Warum Daten nicht das Ende der Kreativität bedeuten

Dat­en und Kreativ­ität passen nicht zusam­men, heißt es … Dat­en sind ratio­nal und gewiss, Kreativ­ität hinge­gen ein Pro­dukt unser­er Vorstel­lungskraft. Aber sind das wirk­lich Gegen­sätze die sich auss­chließen? Ich sage nein. Ganz im Gegenteil!

Je mehr Dat­en uns zur Ver­fü­gung ste­hen, desto mehr Fra­gen kön­nen wir stellen und desto mehr kreative Ideen kön­nen wir gener­ieren. Tech­nol­o­gis­che Fortschritte, wie beispiel­sweise Kün­stliche Intel­li­genz, kön­nen den kreativ­en Prozess zudem insofern beflügeln, als dass sie gezielte Ein­blicke in spez­i­fis­che Kon­sumenten­grup­pen ermöglichen. In der Schnittmenge von Data Ana­lyt­ics und Kreativ­ität liegt großes Poten­zial für ein her­aus­ra­gen­des Kun­den­er­leb­nis – ins­beson­dere durch Personalisierung.

Spotify und Versicherungsmakler der alten Schule

Vor einem Kun­den­ter­min die Zeitung nach möglichen Gespräch­s­the­men durch­forsten, sich vor­ab über die Hob­bies und den Lifestyle des Kun­den informieren und kurz vor dem Gespräch z.B. im Garten Auss­chau nach per­sön­lichen Trig­gern hal­ten, das war für einen Ver­sicherungs­mak­ler lange All­t­ag. Denn nur so kann er inner­halb kürzester Zeit das Ver­trauen seines Kun­den gewin­nen. Das­selbe kön­nen Mar­keter mit Hil­fe von Kun­den­dat­en tun und das dank mod­ern­er Tech­nolo­gie in einem Bruchteil der Zeit und für deut­lich mehr Kun­den auf einmal.

Wie kreativ die Nutzung von Dat­en sein kann, demon­stri­ert Spo­ti­fy Ende 2017. Das Unternehmen griff für seine glob­ale Out-of-Home Wer­bekam­pagne auf Nutzer­dat­en zurück, um daraus großflächig Vorschläge für Neu­jahrsvorsätze zu tex­ten – und zwar mit Rück­sicht auf kul­turelle Unter­schiede “glokalisiert” für die unter­schiedlichen Märk­te weltweit.

Die Kam­pagne war laut Spo­ti­fy CMO Seth Farb­man vor allem deshalb so erfol­gre­ich, weil Musik eine sehr emo­tionale Angele­gen­heit ist und “Fak­ten-basierte” Insights über die Hörge­wohn­heit­en unzäh­liger Men­schen auf ein­er Makroebene die all­ge­meine Stim­mung wider­spiegeln. Kom­biniert mit ein­er inklu­siv­en, reflek­tiv­en und auch etwas frechen Tonal­ität war eine pos­i­tive Res­o­nanz in gewiss­er Weise vorhersehbar.

Genau diese emo­tionale Res­o­nanz ist es, die laut Adobe Senior Cre­ative Direc­tor Adam Mor­gan den Unter­schied in ein­er her­aus­ra­gen­den Cus­tomer Expe­ri­ences aus­macht. Denn “je stärk­er die Emo­tion, desto größer die Chance, beim Kun­den in Erin­nerung zu bleiben”. Doch erst durch Dat­en ler­nen wir zu ver­ste­hen, was den Kun­den bewegt, wie wir ihn durch emo­tionales Sto­ry­telling und Design adressieren und schließlich auch in sein­er Mei­n­ung und seinem Han­deln bee­in­flussen kön­nen.

Kreative haben oft eine gute Intu­ition in Bezug auf die Prob­leme und Bedürfnisse ander­er Men­schen, wohinge­gen Data-Ana­lysten wis­sen, wie sich diese mit Hil­fe ver­schieden­er Dat­en inter­pretieren lassen. Per­son­al­isierung, stel­lvertre­tend für eine her­aus­ra­gende Cus­tomer Expe­ri­ence, resul­tiert aus der – durch Tech­nolo­gie skalier­baren – Kom­bi­na­tion von Dat­en und Kreativ­ität; aus der Zusam­me­nar­beit von Kreativ­en mit Datenspezialisten.

Dat­en ver­sus Kreativ­ität ste­ht nicht mehr zur Debat­te. Das zeigt auch eine Studie von McK­in­sey: Unternehmen, die Dat­en und Kreativ­ität bewusst kom­binieren, steigern ihren Umsatz mit der dop­pel­ten Rate im Ver­gle­ich zu S&P 500 Com­pa­nies (min­destens zehn Prozent gegenüber fünf Prozent).

Dat­en plus Kreativ­ität ist lediglich eine Frage des Wie?

Wie Unternehmen ihr kreatives Potenzial durch Daten anreichern

Ich kenne keine Muster­lö­sung, um ein “Data Mind­set” in Unternehmen zu etablieren und “Cus­tomer Cen­tric­i­ty” zu mehr als einem Buzz­word zu entwick­eln. Die fol­gen­den drei Aspek­te erscheinen mir aber stets hil­fre­ich und zielführend:

1. Trans­parenz der Dat­en gewährleis­ten: Überhaupt Dat­en sam­meln und aggregieren zu müssen (bzw. zu wollen) erachte ich an dieser Stelle als bere­its ver­standen. Wichtig ist jedoch, dass diese Dat­en trans­par­ent, das heißt für jeden im Unternehmen sicht­bar und bess­er noch _ein­se­hbar _sind, sodass sie jed­er für seine indi­vidu­ellen Zwecke ein­set­zen kann. Durch regelmäßige Schu­lun­gen oder Work­shops kön­nen Ana­lysten den Vertriebs‑, Ser­vice- und Mar­ket­ingteams sowie dem Man­age­ment gle­icher­maßen die Bedeu­tung der Dat­en näher­brin­gen und sie bei deren Nutzung unter­stützen. Auf diese Weise dif­fundieren Insights schneller in alle Unternehmens­bere­iche und es entste­ht Klarheit darüber, welche Maß­nah­men einen Busi­ness Impact gener­ieren und worauf sich jed­er Einzelne konzen­tri­eren sollte. Dat­en stellen eine ide­ale Entschei­dungs­grund­lage zur Pri­or­isierung von kreativ­en Ideen dar.

2. Fachüber­greifende “Growth Teams” For­men: Je mehr Per­so­n­en mit unter­schiedlich­er Exper­tise einen gemein­samen Blick auf die Dat­en wer­fen, desto mehr Inter­pre­ta­tion­s­möglichkeit­en entste­hen – nicht nur für das Mar­ket­ing, wen­ngle­ich eine “Abteilung” vor­weg gehen muss. Viel wichtiger ist die Tat­sache, dass dadurch alle erfahren, warum etwas (z.B. eine Mar­ket­ingkam­pagne) in Wach­s­tum resul­tiert oder nicht; was Kun­den trig­gert und was nicht. Nicht sel­ten entste­hen durch diese Zusam­me­nar­beit völ­lig neue Ideen, um vorhan­dene Dat­en zu nutzen. Und genau darauf kommt es laut Yahoos Chief Rev­enue Offi­cer Lisa Utzschnei­der an: Das Ver­ständ­nis für die Ziel­gruppe ist zwar der erster Schritt, doch ohne eine entsprechende Kon­se­quenz (z.B. die Kreation von rel­e­van­tem Con­tent ent­lang der gesamten Cus­tomer Jour­ney) führen diese Insights kein Wach­s­tum herbei.

3. Erfolge mit Dat­en zele­bri­eren: Die Arbeit mit Dat­en als neuer Gold­stan­dard stößt schneller auf Akzep­tanz, wenn kleine wie große Erfolge über das gesamte Unternehmen hin­weg zele­bri­ert und in ihrer Begrün­dung – wenn auch nur sub­til – von Dat­en begleit­et wer­den. Allein durch ihre Anwe­sen­heit gewöh­nen sich Per­so­n­en, die bish­er wenige Berührungspunk­te mit Dat­en hat­ten, an ihre Exis­tenz und inte­gri­eren sie (un)bewusst in ihre Arbeitsabläufe. Anfangs vielle­icht lediglich als “lästiger Aspekt, den es zu klären gilt” (ja, auch das ist ein Fortschritt), irgend­wann jedoch auch als wertvolle Ressource für den eige­nen Beitrag zum Unternehmenswach­s­tum. Eine dat­en-zen­tri­erte Unternehmen­skul­tur entste­ht nicht nur deshalb, weil sie von oben einge­führt wird. Sie braucht Zeit, um zu reifen. Je früher Unternehmen Dat­en in ihre Prozesse inte­gri­eren, desto schneller ler­nen Mitar­beit­er ihren Wert zu schätzen und sie immer kreativ­er einzusetzen.

Fazit: Daten sind der Input, Kreativität der Output

Das Ergeb­nis der fast schon zwang­haften Adop­tion ein­er data-first “Wir müssen alles messen”-Kultur in Unternehmen über die let­zten Jahre ist allerd­ings eine zunehmende Abhängigkeit von Dat­en zur Recht­fer­ti­gung sämtlich­er Entschei­dun­gen, ins­beson­dere im Mar­ket­ing. Ich stimme zu, dass Dat­en wichtig sind, um die eigene Ziel­gruppe zu ver­ste­hen, aber es braucht ein hohes Maß an Kreativ­ität um diese Ziel­gruppe auch emo­tion­al anzus­prechen und zu begeistern.

Es ist wie beim Malen nach Zahlen: Die vordefinierten Flächen ste­hen für die Strate­gie, die Zahlen ste­hen für die Dat­en (offen­sichtlich) und der kreative Freiraum ist durch die freie Wahl der Far­ben und den Stil gegeben. Durch Let­zteres wird das Bild ein Unikat und erzeugt eine Res­o­nanz beim Betrachter.

“Cre­ativ­i­ty with­out data is just art. But data with­out cre­ativ­i­ty is neglect.” – Steve Bab­cock, Chief Cre­ative Offi­cer at VaynerMedia

Betra­cht­en wir Dat­en also ein­fach als Input und Kreativ­ität als Out­put. Unterm Strich braucht es beides.