Fast alles ist heute „Premium“. Aber was steckt hinter dem Begriff?

Premium Publisher, Premium Partner, Premium Technology, Premium Networks – das Attribut ist in der AdTech-Welt allgegenwärtig geworden. Aber ist damit das Inventar gemeint oder doch nur der Preis? Eine Spurensuche.

Fast alles ist heute „Premium“. Aber was steckt hinter dem Begriff?

Derzeit lässt sich ein Trend beobachten, der noch nicht allzu viel Beachtung findet, aber definitiv auf die Agenda gehört: Es gibt scheinbar kaum noch AdTech-Anbieter, die kein Premium-Inventar im Programm haben. Die diesjährige Dmexco war da nur ein Beispiel. Vielleicht lag es an der exklusiven Auswahl der Veranstalter, dass sich die Spreu schon im Vorfeld der Dmexco vom Weizen getrennt hat und die Anbieter von „unseriösem” Inventar gar nicht erst dort auftraten. Vielleicht liegt es eher daran, dass wir derzeit eine branchenübergreifende Definition des Begriffs Premiumvermissen, weshalb eine ungerechtfertigte Verwendung meist ohne Konsequenzen bleibt und sich jeder freimütig mit dem Attribut schmücken darf.

Es ist also an der Zeit, dass wir mit dem Begriff richtig umgehen – nur so können wir verhindern, dass PremiumGefahr läuft,zu einer leeren Worthülse im Onlinemarketing zu werden. Gleichzeitig können wir auch nur dadurch das Vertrauen der Werbetreibenden stärken.

Die Debatte darüber, was wir unter Premiumverstehen, ist vermutlich so alt wie die Ansätze für eine Lösung des Problems vielfältig sind. Viele Aussteller haben Faktoren wie Audience, Format und die Effizienz der Auslieferung (Viewability, IVT, etc.) in den Premium-Mix geworfen und versuchen, im allgemeinen Stimmengewirr Gehör zu finden, indem sie ihren Premium-Preis damit begründen, die richtige Person auf dem richtigen Kanal mit der richtigen Message zu erreichen. Das hat Berechtigung, da diese Faktoren durchaus den Erfolg einer Kampagne beeinflussen. Allerdings verwässern sie auch die Konversation darüber, welche Eigenschaften ein Umfeld für Werbetreibende wertvoll macht, und welche Relevanz redaktionelle Inhalte für eben jenen Kampagnenerfolg haben können. Genau hier müssen wir als Branche ansetzen und Standards definieren.

Wir müssen uns fragen, welche Kriterien ein Medium erfüllen sollte, um als Premium - Umfeldzu gelten. Den höheren Preis, den Werbetreibende für die Platzierung ihrer Anzeigen in bestimmten Umfeldern zahlen müssen, rechtfertigen Publisher gemeinhin damit, dass diese Umfelder einen positiven Einfluss auf die werbende Marke haben. Meiner Meinung nach, müssen Umfelder, die sich mit dem Label Premiumschmücken wollen, einen messbaren positiven Einfluss auf die Wirksamkeit eines Werbemittels haben. Bei normalem Inventar dürfte dieser positive Effekt dementsprechend nicht nachweisbar sein. Letztlich sind es diese Effekte, die die Kaufneigung von potenziellen Kunden langfristig beeinflussen – sie sind der Grund dafür, warum es Brand Advertising überhaupt gibt.

Viele Studien beschäftigen sich mit der Wirkung von Premium-Umfeldern auf die Wahrnehmung von Werbeanzeigen und wie diese nachgewiesen werden können. Während die methodische Zuverlässigkeit der Studien stark variiert, kann man dennoch einige empirische Verallgemeinerungen an ihnen festmachen: Anzeigen, die in Premium-Umfeldern platziert werden, profitieren vom sogenannten „Halo”-Effekt: Die positive Wahrnehmung eines Mediums nimmt demnach vorteilhalft Einfluss darauf, wie die darin beworbene Marke wahrgenommen wird. Dieser Effekt wurde sowohl in Bezug auf traditionelle Brand-Metriken, als auch hinsichtlich von Assoziationen, Memory-Encoding und Browsing-Verhalten untersucht. Eine Grundproblematik dieser Studien ist dabei jedoch, dass die Forschenden für ihre Untersuchungen zwei zu vergleichende Quellen auf der Basis ihres eigenen Verständnisses von Premiumund Non-Premium ausgewählt haben. Entsprechend konnten die beobachteten Effekte nur schwierig den Faktoren zugeordnet werden, die sie ursprünglich ausgelöst haben.

Spielen wir diesen Zusammenhang an einem Beispiel durch: Ich möchte den Halo-Effekt an von mir definierten Premium-Webseiten im Vergleich zu Non-Premium-Webseiten belegen, etwa Zeit Online und Huffington Post. Ich messe und vergleiche die Effektivität meiner Anzeige in beiden Werbeumfeldern und stelle fest, dass die Platzierung bei Zeit Online in Bezug auf Brand-Metriken besser performt als ihr nicht-PremiumÄquivalent. Dadurch, dass ich Zeit Online im Vorfeld als Premiumdefiniert habe, werde ich nun schlussfolgern, dass Premium - Umfelder die Performance einer Anzeige verbessern. Allerdings ist nicht klar ersichtlich, welche Attribute der Seite zu diesem Brand Lift beigetragen haben. Wenn wir es schaffen, diese Attribute zu isolieren und branchenübergreifend zu definieren, wissen wir, was Premium ist.

Traditionell, glaubwürdig, verlässlich, journalistisch integer und qualitativ hochwertig sind nur einige von den Attributen, die einem spontan in den Sinn kommen, wenn wir über Premium-Medienreden. Dies sind allerdings nur Annahmen, und die bringen uns wie gesagt nicht weiter. An die Verwendung des Begriffs sollte eine klare Verantwortung geknüpft sein: Wenn Publisher und andere Akteure im Markt mit Premium werben wollen, sollten sie in der Lage sein, ihren Premium-Status empirisch zu belegen.

Die Diskussion, die um die Qualität von Online-Werbung geführt wird, ist lauter denn je. Die Premium-Frage muss stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir müssen uns der Herausforderung stellen und Standards entwickeln. Klare Richtlinien machen unseren Job schließlich ein gutes Stück einfacher.