Visual Trend Berührung und Haptik – Wiederentdeckung unseres vergessenen Sinns

Habt ihr heute schon auf einen Bildschirm gestarrt? Da seid ihr nicht allein. Tatsächlich schaut ihr gerade auf einen Bildschirm, während ihr hier lest und wir sind wahrscheinlich alle von Interfaces und glänzenden High-Tech-Geräten umgeben. Um die zu nutzen, verzichten wir oft auf Interaktionen mit der realen Welt – und verlieren so den Bezug zu Berührungen. Wir verlieren den Bezug zu den Strukturen, der Wärme und der Unvollkommenheit, jenen Dingen, die sich aus der Beschäftigung mit der realen Welt ergeben – Kunsthandwerk, Textilien, Baustoffen und auch untereinander.

Aus dieser mangelnden Haptik ergibt sich unser letzter Visual Trend 2018 – ein Schritt hin zu Berührungen. Wir sehen es überall, von Architektur über Mode bis hin zu Popkultur und Adobe Stock. Und jetzt, da die Weihnachtszeit vor der Tür steht, werden wir wahrscheinlich noch mehr Wert auf Berührungen und Verbindungen in der realen, chaotischen, physischen Welt legen.


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Haptik als Erlebnis

Menschen erschaffen alle Arten von Erfahrungen, um unser Bedürfnis nach Berührung zu befriedigen. Zum Beispiel organisiert The Thread Caravan Reisen für all jene, die mehr über den Prozess des traditionellen Handwerks erfahren wollen. Sie arbeiten mit lokalen Handwerkern zusammen und knüpfen eine menschliche Verbindung durch Berührung, Textur und gemeinsamer Liebe zum Handwerk.


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Als Heatherwick Studio beauftragt wurde, eine ideale Lernumgebung für Singapurs Nanyang Learning Hub zu entwerfen, konzentrierte sich das Team auf Berührung und Unvollkommenheit statt auf schlankes, makelloses Design. Sie ließen handgefertigte Zeichnungen anfertigen und verwendeten sie anschließend, um erhabene Texturen an den Betonwänden des Gebäudes zu schaffen, die dem Inneren das Aussehen und die Haptik von handgefertigtem Ton verleihen.

Immer auf der Höhe der Trends, arbeitet natürlich auch die Modewelt daran, unsere Sehnsucht nach Haptik zu erfüllen. Die Trends des Frühjahrs/Sommers 2019 sind voll von Strukturen, von Federn und opulenten Oberflächen über Rüschen und von Ozeanen inspirierte Schuppen und Netzen. (Mehr darüber, wie Mode in aktuelle Designtrends passt, erfahrt ihr auch in unserem Bericht über Frühlingsfarben.)

Der Aufstieg der Handwerker

Während sich die Erfahrungen, Orte und Kleidungsstücke, in die wir uns hüllen, in Richtung Struktur bewegen, umklammern wir auch alles Selbstgemachte und Handwerkliche, sowie unsere Verbindungen zu ihren Machern. So nutzen wir Etsy, um eine unglaubliche Auswahl an handgefertigten Produkten zu durchstöbern und kontaktieren die Künstler, um mehr über die Prozesse zu erfahren und unsere persönlichen Wünsche zu äußern. Die Website umfasst beinahe 2 Millionen aktive Verkäufer und die Umsätze wachsen.

Wir schauen uns sogar gerne gegenseitig beim Arbeiten zu. Als NBC diesen Sommer den Handwerker-Wettbewerb Making It ausstrahlte, verfolgten 6,3 Mio. Menschen die Premiere im Fernsehen. Die Teilnehmer der Show verwenden Materialien wie Papier, Filz, Holz und Ton, um Projekte zu kreieren, die äußerst sentimental und haptisch sind. Die Show scheint einen Nerv getroffen zu haben – eine zweite Staffel wurde bereits beschlossen.


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Der handwerkliche, rundum berührungsempfindliche Trend ist in der Form von Schleim sogar schon in der Küche angekommen. Dieser hausgemachte, formbare, dehnbare Hit schlug so stark ein, dass den Handwerksläden der wichtigste Bestandteil ausgegangen ist – der Klebstoff (Es empfiehlt sich, ihn online zu bestellen).

Fans des Schleims geben sich nicht nur mit der klebrigen Struktur zufrieden, sondern fügen auch Glitzer, Perlen und Schmuckstücke hinzu, um die haptische Vielfalt zu erhöhen. Der Trend hat unzählige YouTube-Tutorials und Millionen von #slime Instagram-Posts hervorgebracht. Und der Schleim kann euch sogar physisch beeinflussen, auch wenn ihr ihn nie berührt habt – Videos von leisem Quietschen des Schleims jagen euch einen Schauer über den Rücken.

Die Technik lernt, zu berühren

Auch wenn es unsere Verbundenheit mit Bildschirmen und Gadgets ist, die in uns die Sehnsucht nach einer haptischen Welt aufkommen lässt, bedeutet das nicht, dass sich die Technik nicht anpassen kann. Wir sehen immer mehr Hightech-Strukturen und -Interfaces, die sich wärmer, menschlicher, weniger perfekt anfühlen, weshalb wir sie eher berühren wollen.


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So gibt es beispielsweise bereits mindestens zwei technisch ausgereifte Jeansjacken. Die niederländische Modedesignerin Pauline van Dongen entwarf ein kokonähnliches Kleidungsstück, das auf Berührung reagiert und dem Träger dadurch sanft den Rücken massiert. Levi’s und Google wiederum haben gemeinsam eine Jacke entwickelt, deren berührungsempfindliches Gewebe es euch ermöglicht, euer Smartphone unterwegs freihändig zu bedienen.

Außerdem integrieren Tech-Designer handwerklichen Charme und absichtliche Unvollkommenheit in die moderne Technik, um deren Reiz für die Käufer zu erhöhen, indem ästhetische, runde Formen und gedämpfte Farben mit der bisherigen kalten Sterilität der Technik brechen. Diesem Trend folgend brachte Google die Pixel Buds auf den Markt – kieselähnliche Kopfhörer mit Textilkabeln. Und die Eneby Bluetooth-Lautsprecher von Ikea sind mit einem strukturierten Gewebe aus weichen, verschiedenen Grautönen überzogen.

Dem gegenüber steht die Zero-UI-Bewegung, die auf natürliche Interaktionen mit der Technologie abzielt, sodass wir unsere Geräte weniger berühren, sondern auf wärmere, natürlichere Weise mit ihnen interagieren. Bereits heute könnt ihr diese Erfahrung machen, wenn ihr mit einem persönlichen digitalen Assistenten wie Amazon Alexa, Google Home oder Siri gesprochen habt. In kleinen Schritten werden diese Technologien noch menschlicher – Amazon lehrte Alexa, zu lachen und Witze zu erzählen, und Apple hat ein Patent für eine Technologie angemeldet, die es Siri erlaubt, zurück zu flüstern, wenn ihr leise mit ihr sprecht.

Bilder, die man fühlen kann

Wenn es um die visuelle Kunst geht, erleben wir den Trend hin zu Berührung und Haptik in zweierlei Hinsicht. Erstens sind das Bilder, die kräftige, vertraute Strukturen in den Vordergrund stellen (zum Beispiel kaltes Wasser, trockenes Gras, nasses Haar), mit besonderem Fokus auf ausgestreckte Hände oder ganze Körper, die diese berühren. Zweitens sehen wir vermehrt Bilder von sanften, menschlichen Berührungen – Umarmungen, Küsse, verschlungene Finger. Sie alle gehen auf unsere Bedürfnisse ein: Berührungen und die Wärme und Komplexität der persönlichen Beziehungen untereinander.


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Der Nutzen für Designer und Marken

Unsere Gehirn und Körper sind hervorragend auf eine haptische Welt eingestellt, aber die meisten von uns haben sich selbst nicht annähernd genug davon gegönnt. Das Bedürfnis der Verbraucher nach mehr Struktur und Verbundenheit stellt für Designer und Marken eine große Chance dar. Es ist der perfekte Moment, um herrlich berührbare und wunderbar unvollkommene Oberflächen, Strukturen und Handwerkskunst zusammen mit echten Momenten menschlicher Verbundenheit zu verwirklichen. Diese Eindrücke erfreuen und verwöhnen nicht nur unseren am meisten vernachlässigten Sinn, sie erinnern uns auch daran, wieder in Berührung zu kommen.

Schaut euch hier unsere #VisualTrend Galerie „Berührung und Haptik“ an und folgt uns im November und Dezember, wenn auch zu diesem Trend mit Kreativen sprechen und einen von ihnen zum #VisualTrendsRemix herausfordern.