Hartmut König: 6 Dinge, über die Marketer sprechen

Hartmut König: 6 Dinge, über die Marketer sprechen

Hartmut König, CTO Central Europe von Adobe, ist durch seinen täglichen Kontakt mit Kunden nicht nur ein Experte für Customer Experience, sondern auch ein hochinteressanter Gesprächspartner, wenn es darum geht, aktuelle Trends zu beleuchten. Wir trafen König auf der DMEXCO 2018 und holten seine Meinung zu den meistgenannten Sprüchen und heißen Themen unter Marketern ein.

1. „Die zweite Welle der Digitalisierung“

**König:**In diesem Jahr gibt es viele Gespräche, die sich genauso anfühlen wie die Gespräche vom letzten und vorletzten Jahr. Daten und Künstliche Intelligenz haben sich als wichtige Themen etabliert. Aber was dann kommt, unterscheidet sich doch von dem bislang Gehörten: Die Marketer haben verstanden, dass Daten und KI wirklich coole Technologien sind. Jetzt fragen sie sich allerdings, wo sie damit anfangen sollen. Was bedeuten Daten und KI für sie und ihre Organisation?

Wir sind jetzt in der zweiten Welle der Digitalisierung. Die erste hieß noch „short fuse, big bang“. Bedeutet: Wenig Vorlauf, die Digitalisierung hat großen Impact. Ein Online-Retailer hat zum Beispiel gelernt, Online-Werbung effizient zu schalten und kann ein Business schnell aufbauen. Das ist inzwischen Geschichte.

Wer das heute nicht kann, hat in diesem Business keine Bedeutung mehr. Mittlerweile sind wir bei „long fuse, big bang“ angelangt. Jetzt kommen Leute und Unternehmen, die sich vor 2-3 Jahren noch nicht mit Digitalisierung beschäftigt haben und stellen Fragen, die wir vor 5 Jahren schon einmal beantwortet haben. Sie setzen teils auch schon Software ein, müssen aber noch erklärt bekommen, was sie zum Beispiel mit den Daten machen können.

2. „Künstliche Intelligenz wird erwachsen“

König: AI bekommt eine Maturity. Das ist total cool und funktioniert auch, aber es gibt zu wenige Experten für den Einsatz der Technologie. „Garbage in, gargabe out“ gilt auch für AI. Egal ob Sprachanwendungen oder Bilderkennung: Man muss AI auch mit guten Daten trainieren.

In vielen Fällen haben die Firmen aber keine geeigneten Daten – nicht nur von der Quantität, sondern auch von der Qualität. Dann wird es mit dem Einsatz von AI schwierig. Aufgrund unserer Design-Kunden haben wir bei Adobe mit Sensei eine sehr gut vortrainierte Software. Bei Adobe Stock taggen Fotografen und Illustratoren zum Beispiel ihre Bilder vernünftig, weil sie sonst nicht gefunden und nichts verkaufen würden. Diese Tags und diese Bilder trainieren dann die AI zu einer universellen Bilderkennung, die auch jedes andere Bild erkennen und mit Tags versehen kann.

Das machen andere genau so, zum Beispiel Google mit Capture, die mit Straßenschildern ihre AI trainieren, die den Autos dann das autonome Fahren beibringt. Wer aber glaubt, dass er einfach Daten sammeln, dann die KI darauf loslassen kann und ein Wunder geschehen wird, liegt falsch.

3. „Personalisierung ist ein kreatives Thema“

König: Personalisierung ist eigentlich – wenn man es richtig versteht – ein kreatives Thema. Es geht nicht darum, aus drei Bildern das Beste für die Zielgruppe und den besten Zeitpunkt zum Ausspielen herauszufinden, sondern eigentlich um gute Ideen. Was können wir ausprobieren? Wie können wir auch scheitern und daraus lernen? Wie arbeiten wir mit Kreativen zusammen? Können wir aus Daten lernen und den Kreativen sagen, welche ihrer Bilder und Videos welche Ergebnisse geliefert haben?

Wir sind ja am Ende keine freischaffenden Künstler, Kreativität dient hier eher als Funktionsbegriff. Die Kreativen in die Personalisierung mit einzubinden und mit Daten zu hinterlegen, ist zwar kein Thema, über das alle vordergründig sprechen, aber eines, auf das viele dann in der Praxis stoßen.

4. „Nutzerorientierung ist angekommen“

König: Ich hatte einmal die Gelegenheit, mit der Strategieabteilung eines Lebensmitteldiscounters zu sprechen. Die Experten dort haben klar analysiert: „Heute sind wir ein absolut produktzentrisches Unternehmen. Der Wandel zur Kundenorientierung fängt erst ganz langsam an.“ Und dieser Wandel ist extrem schwierig, gerade weil diese Unternehmen im deutschen Markt extrem erfolgreich sind und auch erfolgreiche internationale Expansion umsetzen. Jetzt endlich ist das Thema Customer Experience oder Nutzerzentrierung angekommen und es ist das Thema, das wir in Deutschland fast am meisten verschlafen haben.

„Industrie 4.0“ ist ein Begriff, der eine wichtige Digitalisierungskategorie ist. Aber jetzt kommt der nächste Schritt, nämlich was mache ich mit diesen ganzen IoT-Devices. Als sehr Ingenieurs-getriebenes Land kann ich Daten sammeln und zukünftig mit dem 5G-Netz Interaktionen ableiten und in die Hyperpersonalisierung hineingehen. Kundenzentrierung ist aber nicht allein Personalisierung und so wichtig ist gar nicht die Art von Personalisierung, die mir zum Beispiel das richtige Banner serviert. Kundenzentrierung ist auch „Respektierst Du meine Wünsche?“ oder „Guck mal, ich glaube, das passt zu Dir.“

5. „DSGVO braucht Transparenz“

König: Das Thema ist natürlich ganz klar relevant. Und es geht in erster Linie um Transparenz und Vertrauen. Wenn wir dem Kunden offen sagen, warum wir Daten sammeln und wie wir damit die Angebote auf der Website optimieren, dann sind die Kunden auch bereit, ihre Daten dafür zu geben.

Ein Beispiel: „Wir können Dir helfen, ein Restaurant zu finden, wir optimieren die Route unter der Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens, wir geben Dir relevantere Suchergebnisse und interessantere Inhalte.“ Da gibt es kaum jemanden, der dazu nein sagen würde. Wenn wir den „Consent“ ernst nehmen und transparent damit umgehen, dann ist das ein Wettbewerbsvorteil. Der andere Aspekt: Compliance ist gegenüber dem Gesetz nicht verhandelbar. Und das Gesetz ist dabei noch einigermaßen maßvoll.

6. „Plattform-Business als Marktplatz begreifen“

König: Wenn wir eine Plattform als Marktplatz begreifen und unseren Blick von der Online-Industrie lösen, dann sehen wir Plattformen wie Börsen, das Gas- und Stromnetz oder das Schienennetz. Solchen Plattformen ist gemeinsam, dass nicht die Marktteilnehmer mit dem Betreiber der Plattform konkurrieren, sondern untereinander.

Heute sehen wir aber auch Plattformen, bei denen der Betreiber auch Wettbewerber ist und gleichzeitig die Preise und die Kundenansprache bestimmt. Das Prinzip „The Winner takes it all“ ist okay – allerdings nur dann, wenn dort faire Spielregeln gelten. Denn keiner kennt die zweitgrößte Suchmaschine oder den zweitgrößten Marktplatz.

Das Plattform-Business ist sehr spannend. Leider haben wir in Deutschland echte Defizite, denn wir haben keine Online-Plattform erfolgreich etabliert. MyTaxi gab es zwei Jahre vor Uber, aber nicht das entsprechende Wagniskapital für die internationale Expansion. Das ist schade. Es gibt jetzt aber ein paar neue Initiativen im B2B-Bereich. Das sind zarte Pflänzchen und man darf gespannt sein, wie sie sich entwickeln.