AI im Marketing: Die Revolution im Kundenerlebnis
„Revolutionär” ist vielleicht eines der Wörter im Marketing, das am meisten überbeansprucht wird. Was hat „Widget X“ oder „Service Y“ mit den weltverändernden Ereignissen zu tun, die im absolutistischen Frankreich oder im Russland der Zaren stattfanden? Und dennoch ist dieses Wort im Zusammenhang mit Artificial Intelligence (AI) im Marketing wahrscheinlich wirklich ein angemessenes Adjektiv. AI wird – wie die Revolutionen zuvor – einen kompletten Bruch bei Ideen, Führung und Ausrichtung bringen. Es wird alles umwandeln, was wir im Marketing bisher kennen (auch wenn wir hoffen, dass das ohne Guillotine und Gewehrfeuer vonstatten geht)!
So ist es also und deshalb stimmt auch die Aussage: AI wird das Marketing revolutionieren.
Die Entmystifizierung von AI
Auf einem technischen Level ist AI nicht gerade das Einfachste, womit man sich beschäftigen kann – es sei denn, man ist ein Computerwissenschaftler. Aber das ist eine andere Baustelle. Für Marketer geht es bei diesem Thema vor allem um AI-Anwendungen und um Machine Learning (ML). Hinter diesem Begriff verstecken sich Algorithmen, die so programmiert sind, dass sie von den gewonnenen Daten automatisch lernen können und sich so selbstständig optimieren. AI wiederum beziehen sich auf Anwendungen, die kognitive Fähigkeiten von Menschen nachahmen – beispielsweise Apps, die Bilder erkennen oder Bots, die „intelligent“ auf Kundenfragen antworten.
Der revolutionäre Teil kommt dann ins Spiel, wenn diese beiden Technologien kombiniert werden. ML ist dabei der große revolutionäre Denker: Das maschinelle Lernen kommt mit tiefergehenden Erkenntnissen und Echtzeit-Analysen daher und zudem noch mit einem Ansatz, wie sich ein AI-System immer mehr verbessern kann und so immer perfekter wird. ML speist die AI-Anwendung – quasi als der „Agent des Wandels“ – ob es sich dabei nun um einen Chatbot, einen virtuellen Assistenten oder einen programmatischen Algorithmus handelt.
AI-Anwendungen im Marketing
Über welche Formen des Wandels sprechen wir hier? Die Fähigkeit die schon länger diskutierte „Hyper-Personalisierung“ tatsächlich realisieren zu können, dürfte eine der spannendsten Perspektiven für die Veränderungen im Marketing zu sein. Denn die individuelle Ansprache jedes einzelnen Kunden ist nämlich der Schlüssel für seine dauerhafte Loyalität und ermöglicht es Marken, echte und langanhaltende Beziehungen zu ihren Kunden als einzelner Person aufzubauen.
Vor dem Durchbruch der AI war eine „echte“ Personalisierung nicht wirklich möglich. Vor allem auch wegen der Kosten. Denn es muss dabei eine Unmenge von Daten in Echtzeit durchgegangen werden und das kann das menschliche Hirn überhaupt nicht leisten. Genau hier zeigt die Künstliche Intelligenz, was sie wirklich kann. Da sie auf leistungsfähigen und schnellen Rechenfähigkeiten basiert, ist uns AI bei bestimmten Aufgaben einfach überlegen.
Unternehmen bauen deshalb AI-Systeme auf, die menschliche Gespräche nachahmen und so mit Kunden „arbeiten“ können, um deren Probleme lösen. Etwa um Beschwerden und Fragen zu sichten und dafür sehr personalisierte Empfehlungen anzubieten. Dabei geht es aber nicht darum, den Menschen komplett zu ersetzen. AI wird uns vielmehr dabei helfen, unsere Aufgaben im Marketing besser zu erledigen und vor allem langweilige Routinetätigkeiten übernehmen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Cogito. Diese Technologie analysiert in Echtzeit die Anrufe in einem Call Center und liefert so Erkenntnisse über die Stimmung und Wünsche der Kunden. Diese Informationen helfen den Mitarbeitern dann dabei, besser mit dem Anrufer zu interagieren. Es ist wirklich toll, auf dem Bildschirm ablesen zu können, wie sich die Kunden gerade fühlen. Das hilft dabei, dem Kunden den bestmöglichen Service zu geben. Es ist diese Art des Wandels, die es wert ist, „revolutionär“ genannt zu werden.
Widerspruch zwischen Möglichkeiten und Realität
Wo befinden wir uns aber heute mit der AI-Entwicklung? Auf diese Frage gibt es zwei Ansätze für die Antwort: Was ist möglich und was machen Unternehmen aktuell wirklich damit? Auf der Seite des Möglichen gab es einen großen Zuwachs an AI-Anwendungen. Hier bei Adobe beispielsweise haben wir mit dem AI-Experience-System „Sensei“ bereits einiges an Pionierarbeit geleistet. Denn damit können Marketingverantwortliche aus ihre Kundendaten Erkenntnisse gewinnen, die ansonsten mangels Kapazitäten unentdeckt bleiben würden.
Das System greift auf riesige Mengen von Content- und Daten-Assets zurück, um daraus einen umfangreichen Einblick in das Kundenverhalten zu gewinnen und kann auf dieser Basis eine sehr personalisierte Customer Experience liefern. Der Finanzdienstleister HSBC hat beispielsweise die Fähigkeiten von Sensei zur personalisierten Anordnung bei der Präsentation von Geldprodukten auf seiner Website getestet. Mit dem Ziel, zusätzliche Klicks dafür zu gewinnen, die auf den individuellen Kundenpräferenzen basieren. Im Test nutzte die Bank diese AI-Technologie zur Bewerbung eines Angebots, das auch sonst auf der Website gut funktioniert. Doch mit Hilfe der automatisierten Personalisierung mit AI-Hilfe konnte die Zahl der Besucher um 109 Prozent gesteigert werden.
Anderswo in der Marketingwelt spielt AI eine wichtige Rolle beim Wachstum der Anzahl von sprachfähigen persönlichen Assistenten. Nehmen wir z.B. den neuen AI-Finanzberater des RoboAdvisors Pefin, der auf der SXSW 2018 in Austin vorgestellt wurde. Dieser Chatbot ist so hochentwickelt, dass er Nutzern dabei helfen kann, sie automatisiert durch wesentliche finanzielle Entscheidungen zu steuern – von Hypothekendarlehen bis zur Altersvorsorge ist alles möglich. Das ist diese Art von höchst personalisiertem Kundenerlebnis, das bisher nur durch einen (sehr teuren) menschlichen Berater möglich ist. Und es unterstreicht die Macht der AI bei der Bereitstellung einer maßgeschneiderten Customer Experience.
Das ist also die Seite des Möglichen. Doch kommen wir zu dem, was gerade wirklich passiert. In welchem Ausmaß nutzen Unternehmen tatsächlich AI-Anwendungen? Die Antwort auf diese Frage ist sehr abhängig davon, wen man fragt. Laut einer Studie von Forrester können lediglich 11 Prozent der globalen Marken bisher als „AI-Experten“ angesehen werden, während mehr als die Hälfte in die Kategorien „Anfänger“ oder „Nachzügler“ fallen. Aber überrascht das wirklich? Die AI-Technologie ist noch immer recht neu und bei einem so großen Wandel ist es für die meisten Unternehmen wesentlich klüger, erst einmal genau zu prüfen, wie sie die neuen Möglichkeiten einsetzen können, um daraus den größten Wert zu schöpfen.
Vielleicht ist dies eine aufschlussreichere Statistik: 84 Prozent der Marketingabteilungen wollen AI und Machine Learning im Jahr 2018 erstmals implementieren oder ausbauen. Sie können also Gift darauf nehmen, dass es also nicht mehr allzu lange dauern wird, das viele Unternehmen bei der Einführung von AI hinterherhinken.
Was bedeutet das für die Unternehmen?
Manch einer mag sich noch an eine Debatte erinnern, die ein paar Jahre zurückliegt. Darin ging es darum, ob die Zeit der Kundenloyalität abgelaufen ist. Das Argument hierfür war, dass moderne Kunden zu viel Macht und zu viele Wahlmöglichkeiten haben. Dadurch werden sie wankelmütig und wechseln schneller die Marke.
Der wahre Nutzen von AI im Marketing ist aber, dass dieser Trend nun umgedreht wird und die Kundenloyalität so wieder zu einem realistischen Ziel wird. Die Künstliche Intelligenz macht es Marken möglich, ihre Kunden als Person genau zu kennen und so mit ihnen zu interagieren, wie es sonst vielleicht ein guter Freund tun würde, der über das dafür notwendige Wissen verfügt. Wenn das keine Loyalität hervorbringt, was denn sonst?
Wir stehen heute an einer wichtigen Kreuzung beim Einsatz von AI. Die konkreten Anwendungsfälle zeigen den Nutzen und die Vorteile dieser Technologie sind klar erkennbar. Viele Unternehmen müssen aber erst noch in den bereits angefahrenen AI-Zug einsteigen. Mein Ratschlag ist deshalb einfach: Jetzt handeln, damit Sie nicht abgehängt werden. Unternehmen, die als Erste das AI-gesteuerte Marketing meistern, werden einen signifikanten Wettbewerbsvorteil haben. Vive la Revolution! Lasst uns das Marketing erneuern!