Digital Rebranding: KI als neues Markenversprechen

Europas Unternehmen stehen in den KI-Startlöchern. Die Umfrage „Context is Everything“ von Adobe zeigt, dass europäische Top-Entscheider im Marketing die Brisanz von KI für ihr Geschäft verstanden haben und Schritte zur Implementierung vorantreiben. Doch die KI-Zeitenwende im Marketing dürfte noch weitaus gravierender ausfallen, als der aktuelle Meinungsspiegel andeutet.

Digital Rebranding: KI als neues Markenversprechen

Europas Unternehmen stehen in den KI-Startlöchern. Die Umfrage „Context is Everything“ von Adobe zeigt, dass europäische Top-Entscheider im Marketing die Brisanz von KI für ihr Geschäft verstanden haben und Schritte zur Implementierung vorantreiben. Doch die KI-Zeitenwende im Marketing dürfte noch weitaus gravierender ausfallen, als der aktuelle Meinungsspiegel andeutet.

KI auf dem Weg in den Marketing-Mainstream

Künstliche Intelligenz kann potenziell alle Stationen einer Customer Journey oder der Wertschöpfungskette eines Unternehmens optimieren: Von der automatisierten Datenerfassung über beeindruckende Response-Zeiten im Kundenservice oder einem optimalen Ressourcenmanagement im Unternehmen bis hin zur Verwandlung wild wuchernder Datensilos in Erkenntnisschätze über Kundenverhalten und Marketingperformance – so die Theorie zur schönen neuen künstlich intelligenten Datenwelt.

Adobe hat jetzt mit der Umfrage „Context is Everything“ unter 600 europäischen Top-Entscheidern einen Realitätstest zum Status Quo von Künstlicher Intelligenz vorgelegt. KI wird laut Studie in den kommenden zwei Jahren zum Mainstream im Marketing werden – doch nur wenige Unternehmen planen derzeit über die KI-Optimierung des operativen Marketing-Tagesgeschäfts hinaus:

Die meisten KI-Anwendungen, die bereits eingesetzt oder gerade implementiert werden, konzentrieren sich laut Studie auf die datengestützte Optimierung von Ad Kampagnen (35%) und auf personalisierte Empfehlungsangebote (32%). Zweifellos werden optimierte Produktempfehlungen, passgenaueres Targeting, Chatbots oder andere kontextbezogene KI-Anwendungen das Kundenerlebnis im Shop, am Touchpoint oder im eigenen Social Media Stream für den Kunden effektiver und angenehmer gestalten – aber sie bleiben Werbemaßnahmen bzw. Ergänzungen des klassischen Online-Kaufs und damit einzelne Mosaiksteinchen im großen Gesamtzusammenhang des Kunden-Markenverhältnisses. Das KI viel mehr kann als das beweist unter anderem die kostenlose Adobe Masterclass-Serie „AI in Action“.

Die nächste Dimension: Von der KI-Anwendung zur Branchenveränderung

Bereiche wie verbesserte Analytik der vorhandenen Daten, Cross Sale Möglichkeiten oder die Optimierung kompletter Marketing-Kampagnen sind derzeit noch weniger im Fokus der Marketing-Vordenker im Unternehmen. Doch gerade diese systemischen Anwendungsfelder eröffnen das eigentliche Potenzial von KI, nämlich den Blick über nahezu jeden unternehmerischen Tellerrand in einen Kosmos an Gestaltungsmöglichkeiten für die Customer Experience der Zukunft, beispielsweise:

KI ist für ein Unternehmen ein Lernprozess auf allen Ebenen und in allen Bereichen – und wir haben gerade erst den Rookie-Level erreicht. Die geballte Wucht der Veränderung steht uns erst noch bevor und sie findet nicht auf der Ebene von Ads und Media statt, sondern auf der Ebene der systematischen Optimierung und Integration fast aller Themen und Bereiche – im Marketing und im Unternehmen. KI auf die unmittelbare Schnittstelle zum Kunden zu reduzieren (wie es derzeit zumindest in einigen Unternehmen noch praktiziert wird) ist ähnlich weitsichtig, als würde man Elektro-Autos einführen, aber die Infrastruktur der Benzintankstellen beibehalten wollen.

KI als USP: Das neue, intelligente Markenverständnis

Ein Aspekt, der in den Diskussionen zu KI und Customer Experience gerne unterbelichtet wird, ist der Kunde selbst. Der „Customer“ der Zukunft (oder schon der digitalen Gegenwart) hat selbst eine andere Erwartung an sein Markenerlebnis oder seinen Kontakt mit einem Anbieter weil er zum einen häufig über mehr eigene Künstliche Intelligenz in seinem Smartphone oder seinem hochgerüsteten Browser verfügt als viele große Unternehmen in den Anfängen von KI. Zum anderen schaffen immer neue, digitale Erfahrungen Erwartungshaltungen beim Kunden gegenüber Anbietern und Branchen. Disqualifiziert sich ein Anbieter durch mangelhafte Customer Experience, findet ein digital souveräner Kunde KI- oder empfehlungsbasiert Alternativen.

In Facebook-Vokabeln ausgedrückt steht der Beziehungsstatus vieler Marken zu ihren Kunden heute noch auf „es ist kompliziert“ – in Zukunft wird er sein: „in einer Beziehung mit – dir“.

Ein Beispiel: Das Markenerlebnis bzw. die Customer Experience eines Shop-Kunden zerfällt heute noch häufig in mehrere Aggregatszustände, je nachdem, an welcher Schnittstelle er Kontakt sucht: Die beste digitale Kundenzufriedenheit und das optimale Targeting kann schnell durch einen Kontakt mit dem Kundenservice nach stundenlanger Internierung in der telefonischen Wartschleife zu Nichte gemacht werden. Systematisches, KI-basiertes Datenmanagement ermöglicht es jedem digitalen oder analogen menschlichen oder maschinellen Ansprechpartner, bereits vor dem Gespräch die Kundenhistorie abzurufen, Motivationen oder Frustpotenziale zu erkennen und aus der Reaktion auf Fragen oder Probleme ein aktives Lösungsangebot zu machen. Mit ausgereiften Predictive Analytics wäre es sogar möglich, selbst den proaktiven Kontakt zu einem unzufriedenen Nutzer oder einem Kunden herzustellen, dessen Bedürfnisse aktuell nicht angemessen adressiert werden.

KI kann aus der „Customer bzw. Brand Experience“ eine Begegnung, eine Art „Date mit der Marke“ machen, die dank der analytischen Fundierung für den Kunden eben nicht technisch wirkt. Kein Mensch wird gerne als „Customer“ „retargeted“. Die Kunst der nächsten KI-Generation im Marketing wird nicht der auffällige Chatbot oder die wohldosierte Ad-Kampagne im digitalen Blickfeld eines Kunden sein, sondern eine möglichst natürliche Beziehung mit wenigen technischen Reibungspunkten, ohne Werbe-Stalking, dafür mit mehr Attributen, die ein Kunde auch in einer menschlichen Begegnung suchen würde: Empathie, Angemessenheit oder Vertrauen zum Beispiel.

Die Personalisierung, die heute laut Adobe-Studie fast 90% aller befragten Entscheider als entscheidenden Innovationssprung durch KI sehen, wird im Grunde genommen auf beiden Seiten stattfinden, weil nicht nur der Nutzer ein auf ihn intelligent abgestimmtes Angebot vorfindet, sondern einer Marke begegnet, die eine Customer Experience zu einem persönlichen Erlebnis mit einer Markenpersönlichkeit macht.

Dieses neue Kundenerlebnis kann von Unternehmen und Marken zum neuen, KI-basierten Markenversprechen werden.