Gamechanger KI: Fangt endlich an zu spielen!
Tech-Enthusiasten preisen sie als eine der größten Chancen der Menschheit: Künstliche Intelligenz (KI) soll unsere Arbeit erleichtern, uns gesünder und länger leben lassen, dazu das Klima retten und die Weltmeere von Plastik befreien. Doch keine andere Technologie löst derzeit so konträre Reaktionen aus. Für Skeptiker ist KI das genaue Gegenteil: Die größte Bedrohung seit Menschengedenken, die uns in Massen arbeitslos machen und sogar die Existenz der Menschheit gefährden könnte, wenn Maschinen sich gegen uns auflehnen. Tesla-Gründer Elon Musk etwa warnte im vergangenen Jahr: „KI ist viel gefährlicher als Atomwaffen.“
Für mich haben derlei Aussagen wenig Substanz. Während die einen Utopien zeichnen und die anderen Dystopien, vergessen wir beinahe vollständig, konkret darüber zu reden, wie KI schon Einzug in unseren Alltag gehalten hat und welche Folgen sich für uns wirklich daraus ergeben. Grund genug, mich im dritten und letzten Teil meiner Serie „Beautiful Disruption“ damit auseinanderzusetzen.
Mein Kollege Timo Kohlberg hat es kürzlich in einem Artikel hervorragend formuliert: „Wir leben bereits in einer KI-Welt!“ In neuen Generationen von IT-Devices ist sie quasi obligatorisch enthalten. Wenn wir uns an den Computer oder den Laptop setzen, das Tablet zücken, Amazons Alexa oder Google Home befragen, unser Smartphone aus der Tasche ziehen: Fast immer läuft in diesem Moment schon KI. Sie hilft Rechnern, unsere Worte zu verstehen, unterstützt uns bei den besten Kameraeinstellungen, findet selbstständig Muster in großen Datenmengen.
KI als Komponist und Künstler – und warum Menschen dennoch einzigartig bleiben
Was KI inzwischen zu leisten vermag, ist beeindruckend. KI hat Franz Schuberts Sinfonie in h‑moll – auch bekannt als „die Unvollendete“ – zu Ende komponiert. KI ist als Künstler en vogue: Das Porträt des fiktiven „Edmond de Bellamy“, gemalt von einer KI, erzielte bei einer Versteigerung in London fast 400.000 Euro, malende Roboter beschäftigen die Medien.
Müssen wir uns deswegen vor KI fürchten? Definitiv nicht!
KI als Komponist und Künstler: Auf den ersten Blick scheint sie damit in die letzte Kernkompetenz einzudringen, die uns Menschen geblieben ist – die Kreativität. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass KI von uns Menschen abhängig ist.
Das mag ungewohnt klingen in einer Welt, in der viele vor einer Abhängigkeit der Menschen von KI warnen. Doch die genaue Betrachtung zeigt, was KI wirklich gemacht hat. Beim unvollendeten Schubert-Stück hat sie von Menschen geschaffene Musik analysiert und Muster erkannt, wie Sinfonien grundsätzlich aufgebaut sind. Dann hat sie die ersten beiden, von Franz Schubert komponierten Sätze, der unvollendeten Sinfonie analysiert und sie auf dieser Basis fortgeschrieben.
Nicht viel anders sieht es bei den Gemälden aus. Die KI wurde mit tausenden menschengemalten Bildern trainiert. Dann hat sie aus den gewonnenen Erkenntnissen selbst ein Gemälde konstruiert. KI ist hier nur scheinbar selbst kreativ, tatsächlich ist sie aber nur so kreativ wie die menschlichen Werke, mit denen sie trainiert wurde.
Das perfekte Kundenerlebnis funktioniert nur mit KI
Die schöpferische Kraft der KI liegt woanders: Mit ihr können Menschen in ganz neuen Dimensionen kreativ werden – zum Beispiel, wenn es darum geht, jedem einzelnen Kunden ein begeisterndes Kundenerlebnis zu bieten. Ohne KI wäre es unvorstellbar, Informationen über hunderttausende oder Millionen Kunden zu nutzen, um ihnen hoch personalisierte und maximal relevante Angebote zu machen. Idealerweise in Echtzeit. KI erleichtert den Zugang zu versteckten Informationen, beschleunigt zentrale Prozesse und hilft dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Skalierung war gestern, Skalierung plus Personalisierung ist heute – und funktioniert nur mit KI. So sorgt Künstliche Intelligenz paradoxerweise schon heute für Markenerlebnisse, die uns als besonders menschlich in Erinnerung bleiben.
In Unternehmen werden KI-Anwendungen zur wettbewerbsentscheidenden Schlüsseltechnologie – oder, wie man auf Englisch so schön sagt, zum „Gamechanger“. Die Technologie ändert die Spielregeln auf dem Markt. Wer sich am schnellsten darauf einstellt, gewinnt. Wer das nicht schafft, verliert.
Die wahre Kunst liegt darin, die Potenziale von KI mit außergewöhnlichen Mitarbeitern zusammenzubringen, die dieses Tool sinnstiftend einzusetzen wissen. Es ist ein mächtiges Werkzeug, aber letztendlich eben bloß ein Werkzeug, das nur im Zusammenspiel mit Menschen sein volles Potenzial entfalten wird. Und deshalb kann ich allen nur zurufen: Lasst uns keine Zeit damit verlieren, hyperoptimistische oder düsterste, vor allem aber realitätsferne Szenarien zu wälzen – fangt endlich an zu spielen! KI ist verfügbar. Nutzt sie, werdet kreativ, probiert aus, experimentiert und lasst uns damit arbeiten!
Kreativität ist ein ureigenes menschliches Talent, das so schnell nicht von KI ersetzt werden kann – vielleicht niemals. Mit Kreativität meinen wir nicht, ein Foto vom Look an eine Brand Identity anzupassen. Das sind wiederkehrende, automatische Arbeitsschritte, die die Maschine lernen kann. Aber etwas Neues zu kreieren, aus dem Nichts etwas zu schaffen, das ist Menschen eigen.
KI ist für Mitarbeiter mehr Chance als Risiko
Klar: Der Einzug von KI in die Unternehmen ändert gewiss manche Berufsprofile massiv, lässt dafür aber auch völlig neue entstehen. Das ist bei jeder industriellen Revolution so, und aktuell befinden wir uns mitten in einer solchen. Doch was aktuell passiert, bringt gerade für Mitarbeiter mehr Chancen als Risiken mit sich.
Ein Beispiel aus der Praxis: Unsere KI Adobe Sensei übernimmt in vielen Teilbereichen bereits heute zeitintensive und/oder repetitive Fleißarbeiten. Sensei fließt in alle bekannten Services ein, wie Photoshop, Adobe Stock oder Analytics. Die jeweiligen Anwender erhalten dadurch wieder mehr Zeit, um ihre Kreativität und Exzellenz in ihre Arbeit einfließen zu lassen. Eine Innovation, die insbesondere in der Postproduktion mit großer Begeisterung aufgenommen wird, ist die Funktion „Content-Aware Fill“. Schon seit längerem ist es damit in Photoshop möglich, sehr zeiteffizient unerwünschte Objekte oder Fehler aus einem Bild zu entfernen und mit natürlichen Informationen des Bildes aufzufüllen. Dies ist nun auch auf bewegte Bilder anwendbar, was die Zeitersparnis noch einmal drastisch erhöht.
Grafikdesigner und Videoproducer werden damit nicht überflüssig. Auf ihre Inspiration kommt es nach wie vor an, um ein besonderes Design oder ein bewegendes Video zu schaffen, das Kunden anspricht und überzeugt. Doch sie haben viel mehr Zeit, sich auf diese Kernaufgabe zu konzentrieren – weil ihnen KI zeitraubende Detailkorrekturen abnimmt. Gerade für Marketer und Kreative ist KI ein Segen, sie eröffnet ihnen ungeahnte Möglichkeiten.
Unternehmen müssen Kreativangebote für Mitarbeiter schaffen
In vielen Bereichen wird der Wandel vergleichbar ausfallen, in manchen werden auch größere Umstellungen erforderlich sein. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, die Mitarbeiter darauf vorzubereiten und mit den richtigen Fähigkeiten auszustatten. Dafür sind umfassende Weiterbildungsprogramme und ein professionelles Change Management nötig.
Bei Adobe gibt es neuerdings zum Beispiel ein sechsmonatiges Trainingsprogramm zu Künstlicher Intelligenz, an dem alle Ingenieure teilnehmen können. Das soll den Entdecker im Ingenieur wecken: Programmierer müssen sich darauf einstellen, dass ihre Rolle durch KI neu definiert wird. Sie müssen nicht bloß Code schreiben, sondern Businnessprobleme lösen – und zwar in kleinen Teams mit Mitarbeitern aus unterschiedlichsten Fachrichtungen. Sie müssen kreativ werden.
Das muss auch in der Fort- und Weiterbildung ankommen. Viele Programme konzentrieren sich auf technische Aspekte. Höchste Zeit, dass die Kreativität in diese Programme einzieht. Und vielleicht reden wir dann bald nicht mehr über weltfremde Bedrohungs- oder Jubelszenarien. Sondern darüber, wie viel Spaß es macht, mit der Unterstützung von KI zu arbeiten und Neues zu erschaffen.