Dmexco 2017: KI ermöglicht Customer Experience in einer neuen Größenordnung

Die Kölner Konferenz stand dieses Jahr ganz im Zeichen der neuen Technologie und ihrer Fähigkeit, Big Data in relevante Kundenbeziehungen zu verwandeln. Die Personalisierung des Marketings würde damit im großen Maßstab möglich.

Dmexco 2017: KI ermöglicht Customer Experience in einer neuen Größenordnung

Künstliche Intelligenz (KI) erobert das Marketing. Sie ist die einzige Technologie, die die angesammelten Datenberge heutiger Unternehmen in eine sinnvolle Kundenbeziehung umwandeln kann.

In dieser Frage waren sich die Teilnehmer der diesjährigen Dmexco einig. KI, so der Tenor in Köln, ist das entscheidende Bindeglied zwischen Big Data und Marketing, ein Katalysator, der Daten in Erkenntnisgewinn umwandelt, mit dem personalisiertes Marketing im großen Maßstab geliefert werden könne.

Sureh Vittal Kotha, VP Platform & Products von Adobe, erläuterte das Thema KI im Zusammenhang mit der unternehmerischen Herausforderung, sich stärker auf das Kundenerlebnis konzentrieren zu müssen. Ihm zufolge könnten heutige Marketer dank der neuen Technologie den Kontext verstehen, in dem sie mit dem individuellen Kunden kommunizieren. KI könne relevante Customer Journeys über sämtliche Kontaktpunkte hinweg choreographieren. All das, so Kotha weiter, erledige künstliche Intelligenz in einem atemberaubenden Tempo. Den Prozess hinter der Personalisierung mache sie für den Konsumenten praktisch unsichtbar.

„Das Kundenerlebnis muss anpassungsfähig und smart sein. Es muss den Multi-Channel-Bewegungen des Kunden folgen können“, sagte Kotha. Um das „at scale“ erreichen zu können, brauche es künstliche Intelligenz.

Bestätigt wurde diese Ansicht von Markus Rübsam, Senior VP von SAP Hybris. Er betonte, wie kompliziert es sein könne, unterschiedlichste Customer Journeys einheitlich und relevant zu gestalten. KI reduziere diese Komplexität auf ein überschaubares und gestaltbares Level, so Rübsam weiter.

Gemeinsam, nicht gegeneinander

Im Gegensatz zu der Befürchtung, KI würde schon bald sämtliche Jobs im Marketing übernehmen, wurde auf der Dmexco die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine unterstrichen. Rübsam etwa sprach davon, dass KI komplexe Routineaufgaben übernehmen könne. Selbst intelligente Maschinen bräuchten aber immer noch den Menschen, um sie zu trainieren. Auch Limor Schweitzer, COO des Roboterentwicklers RoboSavvy, versicherte seinem Publikum, dass KI zwar vieles automatisieren werde, “aber alles Humanistische ist vor den Robotern sicher“.

Der Geschäftsführer der New York Times Company, Mark Thompson, gab ein konkretes Beispiel, bei dem sich menschliche Fähigkeiten und KI ergänzen. So würde künstliche Intelligenz bei der berühmten Tageszeitung dazu eingesetzt, die schier unendliche Flut an Leserkommentaren auf der Website zu filtern. Eine Aufgabe, die für Menschen schlichtweg zu umfangreich sei. Die KI sei laut Thompson darauf geschult, unangemessene Kommentare zu erkennen und auszusortieren. Was durchgehe, werde anschließend von menschlichen Mitarbeitern begutachtet.

Andere Unternehmen setzen wiederum auf den Show-Effekt der neuen Technologie. MediaMarktSaturn etwa hat einen Roboter in einer seiner Berliner Filialen aufgestellt, der Kunden begrüßt, sie nach ihrem Kaufinteresse fragt und daraufhin Empfehlungen gibt. Für COO Sonja Moosburger sei der Neuigkeitswert der Technologie von Vorteil. Anschließend kam aber auch Moosburger darauf zu sprechen, dass KI grundlegende Aufgaben übernehmen könne. Komplexe Tätigkeiten – etwa die Beurteilung von Kontext und Emotionen – würden allerdings weiterhin in Menschenhand bleiben.

Job-Tausch

Mehrere Panels beschäftigten sich mit der Frage, ob wir unsere Jobs bald an die Maschinen abgeben werden. Limor Schweitzer von RoboSavvy antwortete, dass dieser Austauschprozess geschichtlich gesehen nichts Neues sei. Dem fügte Nigel Morris, Chief Strategy and Innovation Officer von Dentsu Aegis Network, hinzu, dass der Beginn der KI-Ära mit einer massiven Talentknappheit und einem Wettbewerb um die besten Skills zusammenfalle.

Im Gespräch mit Morris beschrieb LinkedIn-Mitbegründer Allen Blue diesen Vorgang als „Aushöhlung“. Jene, die Bedarf an neuen Fähigkeiten hätten, müssten sich unter diesen Umständen weiter oben in der Wertschöpfungskette etablieren oder in einen anderen Sektor ausweichen, so Blue.

Auch Mark Thompson von der New York Times (NYT) nahm diesen Punkt auf. Demnach habe das Unternehmen lieber neue Fachkräfte mit neuen Skills eingestellt, als seine Leute zu verlieren. 80 Prozent der Mitarbeiter in der Werbung seien bei der NYT in den vergangenen sechs Jahren ausgetauscht worden.

Parallel zur Akquise neuer Skills zwingt KI viele Firmen dazu, über ihre Unternehmensstruktur nachzudenken. Dementsprechend sprach MediaMath-CEO Joe Zawadski darüber, dass interne Silos aufgebrochen und Datenströme neu gedacht werden müssten. Nur so könne KI überhaupt zum Einsatz kommen. Der Aufbau des Unternehmens müsse „wasserdicht“ sein, so Zawadski.

Ein weiterer Punkt, der in Köln wiederholt zur Sprache kam, war das ungenutzte Potenzial von lernenden Maschinen. Obwohl die Vorgänger der künstlichen Intelligenz schon heute im Marketing weit verbreitet seien – siehe die Teilbereiche Search und Empfehlungen – würden wir von deren Fähigkeiten aber noch kaum Gebrauch machen. Laut Mainardo de Nardis, Geschäftsführer der Medienagentur OMD, würden wir derzeit nur ein Prozent dessen nutzen, was mit KI möglich sei. Schaue man dagegen auf die Luftfahrtbranche, die KI noch gar nicht einsetzt, fühle sich selbst dieses eine Prozent laut de Nardis als äußerst fortschrittlich an.

Auf der diesjährigen Dmexco wurde über künstliche Intelligenz ähnlich heiß diskutiert, wie über Programmatic vor rund fünf Jahren. Die Panels, Talks und Präsentationen haben gezeigt, dass sich die Branche von KI personalisiertes Marketing im großen Maßstab erhofft. Damit könnte KI endlich das Versprechen des frühen Internets einlösen. Die Marketing-Branche mag sich die neue Technologie bislang eher zögerlich aneignen. Der Wandel nimmt aber mit jedem Tag mehr Fahrt auf.