Case Study: Hunderte Banken, ein System aus der Cloud
Auch der Finanz- und Bankensektor spürt zunehmend den Druck durch die digitale Transformation. Einerseits sind der Vertrauensvorschuss und die lokale Präsenz einer Bank weiterhin wichtige Stärken. Andererseits erwarten die Kunden mehr und mehr, dass sie ihre Bankgeschäfte jederzeit erledigen können – am liebsten auf dem eigenen Smartphone.
Zugleich drängen Finanz-Startups in den Markt und Tech-Schwergewichte wie Apple, Google und Facebook haben ebenfalls ein Auge auf diesen Bereich geworfen. Die haben zwar keine Filialen vor Ort und müssen sich erst als vertrauenswürdiger Anbieter beweisen. Aber dafür haben sie eine hohe Bekanntheit, viele Millionen Kunden weltweit und wertvolle Erfahrungen rund um Cloud-Dienste und Künstliche Intelligenz.
Verschiedene Studien haben diesen Wandel dokumentiert. Eine Untersuchung von Accenture kam beispielsweise zu dem Schluss, dass sich Kunden vor allem zwei Dinge von ihrem Finanzdienstleister wünschen: eine „menschliche Note“ und eine „datengesteuerte Personalisierung in Echtzeit“. PwC wiederum konnte in seiner Befragung dokumentieren, dass das Mobiltelefon als Zugang zum Banking immer wichtiger wird. Zugleich wurde deutlich, dass Kunden bei komplexeren Fragen weiterhin einen persönlichen Kontakt wünschen. Die Mehrheit der Bankkunden will also beides: sowohl jederzeit verfügbare digitale Dienste als auch eine Bankfiliale und einen persönlichen Berater vor Ort.
Ambitionierte Ziele
Die Raiffeisen Banken-Genossenschaft in Österreich hat sich dieser Herausforderung gestellt. Mit ihren acht Landesbanken und fast 400 lokalen Banken hat sie eine starke Präsenz vor Ort. Die Transformation der genossenschaftlichen Idee stellt dabei eine zentrale Herausforderung dar – sowohl hinter den Kulissen als auch für die Kunden.
Deshalb wurde vor 4 Jahren eine umfassende Digitalisierungsoffensive gestartet. Und das Ziel war ambitioniert, wie Patricia Kasandziev erklärt. Als Head of Digitisation, Products & Processes, der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG ist sie u.a. zuständig für das Thema Digitalisierung. „Es ist unbestritten, dass wir stationär die Nr. 1 sind. Unser Anspruch ist es aber, dass wir auf allen Kanälen einen ebenso guten Service bieten“, sagt sie.
Der dezentrale Aufbau der Genossenschaft sollte dabei Eingang in die digitalen User Journeys finden. Gleichzeitig wolle man „die gleiche digitale Experience bieten können wie zentral organisierte Institute oder Direktbanken“, sagt Patricia Kasandziev. „Wenn wir beispielsweise über eine App nachdenken, dann schauen wir uns die innovativsten Beispiele an. Denn das ist, woran sich auch unsere Kunden orientieren.“
Eigenständig und doch gemeinsam
Diese Ziele umzusetzen, ist aber nicht immer ganz leicht. Während die lokalen Banken beispielsweise den direkten Kontakt zum Kunden haben, sind Kompetenzen rund um Themen wie Big Data Analytics eher bei den Landesbanken zu finden. Zugleich sind die Banken innerhalb der Genossenschaft eigenständige Einheiten. Hier eine gemeinsame digitale Vertriebsstrategie zu entwickeln und umzusetzen, gehörte zu den zahlreichen Herausforderungen des Projekts.
Natürlich kümmert sich Raiffeisen nicht erst seit 4 Jahren um das Thema Digitalisierung. Aber die bisher genutzten Systeme waren über die Jahre gewachsen und boten immer weniger Raum für Innovationen. Die Website war zum Beispiel eine Eigenentwicklung. Die sollte nun modernisiert werden.
Viele Werkzeuge aus einer Hand
Ein Wunsch war dabei, möglichst viele Werkzeuge aus einer Hand zu bekommen. Denn dadurch wird nicht zuletzt der Evaluierungs- und Abstimmungsaufwand intern erheblich verringert. Mit den Adobe Lösungen Adobe Experience Manager, Adobe Target und Adobe Campaign haben sie die Lösung gefunden. „Mit Adobe haben wir eine Suite, die viele weiterführende und wichtige Funktionen bereits für uns vorhält“, sagt Patricia Kasandziev.
Ein anderer Wunsch war, die Websitebesucher möglichst sofort mit relevanten, lokalen Informationen zu versorgen. Das gilt zum Beispiel auch dann, wenn sie die allgemeine Seite raiffeisen.at aufrufen. Das System sollte erkennen, wo sich der Nutzer befindet oder bei welcher lokalen Bank er Kunde ist.
Lukas Raneburger ist Abteilungsleiter Digitalisierung bei der Landesbank Niederösterreich-Wien und stellt klar: „Auf einer zentralen Website sehe ich als Nutzerin oder Nutzer eventuell viele irrelevante Informationen. Uns war es wichtig, möglichst schon auf der ersten Seite Relevanz zu schaffen.“
Simpler auch hinter den Kulissen
Aber nicht nur für die Kunden ist es simpler und logischer geworden, sondern auch für die Banken selbst. Die früheren Systeme hatten beispielsweise keine Nutzerverwaltung. Wer mehr als eine Bankenseite aktualisieren wollte, musste sich überall erneut anmelden. Über 500 Redakteur-Accounts waren es zuletzt. Mit dem neuen System sind es rund 50 und es gibt einen Single-Sign-On. Auch die Bebilderung der Seiten wurde durch den Asset-Manager deutlich vereinfacht, denn das Tool nimmt viele Handgriffe und Entscheidungen ab.
Das führt zugleich dazu, dass nicht jede Bank ihre Inhalte selbst erstellen muss. Es gibt nun eine zentrale Redaktion für raiffeisen.at und acht regionale Redaktionen der Landesbanken. Dadurch wird der Auftritt einheitlicher und zugleich professioneller. „Das hilft uns bei Themen wie z.B. der Suchmaschinen-Optimierung“, erklärt Lukas Raneburger.
Umgesetzt wurde das Vorhaben durch ecx.io – an IBM Company. „Als lokales österreichisches Unternehmen wollten wir auf jeden Fall einen deutschsprachigen Partner haben“, sagt Patricia Kasandziev. Hier habe man ganz eng mit den Entwicklern zusammengearbeitet. „Wir haben das Projekt gemeinsam und agil, Sprint für Sprint, umgesetzt.“
„Stehenbleiben kann heute keiner mehr“
Nachdem der erste große Schritt inzwischen geschafft ist, ist die Wunschliste nicht kürzer geworden. Eher im Gegenteil: Rund 100 Ideen für zusätzliche und verbesserte Funktionalitäten liegen bereits vor. Und auch die Verbundunternehmen wie Versicherungen, Bausparkassen und Leasing-Anbieter werden in das neue Content Management System integriert. „Die Modernisierung des Technologie-Stacks ist insbesondere im Kontext unserer Digitalisierungsinitiativen perspektivisch ein wichtiger Schritt für die Raiffeisen Bankengruppe“, sagt Lukas Raneburger, und Patricia Kasandziev ergänzt: „Wir beobachten heute rasche Veränderungsprozesse im Kundenverhalten – da müssen wir als Bank ständig in Bewegung bleiben.“