Werbung gehört dorthin, wo die Action ist

Design-Innovationen scheinen noch immer in einer Art Paralleluniversum zur Werbewelt zu existieren. Besonders am unteren Ende des Marketingtrichters können raffinierte Kundenerlebnisse dabei den kommerziellen Erfolg fördern.

Werbung gehört dorthin, wo die Action ist

Digitale Innovationen und neue Technologien werden im Marketing häufig nur als Hingucker bei publikumswirksamen Kampagnen eingesetzt. Das mag daran liegen, dass zwischen Werbesektor und Designbranche meist Welten liegen. Aber gerade in Letzterer geht es darum, das digitale Erlebnis präzise anzupassen und etwas zu entwickeln, das für Kunden einen echten Mehrwert darstellt.

Dieser Graben zwischen Design und Werbung ist nicht mehr zeitgemäß, bedenkt man die aktuellen digitalen Möglichkeiten, mit denen die Zeitspanne von der Aufmerksamkeits-Generierung (durch Werbung) zur Conversion (im Einzelhandel) enorm verkürzt werden kann. Auf unseren Smartphones düsen wir den Marketing-Funnel von ganz oben in Windeseile bis ganz nach unten. Dennoch bleibt Werbung im AIDA-Modell (= Awareness, Interest, Desire, Action) darauf beschränkt, Aufmerksamkeit, Interesse und Wünsche zu wecken. Wo bleibt da die Action?

Es gibt im Grunde nur eine Handvoll Schnittstellen, über die wir tagtäglich interagieren. Das reicht von Arbeitsplatz- Tools wie Slack bis hin zu digitalen Assistenten wie Alexa oder Cortana. Und genau dort können Sie mit Werbung Aktionsimpulse setzen, die beim Kunden ins Schwarze treffen.

Die Vision von Cannes: Innovation in der Werbung

Angesichts sinkender TV-Einschaltquoten zielen Werbekonzepte verständlicherweise darauf ab, durch den digitalen Mediendschungel zu den Menschen durchzudringen. Die Nominierten beim diesjährigen Cannes Lion Festival of Creativity bewiesen mit ihren Konzepten, welche Wirkung Technologie am oberen Funnel-Ende haben kann. „Enter Sandbox“ von Audi etwa begeisterte das Publikum mit im Sandkasten entworfenen Rennstrecken, die dann per VR befahren werden konnten. Wie Audi machen sich inzwischen viele Unternehmen aufregende Technologien zunutze, damit ihre Videoinhalte stärker über Social Media geteilt werden.

Einer der wenigen Beiträge für Cannes, die Markenbewusstsein und Konversion unter einen Hut gebracht haben, war „Hungerithm“ von Snickers.

Die Markenkampagne trifft den Nagel auf den Kopf, weil sie die Funktion der Marke als kleinen Snack zwischendurch stärkt, und sie setzt als Umsatzmotor ganz unten im Marketingtrichter an. So weist sie strategisch den Weg und festigt gleichzeitig das Markenimage.

CX-Innovation ist „Branding“

Bei der erfolgreichen Snickers-Kampagne steht die Werbung im Vordergrund. Wie ein designorientiertes Konzept zu Innovationen bei Lieferung und Zahlung und damit zu mehr PR und einem höheren Markenwert führen kann, zeigen Amazon und Domino’s Pizza.

Mancher ist der Ansicht, dass emotionale Produkterlebnisse die Marke stärken und ihre Bekanntheit fördern. Laut Bobby Calder von der Kellogg School of Management stellen sich die besten Marken nach dem Aus der störenden Werbeunterbrechung nun die Frage: „Warum verlegen wir uns nicht vom bloßen Überzeugen und Überreden auf die Customer Experience?“

Domino’s Pizza hat sich für ein kundenorientiertes Design entschieden, um die Konsumentenherzen zu gewinnen, zum Beispiel durch die Einführung von Smart-TV-Bestellungen während großer Sportereignisse. Das Kundenerlebnis des Unternehmens baut auf fortlaufenden Innovationen auf und ist ein wichtiges Element der Markenkommunikation.

Ein Großteil der Kreativleistung von Domino’s Pizza geht auf das Konto der Werbeagentur Crispin Porter & Bogusky, so auch die nicht ganz so überzeugende Emoji-Bestellung, die allerdings in der Presse enorme Beachtung gefunden hat. Alex Bogusky ist berühmt für Ideen, die bei Kunden großen Anklang finden, überraschen und einen Werbeeffekt haben. Außerdem verweigerte er sich stets der klassischen Trennung von Branding und Einzelhandel. In seinen Agenturen gilt deshalb die Regel: Einzelhandel ist Branding.

Ist die Kluft zwischen digitaler Designinnovation und Werbung wirklich so groß? Vielleicht doch nicht.

Auf der Gelegenheitssuche im Internet

Glaubt man den Prognosen des Marktforschungsunternehmen comScore werden 2020 die Hälfte aller Internetsuchen per Voice erfolgen. Und auf Amazon nach „Waschpulver“ zu suchen, ist nicht das Gleiche wie nach „Persil“ zu suchen. Wie sollen sich Werbetreibende auf eine solche Zukunft vorbereiten?

Wir könnten diese Schnittstellen ganz einfach als neue Werbekanäle nutzen, anstatt sie als schleichende Killer des Markenwerts zu verteufeln. Marken, die an diesen Schnittstellen zukünftig mit raffinierten Erlebnissen unterhalten, informieren oder helfen, positionieren sich am richtigen Ende des Trichters und können den kommerziellen Erfolg beeinflussen.

Slack ist ein gutes Beispiel dafür: Slack-Nutzer schicken sich jeden Tag GIFs zum Thema Essen, um Kollegen mitzuteilen, dass bald Mittagspause ist. Die Werbung eines Fast-Food-Restaurants etwa wäre hier weitaus besser platziert als im abendlichen Fernsehprogramm.

Oder nehmen Sie Amazon Echo – dabei lassen wir Amazons digitale Assistentin Alexa die Musik passend zu unserer Laune auswählen. Wenn sich der Nutzer dann irgendwann inspirieren lassen möchte, abonniert er womöglich einem Musikstreaming-Dienst. Solche Angebote müssen aber einen Mehrwert darstellen und dürfen nicht einfach nur mit einer Werbebotschaft daherkommen. Wenn wir wirklich damit aufhören wollen, den Kunden nur zu überreden, um uns voll und ganz auf das Erlebnis zu konzentrieren, müssen wir unser Publikum zu allererst respektieren.

Institutionelle Hindernisse werden trotzdem bestehen bleiben, denn der Prozess, mit dem Werbe- und Marketingagenturen an der Kommunikation arbeiten, wurde im Zeitalter der Werbungunterbrechung entwickelt. Design- und Experience-Agenturen steht eher das Mikromanagement des Kundenerlebnisses im Mittelpunkt und weniger die im Marketing übliche Beeinflussung der Kunden.

Am unteren Ende des Marketingtrichters geht es letztlich natürlich doch darum, Verhalten zu beeinflussen.

Als Marketer sollten Sie untersuchen, wie Technologie diese Augenblicke, in denen das Verhalten beeinflussbar ist, ergänzen kann. Anschließend müssen Sie versuchen, die jeweiligen Bedürfnisse in diesen Momenten mit speziell entwickelten Erlebnissen und Kommunikationstrategien zu befriedigen.