Warum Agenturen vielseitiger werden müssen

Um relevant zu bleiben, müssen Agenturen mehr bieten als immer neue Services – modulare Angebote sind die Zukunft.

Warum Agenturen vielseitiger werden müssen

Um relevant zu bleiben, müssen Agenturen mehr bieten als immer neue Services – modulare Angebote sind die Zukunft. Das ist das Fazit des von Adobe veranstalteten Panels auf der Advertising Week Europe in London. Experten aus Agenturen und Unternehmen diskutierten, wie ihre Zusammenarbeit sich entwickeln wird. (CMO.com gehört zu Adobe.)

In-House oder auslagern?

Marken wollen mehr Kontrolle über Daten und Ad Spend. Viele Unternehmen erwägen deshalb, ihre Marketingstrategie selbst in die Hand zu nehmen, statt auf Agenturen zu vertrauen. Alex Steer, Chief Product Officer bei der Media Agentur Wavemaker, sieht die Situation für Unternehmen differenzierter.

„Wenn Agentur und Unternehmen um die Kontrolle ringen, läuft etwas falsch“, glaubt Steer. „Ein guter Agenturleiter setzt auf Nähe und Zusammenarbeit mit dem Kunden.“

Phil Duffield, Managing Director Adobe Advertising Cloud EMEA, schätzt die Situation ähnlich ein. Agenturen setzen wichtige Standards und können schneller auf Entwicklungen am Markt reagieren. Neue Trends wie etwa Programmatic Advertising sollten laut Duffield deshalb besser der Expertise der Agenturen überlassen werden.

„Im Kern geht es um Transparenz: Marken wollen wissen, wie ihre Daten verwendet werden“, erklärt Duffield. „Unternehmen und Agenturen müssen offener kommunizieren und enger zusammenarbeiten.“

Die Tage des ‚High-Class-Outsourcing‘ sind vorbei

„Die Tage des High-Class Outsourcings sind vorbei“, so Steer. Kunden wünschen sich Unterstützung und Beratung bei der Umsetzung ihrer Ideen und Projekte, ohne die gesamte Verantwortung aus der Hand zu geben. Das bedeutet eine Umorientierung für beide Seiten.

Denn die Dynamik zwischen Marken und Agenturen verändert sich grundlegen: Agenturen werden kleiner und spezialisierter – hier den Überblick zu behalten und die beste Agentur für die eigenen Ansprüche zu finden, überfordert Unternehmen schnell.

„Suche ich mir eine große Agentur, die mir ein Rundum-Sorglos-Paket anbietet oder entscheide ich mich für mehrere, auf verschiedene Themenbereiche spezialisierte Partner? Pauschal lässt sich das nicht entscheiden“, glaubt Kitty Poole, Marketing Director bei Doddle Parcel Services. „Letztlich muss die Zusammenarbeit funktionieren. Eine Agentur sollte für mich idealerweise eine Erweiterung meines eigenen Marketingteams sein.“

Chance statt Bedrohung

Die Transformation stellt beide Seiten vor Herausforderungen, bietet aber auch die Chance auf eine engere und bessere Zusammenarbeit.

„Walled Garden Plattformen machen es für Unternehmen extrem schwierig, echte Omnichannel Experiences anzubieten“, erklärt Duffield. „Bündeln Marken und Agenturen ihre Kräfte, können branchenweit Lösungen gefunden werden.“

Poole sieht jedoch nicht nur Agenturen in der Pflicht, sich weiterzuentwickeln. Wenn Kunden Agenturen wie Handlanger behandeln, kann das die Atmosphäre schnell vergiften. Unternehmen müssen zudem ihre Teams weiterbilden, sodass sie auf Augenhöhe mit Agenturen agieren und eine produktivere Beziehung etablieren können.

Rundum-Sorglos-Paket und Vielseitigkeit gemeinsam denken

Für WPP CEO Mark Read sind vier Bereiche entscheidend für eine gelungene Umstellung: Kommunikation, Erlebnis, Commerce und Technologie. Idealerweise sollte jeder Mitarbeiter, der bei WPP für die Kundenberatung zuständig ist in diesen Themen firm sein. Doch Wissen und Tools entwickeln sich rasant weiter und werden immer umfassender. Kaum jemand schafft es heute noch, Universalgelehrter zu sein – die Zukunft gehört den Spezialisten.

Reads Ansatz spiegelt einen Trend wider: Agenturen erweitern ihr Serviceangebot und ihre Expertise. Doch nicht nur Agenturen diversifizieren ihr Angebot. Mit der Übernahme von Magento und Marketo baut Adobe sein End-to-End Angebot aus und kann Kunden nun die ganze Palette von traditionellem Marketing bis hin zu E-Commerce und Shoppable Experiences bieten.

Ein Rundum-Sorglos-Paket ist zwar bequem, doch Vielseitigkeit ist wichtiger, glaubt Swarbrick. Wer nur Komplettpakete anbietet, stellt Kunden vor die Wahl, alles oder nichts zu bekommen. Entscheidend ist aber, auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Kunden eingehen zu können, fügt Steer hinzu. Wie in einem Mosaik, in dem viele einzelne Teile ein vollständiges Bild ergeben, interessieren sich Marken zunehmend für modulare Angebote. So können sie sowohl das komplette Leistungsspektrum abrufen, haben aber auch die Möglichkeit, die Expertise der Agentur in einzelnen Spezialbereichen anzuzapfen.

Für Marken wie Doddle ist ein Full-Service Angebot ideal, findet Poole. Eine große, breit aufgestellte Agentur entbindet Marken von der Herausforderung, viele unterschiedliche Agenturen koordinieren zu müssen. Allerdings sieht sie auch auf Agenturseite noch Nachholbedarf, die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln und sich an die neue Arbeitsweise anzupassen.

Personalisierung durch Technologie

„Personalisierung ist das A und O für eine gelungene Customer Experience. Für Agenturen heißt das: Mehr Iteration, mehr Arbeit und mehr Output“, erklärt Poole. Ohne technologische Unterstützung ist das nicht zu schaffen – insbesondere, weil Marken einen zunehmend datengetriebenen Ansatz verfolgen, um den Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden. Datenerfassung und –aktivierung, dynamische Inhaltsoptimierung: Damit alle Puzzleteile passen, sind Marketer auf technologische Unterstützung angewiesen. Auch hier müssen Agenturen Marken dabei unterstützen, die zugrundeliegenden Systeme zu verstehen und optimal zu nutzen.

Große Hoffnungen ruhen deshalb auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für die bestmögliche Personalisierung – doch es gibt auch Vorbehalte.

Fast die Hälfte der Marken kämpft damit, dass Kundendaten in verschiedenen Systemen überall im Unternehmen verstreut liegen – verwertbare Erkenntnisse lassen sich so nicht gewinnen. Das zeigt der Adobe Report „Context is Everything“. Die gute Nachricht ist: Bereits mehr als ein Drittel (36 Prozent) reißt mit Unterstützung von KI Datensilos ein und führt die verfügbaren Kundeninformationen zentral zusammen.

Poole zeigt sich verhalten optimistisch. Grundsätzlich begrüße sie jede Technologie, die Arbeitsabläufe vereinfache. Doch sie macht auch klar: Überzeugen lässt sie sich nur durch einen aussagekräftigen Business Case. Die beiden Agenturleiter sind deshalb überzeugt: Es liegt an Unternehmen, klare Ziele zu formulieren und zu verstehen, wie KI sie bei der Umsetzung unterstützen kann. Andernfalls riskieren sie eine Standardlösung, mit der sie sich kaum von der Konkurrenz abheben können.

Kunst und Wissenschaft gehen Hand in Hand

Bezüglich der Frage, ob KI und datengetriebene Ansätze das Ende der Kreativität bedeuten, sind sich alle Teilnehmer einig: Marken müssen beide Ansätze ausbalancieren, um ihren Kunden das bestmögliche Erlebnis anbieten zu können.

„Exzellente Arbeit steht und fällt mit dem dahinterstehenden Kreativteam“, davon ist Duffield überzeugt. „Eine durchdachte Kreativstrategie ist die Basis einer erfolgreichen Customer Experience.“

Mit innovativen Ideen fängt und bindet man Kunden langfristig. Doch dafür muss man sie erst einmal erreichen: Mit den richtigen Daten und Analysen sprechen Marken immer die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt an.

Was einfach klingt, stellt viele Marken noch immer vor Herausforderungen. Ein Adobe Report, für den europaweit 600 Unternehmen befragt wurden, zeigt jedoch: Nur 31 Prozent halten ihre Personalisierungsstrategie für gelungen. Solange Unternehmen mehr auf interne Reportings als auf die Anforderungen und Bedürfnisse ihrer Kunden fokussieren, wird sich das auch nicht ändern. Oder, wie Steer es formuliert: Erfolgreiche Unternehmen sind daten-, nicht tabellengetrieben.