Wie KI das Kundenerlebnis in der Modebranche verändert
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen ihr bevorzugtes Bekleidungsgeschäft, um ein neues Outfit zu kaufen. Aber anstatt mühsam in den Kleiderständern zu suchen, in der reduzierten Ware zu wühlen oder alle Preisschilder an den Schaufensterpuppen herumzudrehen, gehen sie einfach an einen Computer im Laden. Die Software dort erkennt Sie nach der Anmeldung und Sie können eingeben, was Sie kaufen wollen – z.B. ein neues „Sommeroutfit“.
Das Programm kombiniert dazu die Daten Ihrer vorherigen Einkäufe, die Informationen aus dem Warenwirtschaftssystem über die vorrätige Ware im Geschäft, orientiert sich an Ihrer vorgegebenen Preisspanne und berücksichtigt auch noch die Modetrends der aktuellen Saison. Ein Algorithmus stellt Ihnen dann daraus – optisch ansprechend präsentiert –verschiedene Outfits zusammen, aus denen Sie das Passende aussuchen und gleich anprobieren können. Mit einem minimalen Aufwand finden Sie mit Hilfe von Artificial Intelligence (AI) so die Kleidung, die perfekt zu Ihrem Geschmack und Ihren gegenwärtigen Bedürfnissen passt.
Rekordumsatz durch intelligenten Modeberater
Große Modehändler wie der chinesische Handelsgigant Alibaba beginnen momentan, genau solche Szenarien in die Realität umzusetzen. Für den in China am 11. November stattfindenden „Singles’ Day” stellte Alibaba im letzten Jahr in einigen Läden eine neue App namens „Fashion AI“ vor. Das System scannte mit Hilfe der Smartphone-Kamera die Kleidung, die von den Kunden mit in die Umkleidekabine genommen wurde, erkannte die Ware und glich sie mit dem vorhandenen Bestand im Geschäft ab.
Dazu kamen weitere Informationen, die mit Hilfe von Modeexperten und Designern gesammelt worden waren, um dem jeweiligen Kunden ergänzende Accessoires zu ihrem gewählten Outfit vorzuschlagen. Alibaba fuhr an diesem einzigen Tag einen Rekordumsatz von 25 Milliarden US-Dollar ein – sicher nicht nur wegen dem intelligenten Modeberater, aber bestimmt auch durch seine Unterstützung.
Conversational Commerce verändert den Einkauf
Einige Modemarken – wie etwa Louis Vuitton, Everlane, Burberry oder Nike – experimentieren auch mit Conversational Commerce. Statt sich am heimischen PC durch Bestell- und Bezahlvorgänge quälen zu müssen, können die Kunden dabei mit Chatbots oder Sprachassistenten bequem vom heimischen Sofa mit den Unternehmen chatten, Support erhalten, Fragen stellen, personalisierte Empfehlungen abrufen, Rezensionen lesen oder auch direkt bestellen und bezahlen – und das alles direkt in einer Messaging App oder mittels Sprachbefehlen über smarte Devices wie Amazon Echo. Auch hier sorgt AI für ein besseres Einkaufserlebnis.
Das Startup Stitch Fix aus San Francisco hat ein Curated Shopping-Geschäftsmodell, das in hohem Maß auf einen Mix aus Künstlicher Intelligenz und Stylisten setzt, um seinen Kunden passende Produktvorschläge zu präsentieren. Die KI stellt dem menschlichen Stylisten eine Fülle von Daten wie Größe, Ort, Körperform sowie Angaben zu Präferenzen des Kunden bei Stoffen, Farben und Mustern zur Verfügung. Sie ist aber auch selbst an der Auswahl von Produktvorschlägen beteiligt.
Und sowohl der Stylist als auch die Künstliche Intelligenz lernen anhand der Entscheidungen des Kunden immer besser auf ihn einzugehen. Eine Bestellung bei Stitch Fix beispielsweise geht heute erst durch 5 bis 10 Styling-Algorithmen, bevor sie überhaupt einen Berater aus Fleisch und Blut erreicht. Jeder dieser Algorithmen erfüllt einen bestimmten Zweck im Gesamtprozess: Vom Anpassen des Stylisten an den Kunden basierend auf dessen Stilpräferenzen, bis hin zur Festlegung, welches Warenlager die Bestellung am Ende zusammenstellt. Stitch Fix beschäftigt derzeit 85 Data Scientists, die den gesamten Prozess überwachen.
Auch im Lager optimiert KI die Abläufe
Was ist mit dem Back-End des Modegeschäfts? Verlässt man sich bei der Zusammenstellung der Ware ausschließlich auf manuelle Lager- und Suchmethoden, gibt es viele Fehlerquellen, die zur Verärgerung der Kunden führen können. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz lässt sich dagegen ein großer Warenbestand viel schneller, effizienter und gründlicher durchsuchen als von einem Menschen. Wenn Modeunternehmen die Möglichkeit zur Analyse der Kundendaten besser nutzen und so die Verbraucher besser verstehen, können sie auch den Lagerprozess besser organisieren und optimieren.
Im schnelllebigen Modegeschäft kommt es darauf an, aktuelle Modetrends besser zu erkennen und rasch darauf zu reagieren. Auch hier kann Künstliche Intelligenz dabei behilflich sein, den Geschmack der Verbraucher zu analysieren und schnell die beliebtesten Produkte im Sortiment herauszufinden. Mit diesen Informationen können die Designer dann Artikel kreieren, von denen sie wissen, dass sie den Käufern in dieser Saison höchstwahrscheinlich gefallen werden.
Künstliche Intelligenz im Modedesign
Eine Gruppe von Amazon-Forschern in Israel haben ein Maschinenlern-System entwickelt, das anhand von Fotos mit wenigen Stichworten beurteilen kann, ob ein abgebildeter Look modisch ist. Und ein Team im Amazon-Forschungszentrum Lab126 in San Francisco wiederum hat einen Algorithmus entwickelt, der anhand von Bildern unterschiedliche Modestile lernt und dann neue Kleidungsstücke im selben Stil entwerfen kann – im Grunde ist er ein einfacher KI-Modedesigner. Noch ist dieser Ansatz grob, aber er lässt bereits die Möglichkeiten erkennen.
Verwendet wird dafür ein hochmodernes Werkzeug namens Generative Adversarial Network, kurz GAN. Es besteht aus zwei tiefen neuronalen Netzen, die zusammenarbeiten, um aus Rohdaten effizient zu lernen. Die Eigenschaften eines bestimmten Stils ermittelt das GAN schlicht dadurch, dass es sich sehr viele Beispiele dafür ansieht – anschließend kann es diesen Stil auf andere Kleidungsstücke übertragen.
An einem ähnlichen Thema arbeitet Adobe zusammen mit Forschern der University of California in San Diego. Diese „modeorientierte KI” versetzt Computer in die Lage, aus dem Nichts realistisch wirkende Fotos oder Videos zu erzeugen und soll in Zukunft auf Basis des persönlichen Modestils einer Person und deren individuellen Präferenzen passende Vorschläge für das perfekte Outfit machen.
Überzeugendes Einkaufserlebnis im Laden
KI kann aber auch die Produktivität der Mitarbeiter im Laden erhöhen. Eine neue Technologie ist hier Theatro. Das Personal wird dabei mit Hörern ausgestattet, die an Sprachassistenten geknüpft sind. Dadurch wird nicht nur die Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Besucher verbessert, sondern auch eine reibungslose Rückkopplung mit Inventar- und POS-Software ermöglicht. Statt die Verfügbarkeit von Produkten im Lager eigenhändig zu überprüfen, können die Mitarbeiter durch den Einsatz dieser intelligenten Sprachassistenten viel Zeit einsparen und dem Kunden ihre volle Aufmerksamkeit für die persönliche Beratung schenken.
Vernetzte Einkaufserlebnisse mit Experience Driven Commerce
Um den komplexen Realitäten des Omnichannel-Einzelhandels gerecht zu werden, hat Adobe sein neues Experience Driven Commerce-Angebot gestartet: Mit ihm werden Modehändler in die Lage versetzt, ihren Kunden ein vernetztes Einkaufserlebnis über alle Kontaktpunkte hinweg zu verschaffen. Durch die nahtlose Abbildung aller wichtigen Prozesse über sämtliche digitale, physische und Back-End-Systeme hinweg erhalten die Händler die Möglichkeit, innovative Omnichannel-Erlebnisse zu schaffen und die Kunden in jeder Phase ihrer Shopping Journey kontextsensitiv anzusprechen, ohne dabei durch starre oder isolierte Systeme und Prozesse eingeschränkt zu werden.
Wir arbeiten aber in unseren Forschungslabors auch an einer aktuellen Entwicklung, die den Kunden-Traffic in einem stationären Shop live erfassen kann. Mit dieser Funktion erhalten Fashion‑Händler künftig die Möglichkeit, ihre Kunden direkt im Laden nach Loyalität, Datum des letzten Besuchs oder ihren individuellen Einkaufspräferenzen zu segmentieren und entsprechend maßgeschneiderte Push-In-Store-Angebote auszuspielen.
Dieses Projekt basiert auf Adobe Analytics zur Erfassung des Käuferverhaltens und Adobe Target zur Verbesserung der Personalisierung und Durchführung von Push-Angeboten. Datensätze von Drittanbietern aus Bestands‑, POS- und CRM-Daten lassen sich dabei mit dem Verhalten der Kunden im Laden matchen. Und wenn dann noch die Künstliche Intelligenz von Adobe Sensei dabei hilft, ohne großen Aufwand direkt ein personalisiertes Outfit-Angebot zu machen, ist das perfekte Einkaufserlebnis nicht mehr weit.