Content Experience: Wir müssen Inhalte neu denken

Content Marketing erlebt gerade seinen „Moment of Truth“: Es funktioniert oftmals nicht so gut, wie die Marketer sich das vorgestellt haben. Das liegt allerdings weniger am grundlegenden Konzept, sondern an der Umsetzung als Taktik. Helfen könnte eine engere Verzahnung mit der Customer Experience.

Content Experience: Wir müssen Inhalte neu denken

Unter Customer Experience verstehen wir im Marketing – auf einen einfachen Nenner gebracht – die Summe aller Erfahrungen, die ein Konsument mit einer Marke macht. Zählten früher vor allem das Markenimage, der Preis und das Produkt selbst zu den wichtigsten Berührungspunkten für Kunden, so hat sich die Customer Experience im digitalen Zeitalter stark verändert. Wir kommunizieren heute über diverse Geräte und Kanäle mit Marken und ständig kommt etwas Neues hinzu oder es gibt grundlegende Veränderungen. Was früher eher statisch war, ist heute sehr dynamisch geworden.

Für Kunden ist das keinesfalls nachteilig, denn sie haben vielfältigere Möglichkeiten, mit einer Marke zu interagieren. Für Marken ist das wiederum Chance und Risiko zugleich. Nie war es für sie einfacher, ihre Zielgruppen zu erreichen und über herausragende Erfahrungen Kunden zu generieren. Umgekehrt gilt aber ebenso: Wer seinen Kunden nicht die erwarteten Erlebnisse bietet, verliert sie sehr schnell an Marktbegleiter, die das besser können. Und im Digitalen sind die nur einen schnellen Klick entfernt.

Das ist auch keine flüchtige Momentaufnahme oder ein kurzlebiger Hype, der irgendwann wieder vorbei ist. Erlebte Erfahrungen bleiben nicht nur bestehen, sie erhöhen auch dauerhaft die Erwartungshaltung. Wer einmal eine besonders tolle Erfahrung gemacht hat, wird alles Nachfolgende daran messen. Das gilt für jeden einzelnen Berührungspunkt, den ein Kunde mit einer Marke hat. Eine schlechte Erfahrung kann dabei fatal für das Gesamtbild sein. Marken sollten daher unbedingt einen kontinuierlichen Optimierungsprozess für die gesamte Customer Experience aufbauen: Wo können wir besser werden, mit welchen Touchpoints interagieren die Konsumenten besonders intensiv und welche Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse haben sie, die bisher noch nicht adressiert werden?

Die besondere, aber oft unbeachtete Rolle des Content Marketings

Die Customer Experience hat eine große Schnittmenge mit dem Content Marketing, denn auch hier dreht sich alles um die Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse der Kunden. Bei beiden Disziplinen geht es im Ergebnis darum, wie Konsumenten aus ihrer eigenen Perspektive heraus eine Marke erleben. Dennoch liest man nur selten etwas über diese enge Verbindung. Stattdessen reichen die Diskussionen und Marketing-Ratgeber meist nicht über die vorgelagerten Probleme hinaus: Wie können die Kundenbedürfnisse identifiziert werden, welche Touchpoints sind wichtig und wie können Erfolge gemessen und analysiert werden? Wirklich hilfreiche Antworten gibt es dennoch selten.

Dabei ist Content Marketing in der Regel der Berührungspunkt, an dem Kunden am meisten Zeit verbringen. Die Adobe Consumer Content Umfrage 2019 zeigt, dass wir mittlerweile mehr als ein Viertel des Tages mit digitalen Inhalten verbringen. Gleichzeitig nimmt die Menge des verfügbaren Contents rasant zu, so dass die Nachfrage nicht einfach durch noch mehr Input gedeckt werden sollte. Es braucht besondere Erlebnisse, um aus der Masse herauszustechen.

Was zu außergewöhnlich positiven Erfahrungen führt

Wenn der Schwerpunkt beim Content Marketing mehr auf dem Marketing als auf wertvollem Content liegt, ist es nicht einfach den Kunden zu überzeugen. Hier nur zwei Beispiele:

Als Content getarnte Werbung: Noch allzu oft wird Content Marketing taktisch als neues Werbemittel eingesetzt. Statt Informationen zu einem Thema, gibt es für die Leser Informationen zu einem Produkt.

Die Absicht: Das traditionelle Performance Marketing funktioniert nicht mehr so gut wie früher. Viele Marketer sehen im Content Marketing eine günstige Kompensationslösung.

Die Wirkung: Werbliche Inhalte stellen das Verkaufsbedürfnis der Marke über das Informationsbedürfnis der Konsumenten – kein guter Anfang für eine Beziehung.

Warum das nicht gut ist: Konsumenten flüchten sich in Inhalte, weil sie von der allgegenwärtigen Werbung genervt sind. Treffen sie dort wieder nur auf Werbung, sorgt das für zusätzlichen Frust und unter Umständen sogar für ein negatives Branding als „Marke, die mit Werbung nervt!“.

Die bessere Lösung: Marken leben vom Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen. Der direkte und einfache Weg dahin ist und bleibt Werbung. Gutes Content Marketing ist dagegen eine Alternative und kommt ohne Werbung aus. Die Customer Journey ist hier zwar länger und komplexer, dafür verbindet ein so gewonnener Kunde auch gleich eine positive Erfahrung mit der Marke. Daher sollten Werbung und Content strikt voneinander getrennt werden.

Content ohne Qualität: Unternehmensinhalte haben oft den unbändigen Charme einer Pressemitteilung – und häufig genug sind sie auch genau das.

Die Absicht: „Wir brauchen Inhalte! Okay, wir haben eine Pressemitteilung, nehmen wir die.“

Die Wirkung: Pressemitteilungen sind für Journalisten. Bei allen anderen (oft aber auch bei Journalisten) wirken solche Inhalte nur auf eine Weise: Konsumenten fühlen sich nicht angesprochen.

Die bessere Lösung: Content Marketing braucht Ressourcen, wenn die Inhalte für begeisternde Erfahrungen sorgen sollen. Wissen, gepaart mit ausreichend Zeit für die Kreation der Inhalte, ist die Grundvoraussetzung. Aber natürlich müssen die Inhalte auch die Bedürfnisse der Konsumenten berücksichtigen und ihnen Spaß beim Konsumieren vermitteln. Das gelingt in Gänze nur, wenn das Content Marketing von spezialisierten Fachkräften umgesetzt wird.

Es gibt noch viele weitere Punkte, die Kundenerfahrungen im Content Marketing ruinieren können. Inhalte, die nicht auf allen Geräten funktionieren, lange Ladezeiten oder fehlende Dialogbereitschaft – die Liste ist schier endlos.

Was wir brauchen: Content Experience!

Customer Experience wird bereits häufig als unternehmensweite Aufgabe verstanden. Content Marketing ist dagegen oft noch in einer Unit verankert und wird dort als Siloarbeit verrichtet. Das funktioniert aber weder für den Kunden noch für die Unterstützung der Unternehmensziele sonderlich gut.

Wenn Customer Experience und Content Marketing die gleichen Ziele verfolgen, warum lösen wir uns dann nicht endlich vom irreführenden Begriff „Content Marketing“ und ersetzen ihn durch Content Experience? Das wäre eine gute Chance für einen Neustart der Contentarbeit in Unternehmen. Gleichzeitig würde die Kopplung an das Experience Management eine interdisziplinäre Betrachtung vereinfachen und die grundlegende Kundenzentrierung verdeutlichen. Bleibt dieser Neustart dagegen aus, wird Content Marketing einen schleichenden Tod sterben.