Das neue Schlachtfeld der Finanzbranche: Customer Experience
Für die meisten Finanzdienstleister ist die Zeit der lebenslang treuen Stammkunden vorbei. Längst hat die Ära der Customer Experience (CX) begonnen. Eine von Econsultancy im Auftrag von Adobe durchgeführte Studie, zeigt aber auch: 40 % der befragten Banken und Versicherungen tun sich schwer, mit den sich ändernden Kundenerwartungen Schritt zu halten.
Gleichzeitig sehen 63 % der Branchenunternehmen ein überzeugendes Kundenerlebnis als oberste Priorität. Andere wesentliche Elemente einer Zukunftsstrategie werden im datengesteuerten Marketing sowie im geräte- und kanalübergreifenden Cross-Channel-Marketing gesehen.
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Zukunft der Finanzbranche liegt im Kundenerlebnis
Für die zunehmende Bedeutung der Customer Experience in der Finanzwirtschaft spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle. Absolut grundlegend ist zunächst der alltägliche Gebrauch des Mobiltelefons, vor allem beim Bezahlen oder auf Reisen. Mit dem Siegeszug der Smartphones stieg auch die Erwartungshaltung der Kunden an außergewöhnliche Online-und Mobil-Erlebnisse: Längst vergleichen sie die Qualität der gemachten Online-Erfahrung bei ihrer Bank oder Versicherung nicht mehr nur mit anderen Geldinstituten oder Assekuranzen, sondern sie schauen auch auf Anbieter aus anderen Branchen.
So spielt hierbei beispielsweise der Einsatz von Bezahlsystemen – etwa GiroPay, Sofortüberweisung.de oder PayPal – in den Apps des Einzelhandels eine wichtige Rolle. Über alle Altersklassen hinweg nutzt inzwischen jeder sechste Bundesbürger mindestens eine „Finanz-App von „branchenfremden“ Anbietern. Damit das Grundvertrauen in die Finanzwirtschaft nicht weiter erschüttert wird, sind einzigartige Kundenerlebnisse mittlerweile entscheidend geworden.
Mit einer überragenden Customer Experience – so die Erfahrung – können Finanzdienstleister sogar unzufriedene Kunden besänftigen und ihren potenziellen Wechsel zur Konkurrenz verhindern. Denn der Finanz- und Versicherungsmarkt ist heute alles andere als konkurrenzlos: Gleiche oder ähnliche Produkte können jederzeit von einem neuen Wettbewerber angeboten oder von anderen Anbietern unterboten werden. Die Anfang des Jahres in Kraft getretene neue europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 (Payment Services Directive) hat dafür den Rahmen geschaffen.
Um sich von der Konkurrenz abzuheben, sehen 35 % der von Econsultancy befragten Finanzdienstleister in der Customer Experience ihre beste Chance. Erschwert wird das Ganze jedoch dadurch, dass die Branche der allgemeinen Digitalisierung immer noch weit hinterherhinkt: Lediglich 9 % der Studienteilnehmer verstehen sich als „Digital First“ – der Durchschnitt aller Branchen liegt hier bei 11 %. Zum Vergleich: Medienunternehmen verstehen sich zu 22 % als „Digital First“, bei Technologieunternehmen sind es 19 %.
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Banken-Digitalisierung kommt nur langsam voran
Eine Studie der Unternehmensberatung Accenture, die europäische Banken und Versicherungen auf der Skala der „digitalen Readiness“ mit 2,35 von 4 bewertete, untermauert dies. Eine 4 wäre hier der Bestwert, „Digital Disruptors“ wie Google, Salesforce oder Uber erreichen auf der Skala 3,5. Die Consultants stellten außerdem fest, dass gerade einmal ein Drittel (37 %) der befragten Unternehmen ein Budget für ihre digitale Transformation festgelegt haben.
Das ist vor dem Hintergrund des wachsenden Konkurrenzdrucks durch junge, dynamische Fintechs, die vermehrt auf mobile Apps setzen und das Kundenerlebnis neu definieren, ein Spiel mit dem Feuer. Denn die Verbraucher schätzen solche Angebote zunehmend. Daten aus dem Nutzerkreis der Adobe Analytics Cloud, für die weltweit mehr als 150 Milliarden mobile Besuche und App-Nutzungen – einschließlich der Bank- und Investmentbranche – analysiert wurden, zeigen dies deutlich: Mehr denn je setzen die Kunden auf ihre mobilen Endgeräte beim Einkaufen oder zum Abwickeln von Geldgeschäften.
Einer Studie von Ernst & Young zu Folge sind 41 % der befragten Kunden von der neuen Online-Konkurrenz begeistert. Und während zwar der häufigste Grund für den Wechsel zu einer reinen Online-Bank deren günstigere Preisgestaltung ist, steht bereits an zweiter Stelle das bessere Online-Kundenerlebnis und die Funktionalität. Kein Wunder: Denn auch laut einer Bitkom-Studie haben Banken und Versicherungen bei ihren digitalen Kundenbeziehungen einiges nachzuholen.
Am Ende gewinnt vor allem der Kunde
Die neuen Herausforderer haben mit ihren personalisierten und mobil ausgelegten Kundenerlebnissen die bisherige, meist von Großbanken und Versicherungskonzernen dominierte, Finanzlandschaft bereits zum Teil wachgerüttelt. Viele traditionelle Unternehmen reagieren auf den Druck und übernehmen Best Practices von den FinTechs, gehen Partnerschaften mit ihnen ein oder kaufen die Konkurrenz samt ihrem Fachwissen direkt auf. Das Ziel dieses Vorgehens ist klar: die eigene Agilität und Digitalisierungsreife sollen erhöht werden.
Die Vorteile dieser Übernahmen gehen dabei über das optimierte Kundenerlebnis hinaus: Papierlose Ansätze und höhere Produktivität senken die Kosten deutlich, die höhere Kundenzufriedenheit stärkt den Markenwert und sichert das künftige Umsatzwachstum. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist nicht nur ein massives Umdenken im Banken- und Versicherungssektor, sondern sie erfolgt auch ganz im Sinne der Kunden. Denn ganz gleich, welcher Finanzdienstleister in diesem CX-Rennen die Konkurrenz abhängt – im Gegensatz zum Glückspiel gewinnen diese hier am Ende ganz bestimmt.