Game Changer KI: Wie intelligente Algorithmen Unternehmen und Märkte verändern
Prof. Dr. Peter Gentsch beschäftigt sich seit den 1990er-Jahren mit Künstlicher Intelligenz in Theorie und Praxis und gilt damit als einer der KI-Pioniere in Deutschland. „KI ist wohl das Thema, dass am meisten über- und gleichzeitig unterschätzt wird“, sagt er zum Start seiner Abschluss-Keynote beim diesjährigen Adobe Symposium im Münchner Kesselhaus und belegt das mit sich widersprechenden Zitaten aus den letzten Jahrzehnten.
Erfolgreiche Beispiele fehlen in Deutschland noch
„Obwohl das größte Business-Potenzial von KI im Marketing liegt, ist hier die Anzahl erfolgreicher Unternehmensbeispiele in Deutschland noch recht gering“, konstatiert der Bestseller-Autor („Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service“) und nennt einige Einsatzfelder. So könne Künstliche Intelligenz beispielsweise in Kombination mit Big-Data-Ansätzen zu einer nachhaltigen Objektivierung und Verbesserung der Mediaplanung beitragen und diese mit Hilfe KI-basierter Attributionsmodelle in Echtzeit optimieren.
Auf Basis von Big-Data-Tracking lasse sich auch die Customer Journey eines Kunden über verschiedene Touchpoints wie Suche, Social Media und Anzeigen systematisch vermessen und ein optimaler Marketingmix festlegen. Zudem könnten dabei die verschiedensten externen Datenpunkte wie die aktuellen Kampagnen der Wettbewerber, Preise von Konkurrenzprodukten oder auch eher unkonventionelle Daten wie das Wetter mit einbezogen werden.
„Eine große Rolle wird KI aber auch im Content Marketing spielen, wenn es darum geht, Inhalte miteinander zu kombinieren und zu promoten“, so der Experte. Die Fähigkeiten Künstlicher Intelligenz gingen sogar so weit, dass sie Content automatisch auf verschiedenen Plattformen publizieren und distribuieren kann. In gut strukturierten Bereichen, wie etwa in der Finanzkommunikation, werde KI schon seit einigen Jahren eingesetzt, um beispielsweise automatisch Pressemitteilungen oder Finanzreporte zu erstellen. Auch für die Sportberichterstattung oder den Wetterbericht reicht die Kreativität der KI heute schon aus.
Conversational Marketing verändert die Kundenkommunikation
KI unterstütze in Marketing und Vertrieb bei der automatischen Identifizierung, Profilierung und Priorisierung relevanter Zielgruppen. Prof. Dr. Gentsch verweist hier auf das Beispiel der KI-Anwendung „Facebook Custom Audience“ in dem sozialen Netzwerk, bei der auf Basis von bestehenden Kundendaten automatisch Werbung für neue passende Zielgruppen ausgespielt werden kann.
Auch der Einsatz von Chatbots, von denen der Experte einige vorstellt, zählt zu den zentralen KI-Anwendungen im Marketing. Unter dem Stichwort „Conversational Marketing“ verändere sich durch Chats, Messaging-Dienste, intelligente Sprachsteuerung und Bots die Kundenkommunikation radikal. „Sie können die gesamte Customer Journey optimieren und das Brand-Engagement erhöhen“, ist der Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Betriebswirtschaftslehre an der HTW Aalen mit den Schwerpunkten Digitale Transformation und Data Science überzeugt. Allerdings sollte es hier nicht um Automatisierung und Realtime-Messaging um jeden Preis gehen – vielmehr müsse systematisch geprüft werden, welche Touchpoints der Customer Journey unter den Aspekten Kosten-Nutzen und Brand Fit wie und wann automatisiert und durch eine Personalisierung mit Hilfe von KI-/Messaging-/Bot-Technologien unterstützt werden sollen.
Viel mutiger KI-Anwendungen einfach ausprobieren
Heute – so Prof. Dr. Peter Gentsch – gebe es eine neue KI-Generation dank ganz anderer Datenmengen, die zur Verfügung stehen. Gleichzeitig habe aber auch die Notwendigkeit für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz angesichts der steigenden Komplexität der Customer Journey deutlich zugenommen. Trotzdem – so sein Appell – werde noch immer viel zu viel über das Thema geredet und zu wenig praktisch getan. Aber wie kann man in Deutschland hier vorankommen? Ein Patentrezept hat auch der KI-Pionier nicht, nur ein paar Hinweise an die Unternehmen. Sie sollten eine klare Vision zum Thema KI entwickeln, eine Datenstrategie festlegen, Daten-Allianzen schließen, ihre Mitarbeiter trainieren und Skills aufbauen und schließlich „viel mutiger KI-Anwendungen einfach ausprobieren“.