfolgreich war. Aber wir müssen unsere Arbeit täglich hinterfragen.“

Umso mehr Dringlichkeit kommt dem zu, was Nigel Morris gleich zu Beginn der Konferenz geäußert hatte: Das digitale Zeitalter hat gerade erst begonnen. Der Wandel wird weiter voranschreiten und er wird vom Kunden bestimmt.

Wie wichtig es für Marken und Unternehmen ist, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, fasste Suzanne Darmory von Zeta so zusammen: „Wenn wir mit den Kunden nicht so sprechen, wie sie es wollen, reden wir nur auf sie ein.“