Kulturwandel: Wie der Mittelstand von der Digitalisierung profitiert
Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse ist wichtig und birgt großes Wachstumspotenzial. Das muss auch der deutsche Mittelstand verstehen. Die gute Nachricht: Vor allem kleine Unternehmen haben in diesem Fall einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den großen Konzernen. Und viele von ihnen sind bereits auf dem richtigen Weg.
Das potenzielle Wachstum in den nächsten Jahren
Ein Dossier des Bundeswirtschaftsministeriums fasst die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung zusammen, gerade auch für den Mittelstand: Neue Produkte könnten schneller hergestellt, Kundenwünsche besser berücksichtigt sowie neue Geschäftsfelder und Services angeboten werden. Vor allem für kleinere Unternehmen biete das Internet „ganz neue Möglichkeiten der Teilhabe an Wertschöpfungsketten“ und verändere die Beziehungen zu Beschäftigten, Kunden und Lieferanten grundlegend.
Um die Chancen einmal in Zahlen zu fassen: 126 Milliarden Euro zusätzlicher Wertschöpfung sieht beispielsweise eine Studie von McKinsey durch die Digitalisierung im Mittelstand bis zum Jahr 2025. Im Branchenvergleich liegen demnach die größten Potenziale in der Informations- und Kommunikationstechnologie (17,2 Mrd. Euro), in der Metall- und Elektroindustrie (15,1 Mrd. Euro) und im Groß- und Außenhandel (14,4 Mrd. Euro).
Die Stimmungslage im Mittelstand
Laut dieser Studie sehen sich außerdem 61 Prozent der deutschen Mittelständler bereits gut vorbereitet auf die Digitalisierung. Wobei hier offenbar oftmals nur die reine IT-Sichtweise eingenommen wird. Übersehen wird hingegen gelegentlich das Potenzial, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Geschäftsarchitektur anzupassen und die Kultur im Unternehmen zu erneuern. Nur jedes zweite befragte Unternehmen sieht die Digitalisierung derzeit als Chance für sich.
Ein ähnliches Bild zeichnet eine Studie von Ernst & Young: Bei 57 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland spielen demnach digitale Technologien für das eigene Geschäftsmodell eine „mittelgroße“ bis „sehr große“ Rolle. Besonders groß ist ihre Bedeutung bei Finanz- und anderen Dienstleistern, deutlich geringer im Bausektor. Außerdem werden sie als wichtiger angesehen, je stärker das Unternehmen wächst und je größer es ist.
20 Prozent der befragten Unternehmen sehen in der Digitalisierung „eindeutig“ eine Chance und 51 Prozent „eher“ eine Chance. Vorteilhaft eingesetzt wird sie vor allem in Vertrieb und Einkauf.
Digital Customer Experience als wichtiger Hebel
Erfreulich ist ein weiteres Ergebnis der Studie von Ernst & Young: Digitale Technologien werden auch als Hebel für eine verbesserte Kundenbeziehung angesehen. 64 Prozent der Unternehmen sehen das so. Ein wichtiges Thema, dem sich IDG in einer eigenen Untersuchung gewidmet hat mit dem Ergebnis: Eine Mehrzahl erkennt die Bedeutung der Digital Customer Experience (DCX). Immerhin 52 Prozent aller befragten Unternehmen setzen die digitale Kundenbeziehung an die erste Stelle der Handlungsfelder im Rahmen der digitalen Transformation, heißt es dort. Bei großen Unternehmen sind es sogar 57 Prozent.
Das kann man nur begrüßen. Der Schlüssel ist es auch aus meiner Sicht, den Kunden bedingungslos in den Mittelpunkt zu stellen. Der Weg führt von „Produkten“ hin zu „Erlebnissen“.
Der Mittelstand hat die beste Ausgangsposition!
Die gute Nachricht für kleine und mittlere Unternehmen: Sie können den digitalen Wandel besser schaffen als Großkonzerne. Einige Gründe dafür: Sie sind mit ihren kürzeren Entscheidungswegen bereits dynamischer aufgestellt, sie können ihre Unternehmenskultur schneller ändern und auch der Wechsel auf Cloud-Dienste ist zum Beispiel weniger komplex. Zudem hat gerade der Mittelstand traditionell eine langfristige Sichtweise und eine gehörige Portion Pioniergeist. Auch sind viele Unternehmen stark mit ihrer Region verwurzelt und pflegen enge Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Für die Digitalisierung sind all das entscheidende Vorteile.
Vorteile wirken nur, wenn sie eingesetzt werden!
Der Mittelstand hat strukturelle Vorteile gegenüber den Großkonzernen. Bildlich gesprochen kann das kleine Schnellboot viel besser manövrieren als der schwerfällige Tanker. Damit diese Vorteile auch zu messbaren Ergebnissen führen, braucht es allerdings ein Verständnis dafür, wie wichtig der Wandel hin zu einer digitalen Organisation ist. Hindernisse wie eine konservative Unternehmenskultur, Silos und fehlender Austausch zwischen Abteilungen müssen gerade in flacheren, mittelständischen Hierarchiestrukturen erkannt und beseitigt werden. Ansonsten halten sie das Schnellboot festverankert am Liegeplatz und selbst der Tanker zieht vorbei.
Deshalb ist ganz entscheidend: Die Technologie selbst ist zwar essentiell, aber ohne einen organisatorischen und kulturellen Wandel wird sie ihr Potenzial nicht entfalten.