In-Car-Communication: Warum Autohersteller eine eigene Kundenschnittstelle brauchen

Bei der Verknüp­fung von Mobil­ität und Kom­mu­nika­tion denken wir heute sofort an das Smart­phone in der Hosen­tasche – doch eigentlich begann alles mit dem Auto. Und genau dort schließt sich aktuell wieder der Kreis, denn das Auto wird zu unserem größten Mobile Device. Darauf müssen sich die Auto­her­steller nicht nur ein­stellen, sie müssen daraufhin ihr Geschäftsmod­ell umkrempeln.

Die ersten „Mobil­tele­fone“ waren wed­er son­der­lich mobil noch han­dlich und schon gar nicht smart. Das frühe Autotele­fon war etwa 20 kg schw­er und musste in den Kof­fer­raum, wo es etwa 20 Liter Stau­raum für sich beanspruchte. Und heute kaum noch denkbar: Es kon­nte nur tele­fonieren! Erst mit Ein­führung der D- und E‑Netze Anfang der 1990er Jahre emanzip­ierte sich das Mobil­tele­fon vom Auto und wurde zum Handy. Wirk­lich smart wur­den die Mobil­tele­fone aber erst mit den Apps, die Apple mit dem iPhone ein­führte. Dieses neue Ökosys­tem beste­ht ger­ade mal seit 10 Jahren.

Apple und Google als neue Wettbewerber

Seit dem hat sich viel getan – nicht nur bei den Smart­phones. Die Dig­i­tal­isierung verän­dert auch unsere Mobil­ität ganz direkt. Autos sind heute schon vielfältig ver­net­zt und wer­den es in naher Zukun­ft noch mehr sein. Die Entwick­lung hin zu selb­st­fahren­den Autos gehört zusam­men mit alter­na­tiv­en Antrieb­ssys­te­men zu den größten Her­aus­forderun­gen für die tra­di­tion­sre­ichen Her­steller. Als wäre das nicht genug, wer­den sie noch von ein­er ganz anderen Seite angegriffen:

Apple und Google haben längst das große Poten­zial der Autos als Mobile Device erkan­nt und posi­tion­ieren sich entsprechend. Während sie ein­er­seits ihre dig­i­tal­en Ökosys­teme über Schnittstellen (Apple CarPlay und Android Auto) in die Fahrzeuge brin­gen, entwick­eln sie ander­seits Sys­teme für autonome Fahrzeuge. Etwas Zeit bleibt noch, denn ein­er­seits fehlen zum Teil noch die rechtlichen Grund­la­gen für autonome Fahrzeuge und ander­seits ist die gesellschaftliche Akzep­tanz noch nicht aus­re­ichend gesichert. Diese Zeit soll­ten die tra­di­tion­sre­ichen Her­steller drin­gend nutzen, wollen sie nicht wie Nokia enden.

Denn die OEMs der Autoin­dus­trie befind­en sich aktuell in der gle­ichen Sit­u­a­tion wie die Handy-Her­steller vor 20 Jahren. Die Entwick­lung beschle­u­nigt sich zuse­hends und läuft auf einen Zus­tand hin­aus, bei dem die Hard­ware nicht mehr entschei­dend für die Entschei­dung des Kun­den ist. Das Aut­o­fahren selb­st wird zur Neben­sache, wie das Tele­fonieren beim Smart­phone. Die Erwartung­shal­tung „Always Con­nect­ed“ überträgt sich zunehmend auf das Aut­o­fahren, da Assis­ten­zsys­teme schon heute in definierten Sit­u­a­tio­nen das Fahrzeug selb­st­ständig führen kön­nen. Damit bekommt die In-Car-Kom­mu­nika­tion eine strate­gis­che Bedeu­tung, denn sie bes­timmt in Zukun­ft den Mehrw­ert des Autos als dig­i­tales Gerät.

Warum Smart­phone-Schnittstellen nicht ausreichen

In neueren Fahrzeu­gen lassen sich Smart­phones meist recht ein­fach mit den inte­gri­erten Infor­ma­tions- und Unter­hal­tungssys­te­men kop­peln. Das entspricht dem Kun­den­wun­sch und spielt Apple und Google in die Karten, die mit Macht in das neue Ökosys­tem drän­gen. Dage­gen ist auch gar nichts einzuwen­den, doch die Auto­mo­bil­her­steller soll­ten es dabei nicht bewen­den lassen. Sie brauchen selb­st eben­falls einen direk­ten Kom­mu­nika­tions­draht zu ihren Kun­den. Nur so wird es ihnen langfristig gelin­gen, ein eigenes Ökosys­tem rund um dig­i­tale Ser­vices aufzubauen.

Smartphone and car

Dabei wird es wichtig sein, dass diese dig­i­tal­en Ange­bote einen Zusatznutzen für den Kun­den bieten, den ihnen Apple oder Google nicht geben kön­nen. Das kön­nte zum Beispiel der Hin­weis auf den fäl­li­gen Ölwech­sel sein. Den geben viele Fahrzeuge zwar heute schon, aber wirk­lich smart ist die War­nung „Ölwech­sel fäl­lig in 30 Tagen!“ nicht. An dieser Stelle müssen die Her­steller ihren inge­nieur­getriebe­nen Ansatz überdenken und in eine echte Kom­mu­nika­tion überführen: Denn smart und intel­li­gent wird eine Fahrzeug­mel­dung erst, wenn sie sich schnell und unkom­pliziert in einen Ser­viceter­min ver­wan­deln lässt. Dieses Szenario lässt sich auf alle wartungsrel­e­van­ten Mel­dun­gen anwenden.

In diesem Sinne sind noch viele weit­ere Ser­vices denkbar und sog­ar notwendig. Denken wir nur an die E‑Autos. Die Pla­nung von län­geren Fahrten mit mehreren Nach­lade­vorgän­gen ist heute noch sehr kom­plex und zeit­in­ten­siv. Mit einem smarten E‑Mobilitätsservice müsste man dage­gen lediglich das Ziel eingeben und die Nav­i­ga­tion sucht die opti­male Route samt passender Ladesäulen – so wie es Tes­la schon heute macht. Deren Ver­füg­barkeit wird eben­so sichergestellt, wie das Sys­tem die Bezahlung automa­tisch regelt. Und natür­lich wer­den per­sön­liche Vor­lieben in Bezug auf die eigene Verpfle­gung bei der Auswahl der Pausen berück­sichtigt. Je weit­er man sich aus sein­er lokalen Kom­fort­zone her­aus­beugt, umso wichtiger und nüt­zlich­er wer­den diese Services.

Zum eige­nen dig­i­tal­en Ökosys­tem gehört let­ztlich auch die Kun­den­bindung. Über die Kun­den­his­to­rie wird ein genaues Anforderung­spro­fil erstellt, damit dem Kun­den jed­erzeit pass­ge­naue Leis­tun­gen ange­boten wer­den kön­nen: Wann ist ein neuer Satz Som­mer­reifen fäl­lig? Wann ist der richtige Zeit­punkt für einen Rabatt auf eine Pre­mi­um-Wagen­wäsche bei der Waschan­lage auf dem Arbeitsweg? Oder wann kön­nte es Zeit für ein Mod­ell-Upgrade sein?

Wichtig ist in jedem Fall, dass die Kun­den einen Mehrw­ert in der direk­ten Kom­mu­nika­tion mit dem OEM erken­nen. Dann wer­den sie sich aktiv beteili­gen und den Ser­vice als Teil der Automarke begreifen.