Warum Voice tiefer geht

Marken entdecken das Potenzial von Voice-first Anwendungen, wie zum Beispiel den echten, natürlichen Dialog mit Kunden. Doch worauf kommt es bei User Experience und Branding bei Smart Speakern & Co an? Wir sprechen mit Bret Kinsella von Voicebot.AI.

Warum Voice tiefer geht

Sobald Marken ihre Angebot für Voice optimiert haben, ist die heute übliche Experience aus Touch, Tippen und Wischgesten Geschichte. Dank Voice-Technologie kommen Marken ihren Kunden noch näher und können so langfristig persönlichere Beziehungen zu ihnen aufbauen.

„Voice spricht einen neuen Sinn an,“ erklärt Bret Kinsella, Herausgeber und Verleger von Voicebot.AI, einer Website rund um Voice-Technologie. „Persönliche, zwischenmenschliche Gespräche waren schon immer der beste Weg, Menschen kennenzulernen. Mit Voice können Marken persönliche Kommunikation in einem größeren Umfang als je zuvor für sich nutzen.“

In diesem exklusiven Interview mit CMO.com verrät Kinsella seine Einschätzungen zum aktuellen und zukünftigen Stand der Voice-Technologie und die Auswirkungen auf Marken mit.

CMO.com: Warum glauben Sie, dass Voice die am schnellsten adaptierte Technologie in der Geschichte sein wird - sogar schneller als Mobile?

Kinsella: Sprache ist die frühste und wichtigste Art der Kommunikation. Sie ist für uns völlig natürlich. Sprachassistenten sind der erste Anlauf, dies in Technologie zu übersetzen und sich an unsere primäre Kommunikationsmethode anzupassen. Jeder kann mit einem dieser Geräte sprechen und sofort Informationen bekommen.

Smart Speaker waren ein sehr wichtiger Evolutionsschritt auf dem Weg zur Etablierung von Sprachassistenten. Wir haben beobachtet, dass Nutzer von Smart Speakern auch auf ihren Smartphones häufiger Sprachassistenten verwenden. Sie haben mehr über die Funktionalität und den Nutzen von Voice gelernt und wissen die reibungslose User Experience (UX) im Vergleich zu bildschirmbasierten UX zu schätzen.

Schließlich hat die Einführung der ambienten Fernfeld-Spracherkennung [Klangerkennung aus der Ferne] eine ganze Reihe neuer Einsatzmöglichkeiten und Innovationen eröffnet, ob in den eigenen vier Wänden, im Büro, im Auto oder im öffentlichen Raum.

CMO.com: In der Keynote auf der Alexa-Konferenz 2019 haben Sie die Voice-Technologie in zwei Phasen unterteilt. Können Sie diese beschreiben?

Kinsella: Die Voice-First-Ära begann 2014. Noch vor wenigen Jahren gab es weltweit weniger als 100 Millionen Geräte mit Sprachassistenten. Im Herbst 2018 waren es bereits über eine Milliarde. In Phase eins des Wachstums ging es also um die Einführung der Technologie, um den Aufbau von Reichweite, Zugriff und Akzeptanz. Das Voice-Interface wurde damit zu einer Funktion, durch die Sprache lokalisiert, globale Verteilung erreicht und der Funktionsumfang erweitert werden konnte.

In Phase zwei geht es um Gewöhnung und Spezialisierung. Bestehende Use Cases müssen auf Voice übertragen, Voice von Geräten entkoppeln, speziell entwickelte Voice-Devices entwickelt und angepasst werden, um Funktionstiefe hinzuzufügen.

CMO.com: Im Allgemeinen erwarten Verbraucher, dass jede Markenerfahrung relevant und personalisiert ist. Wie können Marken eine hochwertige CX durch Sprache liefern?

Kinsella: Sie müssen die Benutzer zuerst kennenlernen. Erst dann können Sie maßgeschneiderte Erlebnisse für jeden Kunden anbieten. Sprechen Sie beispielsweise mit einem Neu- oder einem Stammkunden? Schon für die Begrüßung ist dieses Wissen entscheidend. Mit einer Kontenverknüpfung können Sie Benutzer besser verstehen. Die wichtigsten Plattformen erlauben das.

CMO.com: Voice-Anwendungen bringen jede Menge Daten mit sich, die es zu verwalten gilt. Woran sollten CMOs und CIOs denken?

Kinsella: Wie bei jedem neuen Kanal werden neue strukturierte Daten generiert, die in Ihr Datenmanagement und Ihre Portfolioplanung eingeführt werden müssen. Der Benutzungskontext – wie, wo, wann und warum ein Kunde mit Ihnen per Voice interagiert – wird eine noch entscheidendere Bedeutung bekommen. Für die meisten Unternehmen sollte das kein Problem darstellen.

Es wird auch neue, unstrukturierte Daten geben, die aus dem Dialog zwischen Anwender und Gerät generiert werden. Anhand dieser Daten können Marken die UX verbessern, indem sie Fehler aufdecken und verstehen, wo Benutzer auf Probleme stoßen. Für den Support wäre das eine großartige Unterstützung. Gleichzeitig lernen Sie ihre Kunden so besser kennen: Wonach Fragen sie, welche Probleme begegnen ihnen im Alltag? Und, ganz wichtig: Welche Erwartungen haben sie? Marketern eröffnet das ganz neue Blickwinkel. So wird jeder Voice-Anwender zur Fokusgruppe, weil Sie objektive und subjektive Daten wie Gefühle sammeln können.

CMO.com: Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Was müssen CMOs und CIOs noch in den Griff bekommen?

Kinsella: Verbraucher setzen heute Voice-Angebote voraus – Marken müssen hier reagieren und ihre Voice-Anwendungen kontinuierlich verbessern, um für ihre Kunden relevant und präsent zu bleiben. Wenn Verbraucher dem Sprachassistenten eine Frage zu Ihrem Unternehmen stellen und Sie keine Voice-Präsenz haben, dann greift der Assistent auf Wikipedia-Artikel oder andere im Netz verfügbare Informationen über Ihre Marke zu. Das kann unangenehm werden, denn Sie haben in diesem Fall keine Kontrolle über die Inhalte. Im ungünstigsten Fall wird die Anfrage direkt zu einem Konkurrenzunternehmen weitergeleitet.

Es reicht aber nicht, bereits vorhandene digitale Inhalte für Voice zu recyceln. Sie müssen eine neue, Voice-optimierte akustische Markenführung und entsprechend angepasste Inhalte erstellen. Für Unternehmen eröffnet das tolle Möglichkeiten: Einzigartige Soundmarken gehen ins Ohr und tragen zur Persönlichkeitsbildung der Marke bei. Voice eröffnet völlig neue Wege in punkto Design und Identität.

Neu sind auch die grenzenlosen Interaktionsmöglichkeiten. Bereits Social Media war eine Revolution für den direkten Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden, dank Voice wird die Interaktion noch intuitiver. Anhand der Fragen, die Verbraucher an ihre Smart Speaker richten, können Marken wertvolle Rückschlüsse auf ihre Bedürfnisse ziehen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess: Marken müssen antizipieren, was ihre Verbraucher wollen und wiederum aus den vergangenen Interaktionen lernen.

Wichtig zu verstehen ist auch, dass sich die Suchalgorithmen von Sprachassistenten sich von denjenigen im Web unterscheiden. Sprachassistenten leiten Verbraucher natürlich eher zu Voice-optimierten Erlebnissen. Das ist das erste Mal in fünfzehn Jahren, dass sich die Suchalgorithmen grundlegend verändert haben. Wir erleben gerade eine neue Art und Weise, Suchanfragen zu stellen.

CMO.com: Welche Branchen eignen sich Ihrer Meinung nach am besten für Voice-Technologie?

Kinsella: Jede Branche mit direktem Kundenkontakt ist ein Kandidat für Voice. Sprache ist unser natürlichstes Kommunikationsmedium und Voice ein entsprechend reibungslos funktionierender Kanal. Es ist daher wenig überraschend, dass wir bereits über 1,5 Milliarden Touchpoints haben – viele Medien-, Versicherungs- und Bankunternehmen haben Voice sehr schnell adaptiert.

Am besten geht man die Sache praktisch an: Wie beantworte ich Fragen? Wie stelle ich Dienste und Medien bereit? Wie können Transaktionen ablaufen? Richtig eingesetzt, macht Voice den entscheidenden Unterschied zwischen purer Gebrauchsfunktion und einer starken Customer Experience aus.

Im Moment gibt es mehr B2C-Anwendungen für Voice, weil die Technologie sich hervorragend für den Kundendialog eignet. Wir sehen gerade einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie Marken mit Kunden interagieren: Als intuitive und zielgerichtete Kommunikationsmethode ist Voice ein echter Pull-Mechanismus.

CMO.com: Wie wird sich Voice Ihrer Meinung Voice in den nächsten fünf Jahren entwickeln?

Kinsella: Sprachassistenten werden sich weiter verbreiten und ein normaler Bestandteil unseres Alltags werden: Auch alle anderen Medien und Bildschirme werden langfristig Voice-fähig. Das bedeutet, dass wir einen Anstieg bei spezialisierten Nischen-Sprachassistenten sehen und weitaus mehr Anwendungen sehen werden. Kunden werden die Voice-Präsenz ihrer Lieblingsmarken und eine entsprechend reibungslose Voice Experience voraussetzen.