Hartmut König: „Daten können Unternehmen stetig verbessern“
CMO sprach auf dem Adobe Summit 2019 mit Hartmut König, CTO Central Europe von Adobe, über Marketing-Strategie, die Bedeutung von Daten, Digitale Transformation und Personalisierung.
Hartmut König startete seine Karriere bei Adobe bereits 2004. Heute ist er als CTO Central Europe für die Lösungen der Experience Cloud verantwortlich. Customer Experience begreift er als ganzheitliche, multidisziplinäre Aufgabe, die das Herzstück jeder erfolgreichen Digitalisierung darstellt. CMO traf König auf dem Adobe Summit 2019 in London, wo dieses Jahr viel über Daten und Technologien gesprochen wurde – jedoch nicht nur. Wir fragen nach den persönlichen Takeaways vom Summit 2019?
Hartmut König: Mich haben einige Zitate des illy CEOs sehr beeindruckt, zum Beispiel „It´s not about perfection, it´s about progression“. Das drückt perfekt aus, dass es tatsächlich darum geht, überhaupt erst einmal anzufangen. Auch, wenn man das Endergebnis nicht im Voraus kennt. Denn in der Realität sieht es oft so aus, dass vom Controller gleich zu Beginn Fragen zur Höhe des ROI zu erwarten sind. Tatsächlich ist aber der ROI für jede Kampagne oder jede E-Mail gar nicht so einfach vorherzusagen. Das Ganze ist sehr spannend, weil es wiederum mit dem Thema Daten zusammenhängt. Das Verständnis von Daten verändert sich gerade grundlegend. In der Vergangenheit dienten Daten oft nur der Rechtfertigung für Marketing-Aktivitäten oder Traffic, den man für Advertising eingekauft hat. Jetzt setzt sich die die Erkenntnis durch, dass Daten ein Teil der digitalen Transformation sind, die weit über Advertising hinaus geht – Daten können das komplette Unternehmen lenken. Damit wird das Thema Datennutzung komplett neu aufgerollt, denn es stellt sich die Frage: Welche Daten bringen mich weiter? Und welche Leute brauche ich dafür?
CMO by Adobe/DE: Stichwort Digitale Transformation. Was ist aus deiner Sicht der richtige Einstieg – vielleicht in Hinsicht auf den Mittelstand in Deutschland?
Hartmut König: Tatsächlich ist ein Verständnis für Ziele entscheidend. Die Führungskräfte müssen zusammenkommen und klare Ziele vereinbaren. Es geht dabei nicht um „perfection“, sondern um die Richtung: Auf welchen Weg wollen wir uns begeben. Auch Selbstreflexion ist ein guter Anfang: Wie hat sich mein eigenes Online-, Offline-, Einkaufs- und Kommunikationsverhalten in den letzten zehn Jahren verändert? Das ist keine Evidenz, gibt aber einen Lernansatz im Sinne von „Was heißt das für uns als Unternehmen?“. Dann ist der nächste Schritt zu fragen: „Wenn wir als Mittelständler jetzt digital werden wollen – mit welchem Businessmodell auch immer, B2B oder B2C und egal in welcher Branche –, wie können wir in den Digitalisierungsprozess einsteigen?“. Dabei muss ich darüber nachdenken „Sind Messen noch die richtige Ansprache für Kunden oder findet digital mehr statt? Wie mische ich meine Kundenansprache über die verschiedenen Kanäle wie Messe, Webinar oder YouTube? Welche Rolle spielt meine eigene Webseite?“. In dem Moment, wenn wir anfangen digital präsenter zu sein, generieren wir Datenpunkte und können daraus lernen. Ab diesem Punkt stellt sich die Frage, in wie weit ich mit dem bestehenden Personal weiter erfolgreich sein kann. Das heißt ich muss als Mittelständler meine Mannschaft mitnehmen und in meine Mitarbeiter investieren. An gewissen Punkten kann ich auch einen externen Berater dazu holen, allerdings ohne alle Aufgaben an ihn zu delegieren.
CMO by Adobe/DE: Wo stehen wir aktuell? Ist die Bedeutung der Digitalisierung in den Köpfen angekommen?
Hartmut König: Die Bedeutung ist angekommen, sogar mehr als das. Aber was Digitalisierung genau bedeutet, ist immer noch sehr diffus. In Deutschland wurde bei Digitalisierung oft über Industrie 4.0 und effiziente Prozesse geredet. Das Verständnis entwickelt sich in bestimmten Branchen und Distributionen. Die erste große Distribution war der Buchhandel. Damals war es noch undenkbar, dass das gleiche auch für Elektronik funktionieren würde. Die Branchen im Mittelstand unterscheiden sich ebenfalls: Es ist ein Unterschied ob man Robotik oder Industrieanlagen herstellt. Wichtig ist dabei zu verstehen: Es ist nicht schlimm wenn man mit seiner Digitalisierungsstrategie noch nicht fertig ist. Es wäre aber fatal, wenn man nicht anfangen würde.
CMO by Adobe/DE: Ein weiteres wichtiges Thema ist die Personalisierung. Dank Daten hat sich da bereits viel getan – doch neue Herausforderungen kommen. Zum Beispiel stellte E.on Energie fest, dass bessere Personalisierung mehr Content benötigt.
Hartmut König: Ich war vor Jahren bei einem Automobilhersteller, der A/B-Tests eingeführt hat. Dann hat man jedoch festgestellt, dass in vielen Fällen gar kein B-Content da ist. Content erlebt gerade eine Renaissance. Wir brauchen mehr Content. Daten machen mich hier schneller, besser und effizienter, weil ich verstehe, was wie gut bei welcher Audience ankommt.
CMO by Adobe/DE: Was wird die Marketer in nächster Zeit – vielleicht bis zum Adobe Summit 2020 – beschäftigen?
Hartmut König: Die Omnichannel-Thematik wird sehr spannend und wichtig sein. Zum Beispiel die Frage: Wenn ich einen Point-of-Sale und einen Online-Shop habe, wie reiße ich existierende Datensilos ein? Marketer, die schon etwas weiter fortgeschritten sind, werden sich damit beschäftigen, wie sie sich von der Konkurrenz abheben können. Einer meiner Kunden hat sich gefragt, ob sich Unternehmen künftig alle gleichen, wenn alle auf die gleiche Marketing-Technologie setzen. Ich denke, es ist genau umgekehrt. Es ist noch niemand dadurch erfolgreich geworden, indem er versucht hat, das zweite Amazon zu werden. Die erfolgreichen Händler heute sind bewusst anders. Entweder im Sortiment oder in ihrem Auftritt.
Durch Daten können Unternehmen lernen, jeden Tag besser zu werden. Sie können immer stärker herauskristallisieren wo der Markenkern liegt, in welche Richtung sie gehen sollten. Wenn Amazon Fresh in allen möglichen Ländern funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass man einem deutschen Discounter empfehlen sollte etwas ähnliches zu versuchen. Aber durch ausprobieren und Datenanalyse kann man lernen, was erfolgreich ist. Amazon Fresh hat zum Beispiel einen unerwarteten Erfolg mit Mittagssandwiches, die die Kunden gerne direkt abholen. Sie bestellen online und können das Sandwich dann schneller abholen als anderswo - und das bei einem Lieferservice. Das heißt: Es verändert sich einiges und es gibt viele Überraschungen, eben weil nicht alle gleich sind.