In der Schwebe gefangen: Kunst und Leben in einer Welt dazwischen

Kunst reflektiert stets die Freuden und Ängste ihrer jeweiligen Zeit, und in diesem Monat lautet für uns die Frage: Welche Botschaft haben die Künstler der Jahrtausendwende für uns? Wir wissen, dass sie in einer politisch aufgeladenen und wirtschaftlich unsicheren Welt heranwachsen, und wie schon die Generationen vor ihnen wollen auch sie die Fehler ihrer Eltern und Großeltern vermeiden und die Welt verändern. Doch wie sollen diese Jahrtausendkinder in einer Zeit der schnelllebigen Politik und sich noch schneller entwickelnden Technologie ihre Spuren hinterlassen?


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Leben in der Schwebe

Gerade als die Jahrtausendkinder anfingen, dem Kindesalter zu entwachsen, erlitt die Wirtschaft einen historischen Einbruch, sodass das Erwachsenendasein dieser Generation bisher vor allem durch ein Gefühl der Unsicherheit geprägt gewesen ist. Die New York Times nannte sie deshalb einmal „eine Generation in der Schwebe“, die darauf wartet, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder stabilisieren. In England verschärfte sich das Gefühl der beruflichen und finanziellen Ungewissheit mit dem Brexit-Referendum im vergangenen Jahr, als die älteren Generationen die klare Neigung der Generation Y zur EU überstimmten.

Während sie darauf warten, dass sich ihre Berufsaussichten verbessern, lassen sich viele junge Menschen auf aussichtslose Stellen ein, leben länger bei ihren Eltern und brauchen deutlich mehr Zeit als frühere Generationen, um finanzielle Stabilität zu erlangen. Als die New York Times mit jungen College-Absolventen über die Situation sprach, berichtete Amy Klein darüber, wie ihre Harvard-Kommilitonen damit umgingen?. „Sie wollen sich vor allem ein eigenes Leben aufbauen, eines, das ihren persönlichen Interessen entspricht, statt einfach nur dem traditionellen Ideal von Erfolg und beruflicher Sicherheit nachzulaufen“, so Amy.

Für sie persönlich schlug sich dieser Wunsch darin nieder, dass sie zusammen mit einer Punkrock-Band auf Tour ging. Für andere bedeutet es, sich ehrenamtlich zu engagieren, um eine sinnvolle Tätigkeit für sich zu finden oder die eigenen künstlerischen Talente zu erkunden. Wir hoffen, dass dies ein Silberstreif am Horizont ist – dass diese Generation Y mit der Zeit und der Neigung, die eigene Kreativität zu kultivieren und eine eigene Stimme zu entwickeln, die Kunstwelt in spannende und überraschende neue Bahnen lenken wird.


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Reflexion eines gespaltenen Zeitgeists

Natürlich ist es nicht einfach, eine eigene Stimme zu entwickeln, und auch die Zeit, in der wir leben, ist kompliziert. Nehmen wir zum Beispiel Eric Yahnkers, dessen Kunst auf der Popkultur fußt und gezielt unbequeme Fragen zu Rassismus, Sexismus und Elitismus aufwirft. Eric sprach kürzlich mit Vice über seine Arbeit und wie schwer es für die Generationen X und Y ist, sich in einer politisch so aufgeladenen Zeit zurechtzufinden:

„Mein jüngstes Werk konzentriert sich auf den aktuellen neoprogressiven gesellschaftspolitischen Zeitgeist – genauer gesagt auf eine Gruppe vorwiegend weißer, gebildeter Angehöriger der Generationen X und Y der mittleren bis gehobenen Mittelschicht, die in einem Schwebezustand gefangen sind, wo sie sich für umfassende soziale Reformen und Gleichberechtigung einsetzen wollen, während sie verzweifelt versuchen, das Stigma ihrer eigenen empfundenen Privilegien und die Bindung an alte Verhaltensmuster zu überwinden. Es ist eine innere Verhandlung, die oft zu misslichen Ausprägungen von Überkompensation und ungewollter Ignoranz und Diskriminierung führt“, erklärt Eric.

In seiner Kunst setzt Yahnkers bekannte Popkultur-Ikonen in den Kontext aktueller politischer Debatten. So ist etwa seine Zeichnung „Purple Lives Matter“ ein Bild von Prince, auf einem Motorrad, in seinem lila Samtanzug und mit dem vertrauten geheimnisvollen Blick, um ihn herum aber sind Polizeibeamte, die ihre Waffen auf ihn richten.

Bei dieser Zeichnung fühlte ich mich in der Tat etwas unbehaglich“, so Eric gegenüber Vice. „Die Zeichnung behandelt klar das Paradigma von ‚Black Lives Matter‘ versus ‚All Lives Matter‘, das zu einem Symbol oder einer Art politischer Hundepfeife geworden ist, womit Gegner der Sache sowie offene und geheime Heuchler identifiziert werden sollen… Prince bietet den perfekten Lila-Ton, um die Botschaft fest in dem verworrenen Raum zwischen Macht und Unwissenheit zu verankern.“

Ist es unbequem, stell es auf den Kopf.

Zu den kreativen Trends, die wir derzeit beobachten, gehört die Weigerung der Generation Y, den Status quo unhinterfragt anzunehmen. Nehmen wir einfach die neue App Beme, mit der man kurze Videos aufnehmen und posten, diese aber nicht noch mal ansehen und bearbeiten kann, bevor sie online gehen. Die App ist Teil einer größeren Bewegung, die die übermäßig kuratierte Welt der sozialen Medien niederreißen? will. Beme-Entwickler Casey Neistat dazu: „Die Wahrheit ist viel interessanter als die Fiktion, an die wir so gewöhnt sind.“


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Aus einem ähnlichen Ansatz heraus hat Wanted Design kürzlich die Pop-up-Art-Installation DataCafé.biz geschaffen, um unser Verhältnis zu persönlichen Daten zu hinterfragen. Statt stillschweigend zu akzeptieren, dass Unternehmen Informationen über uns sammeln und verkaufen, hebt Data Café die Transaktion in Form einer Parodie auf eine Blutspende hervor. Dort erhalten die Nutzer im Austausch für ihre Daten Zugang zum Internet, einen Keks sowie einen nachdenklich stimmenden Aufkleber, auf dem steht: „Ich habe heute Daten gespendet.“

Ein Monat im Schwebezustand

Folgt uns diesen Monat auf dem Blog und seid so dabei, wenn wir noch mehr darüber erfahren, wie junge Gestalter sich selbst und einer ganzen Welt in der Schwebe Ausdruck verleihen. Wir werden sie fragen, wie sie mit den sich stetig verändernden Kreativ-Tools umgehen, wann sie neue Trends ausprobieren und sich für ihre jeweils eigenen Wege entscheiden. Besucht auf jeden Fall auch unsere Galerie kuratierter Stock-Inhalte in diesem Monat zu dem Thema gefangen in der Schwebe.