PSD2: Neuer Schub für die Banken-Digitalisierung

Am näch­sten Sam­stag ist es soweit: Am 13.1.2018 tritt die neue europäis­che Zahlungs­di­en­sterichtlin­ie PSD2 (Pay­ment Ser­vices Direc­tive) in Kraft. Sie hat zur Folge, dass Drit­tan­bi­eter – sofern der Kunde zus­timmt – automa­tisch auf dessen Kon­to­dat­en bei der Haus­bank zugreifen dür­fen. Dadurch ver­lieren klas­sis­che Geldin­sti­tute ihren wichtig­sten Wet­tbe­werb­svorteil gegenüber Fin­Techs, Pay­ment-Anbi­etern und anderen poten­ziellen Wet­tbe­wer­bern – näm­lich die exk­lu­sive Hoheit über das Girokon­to des Kunden.

Wer den Autokauf am PC online abschließt, kann kün­ftig im gle­ichen Moment auch den Finanzierungskred­it ohne Medi­en­bruch beim Insti­tut mit den besten Kon­di­tio­nen vere­in­baren. Oder bei der Woh­nungssuche über ein Online-Por­tal gle­ich die geforderte Bonität in Echtzeit nach­weisen kön­nen, ohne manuelle Eingaben und Ein­scan­nen von sen­si­blen Unterlagen.

Customer Experience gewinnt weiter an Bedeutung

PSD2 eröffnet so den Geldin­sti­tuten neue Möglichkeit­en für inno­v­a­tive Dien­ste. Sie ver­schärft aber auch den Wet­tbe­werb mit anderen Anbi­etern wie Ama­zon & Co. oder jun­gen, dynamis­chen Fin­Techs. Die neue Richtlin­ie zwingt deshalb jede klas­sis­che Bank dazu, sich durch indi­vidu­elle Kun­den­er­leb­nisse stärk­er von der Konkur­renz abzuset­zen. Und das macht das The­ma „Cus­tomer Expe­ri­ence“ in der Branche noch wichtiger als bisher.

Im Inter­view mit dem Bank-Blog hat Mike Plim­soll, Indus­try Mar­ket­ing Direc­tor bei Adobe, das näher erläutert: „Anders als der Einzel­han­del oder die Unter­hal­tungsin­dus­trie haben Finanz­di­en­stleit­er keine physis­chen Pro­duk­te. Ein Girokon­to ist etwas anderes als eine span­nende DVD oder ein neues Paar Schuhe“. Und er beschreibt die gestiege­nen Ansprüche: „Kun­den erwarten, dass dies ein­fach sowie zeit- und ort­sun­ab­hängig erfol­gen kann, so wie sie es von anderen Einkauf­ser­leb­nis­sen her gewohnt sind. Ein­er der strate­gis­chen Ansätze der Fin­Tech-Star­tups ist die Ori­en­tierung an der Cus­tomer Expe­ri­ence. Sie ver­suchen, dem Kun­den das zu geben, was er braucht und zwar ein­fach und flex­i­bel.“

Damit stelle sich für Banken und Sparkassen die Her­aus­forderung, die Beziehung zum Kun­den selb­st in den Mit­telpunkt des Erleb­niss­es zu stellen. Viele etablierten Insti­tute hät­ten inzwis­chen begrif­f­en, dass sie reagieren müssen, um den Kun­den nicht zu ver­lieren. Beson­ders wichtig sei es dabei, die kom­plette Cus­tomer Jour­ney eines Kun­den auf allen Kanälen zu begleit­en. Mit seinen „Fünf Tipps für ein opti­males Kun­den­er­leb­nis in der Finanzbranche“ zeigt Mike Plim­soll einen prak­tis­chen Weg zur Umsetzung.

Kunden nutzen verstärkt „fremde“ Finanz-Apps

Dabei sollte keine Zeit mehr ver­loren wer­den. Denn aktuell – so eine repräsen­ta­tive Umfrage der Wirtschaft­sprü­fungs- und Beratungs­ge­sellschaft PwC – ver­wen­den bere­its 24 Prozent aller 18- bis 29‑Jährigen in Deutsch­land min­destens eine Finanz-App, die nicht von ihrer eige­nen Bank kommt. Noch etwas höher ist die Quote dem­nach mit 25 Prozent bei den 30- bis 39‑Jährigen. Und sog­ar unter den 40- bis 49‑Jährigen sind es laut PwC „erstaunliche“ 21 Prozent. Über alle Alter­sklassen hin­weg nutzt inzwis­chen dem­nach jed­er sech­ste Bun­des­bürg­er min­destens eine „fremde“ Finanz-App. Zum Ver­gle­ich: Vor rund einem Jahr war es erst jed­er neunte.

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Was etablierte Banken alarmieren sollte: Laut der Studie set­zt die große Mehrheit der Kun­den die Finanz-Apps nicht etwa für Nis­chenser­vices wie zum Beispiel das soge­nan­nte „Social Trad­ing“ ein – son­dern für Kern­di­en­stleis­tun­gen des tra­di­tionellen Bankgeschäfts. Von den Befragten, die grund­sät­zlich Apps von Drit­tan­bi­etern ver­wen­den, haben 63 Prozent ein Tool, mit dem sie unter­wegs ihren Kon­to­stand abrufen kön­nen. Weit­ere 50 Prozent täti­gen Überweisun­gen, und immer­hin 29 Prozent nutzen eine App, die es ermöglicht, mit dem Smart­phone an der Kasse zu bezahlen.

PSD2 kann zum Wendepunkt in der Finanzbranche werden

PSD2 kön­nte damit zu einem Wen­depunkt wer­den, was die Art und Weise ange­ht, wie die Men­schen ihre per­sön­lichen Finanzgeschäfte abwick­eln – von der ein­fachen Überweisung über die Ver­wal­tung des Wert­pa­pierde­pots bis hin zu Zahlungs­di­en­stleis­tun­gen“, sagt PwC deshalb voraus. Wie schnell alter­na­tive Anbi­eter speziell im Zahlungsverkehr sich bere­its durchge­set­zt haben, zeige auch ein weit­eres Ergeb­nis der Umfrage: So nutzen mit­tler­weile 86 Prozent der Deutschen, wenn sie im Inter­net einkaufen, anstelle von EC-Karte, Kred­itkarte oder Rech­nungskauf eine Bezahl­meth­ode wie beispiel­sweise „Sofort“ oder „Pay­pal“. Und: 54 Prozent gaben sog­ar an, sie wür­den die neuen Dien­stleis­ter beim Online-Shop­ping „häu­fig“ beziehungsweise „immer“ nutzen.