„Marketing muss sich anstrengen“ sagt Christoph Kull
CMO by Adobe/DE sprach mit Christoph Kull über Daten, KI und was in zehn Jahren seit der Übernahme von Omniture passiert ist.
Mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Unternehmenssoftware-Branche prägen Christoph Kull, Vice President & Managing Director Central Europe. Vor seinem Wechsel zu Adobe war Kull beim Finanz- und HR-Cloud-Softwareanbieter Workday tätig, wo er als Regional Vice President die Geschäfts- und Vertriebsaktivitäten des Unternehmens im gesamten DACH-Markt verantwortete. Zuvor arbeitete Kull 15 Jahre bei SAP, in den letzten zwei Jahren als Vice President for Database & Technology für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
CMO by Adobe/DE sprach mit Kull über die aktuell erschienene Studie „Across the Ages“. Die Studie von Adobe zeigt, wie verschieden die einzelnen Generationen in ihrer Markenwahrnehmung sind, wie sie online mit ihren Daten umgehen und welche Erwartungen sie haben, wenn sie einer Marke ihre Daten zur Verfügung stellen. Gibt es also in den Altersstufen eklatante Unterschiede in der Bereitschaft Daten zu teilen – und was überrascht daran am meisten?
Christoph Kull: Die jüngeren Generationen wie Millenials / Generation Z sind leichter beeinflussbar – das sagen sie sogar über sich selbst. Das war etwas überraschend. Zweitens sind jüngere Leute in höherem Maß bereit, ihre Daten preiszugeben. Gleichzeitig sind sie besser informiert, wie man granularer einstellen kann, was mit den Daten passiert. Was überraschend war: Alle Generationen sind bereit ihre Kontaktinformationen vom Namen bis hin zur Adresse im Gegenzug für ein besseres Kundenerlebnis in der digitalen Welt zu teilen. Hier kam mir der Anteil von der Zahl in jeder Altersgruppe sehr hoch vor. Gleichzeitig ist nur ein Viertel der Konsumenten davon überzeugt, dass diese Daten auch ordentlich behandelt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir als Brands oder Marketeers vor der großen Herausforderung stehen, Vertrauen aufzubauen. Hier ist mit 75 Prozent noch viel Luft, eben dieses Vertrauen zu gewinnen. Interessant war, dass auch kaum Vertrauen besteht – unter 20 Prozent – dass es die Politik richten wird. Gerade ein Jahr nach in Kraft treten der DSGVO war das überraschend, dass es hier praktisch keine Erwartungshaltung gibt. Die Ableitung: Marketing muss sich anstrengen. DSGVO ist auch eine Hilfestellung, das sind Leitplanken, aber es muss im Design der Prozesse drin sein. Man muss einige Dinge mehr machen, als nur die Gesetzespflicht einhalten.
CMO by Adobe/DE: Daten sind immer das Rohmaterial für Kundenerlebnisse. Was müssen Brands tun, um beim Sammeln vernünftiger vorzugehen?
Christoph Kull: Zwei Dinge: Erstens muss man Klarheit darüber schaffen, was mit den Daten passiert und wie man sie nutzt. Man muss offen die Möglichkeit geben, das Datensammeln einzuschränken und Aufklärungsarbeit leisten. Zweitens muss man sein Versprechen einlösen und beweisen, dass mit mehr Daten das Erlebnis auch besser wird. Dieser zweite Schritt bedeutet auch eine umfassende Auseinandersetzung mit Marketing-Technologien. Was kann ich anbieten, damit ich das Versprechen eines besseren Kundenerlebnisses im Austausch zu Daten auch einlöse?
Wenn man dann in die Technologien hinein geht: Künstliche Intelligenz kann zum Beispiel helfen, das Versprechen in der Skalierung auch einzulösen. Anders wird es schwierig, tausende von Kunden oder Interessenten mit so relevanten und personalisierten Inhalten anzusprechen, dass sie einen Mehrwert empfinden. Manuell bekommt man das nicht hin. Mit der Technologie ist es möglich, die Daten in Echtzeit so zu verarbeiten, dass sie punktuell, personenspezifisch, auf dem richtigen Kanal, zum richtigen Zeitpunkt, mit der richtigen Message und dem richtigen Content ausgespielt werden.
CMO by Adobe/DE: Viele Firmen haben jahrelang gesammelt und sitzen jetzt auf „Big Data“, wie es so schön heißt. Was kann man ihnen empfehlen?
Christoph Kull: Das finden wir recht häufig vor. Eigentlich ist es eine tolle Ausgangssituation. Aber oft wurde gesammelt und keine Governance oder Expertise aufgebaut. Was kann man empfehlen? Erstens: Baue Expertise auf, etwa mit Data Scientists. Unternehmen müssen also in Leute investieren. Zweitens braucht man Technologie. Die Daten stammen oft aus unterschiedlichen Quellen. Durch Expertise und mit intelligenten Tools werden sie dem Marketeer einfach zugänglich und nutzbar gemacht.
CMO by Adobe/DE: Ähnlich heiß wie über das Datensammeln wird über Künstliche Intelligenz diskutiert. Wo kann KI wirklich helfen?
Christoph Kull: 93 Prozent der Unternehmen, die mehr als 5.000 Mitarbeiter haben, sagen, dass sie im nächsten Jahr KI nutzen werden – in welcher Funktion auch immer. Für mich zeigt das: KI ist Realität, keine Zukunftsmusik. KI kann einfache, sich wiederholende Aufgaben erledigen, zum Beispiel in der Bildbearbeitung zeitintensives Freistellen. Wir können Autos erkennen, wir können automatisch eine CI darüberlegen. Es muss nicht jedes Mal der Designer ans Werk, wenn die CI oder Farbensprache eines Unternehmens über ein Bild gelegt werden muss. Hier können Automatismen helfen.
Der andere Bereich ist das Erkennen von Anomalien. Was Data Scientists mühsam herausfinden müssen, kann die Maschine automatisch liefern – mit Begründung – und sie kann gleich mit einem Automatismus ins Ausspielen gehen. Wenn man das manuell machen will, vergeht Zeit und dann ist wahrscheinlich der Zeitpunkt, zu dem es funktioniert hätte, schon wieder vorbei.
CMO by Adobe/DE: Beim Personalisieren hängen viele noch in Segmenten. Was kann das Echtzeit-Kundenprofil mehr?
Christoph Kull: Profile können eine viel persönlichere, genauere Ansprache möglich machen. Neulich hörte ich in einer Diskussion, dass in „Personalisierung“ schon der Begriff „Person“ gemeint sei. Tatsächlich ist es aber das Wort „Persona“, also zum Beispiel „Generation Z“ und damit eine Verallgemeinerung. Ein Kundenprofil ist tatsächlich auf einen Kunden zugeschnitten. Echtzeit ist dann das Interagieren, das Ausspielen. Das Echtzeit-Profil ist nie fertig, jede Interaktion des Kunden wird darin aufgenommen.
CMO by Adobe/DE: Aktuell jährt sich der Kauf von Omniture durch Adobe vor zehn Jahren – und damit der Einstieg in die Datenanalyse. Was hat sich in der Dekade verändert und wie sieht die Nächste aus?
Christoph Kull: Der Grundstein war die Analyse – das ist sehr interessant im Rückblick. Die Fähigkeit zu analysieren, was während der Customer Journey passiert, mit Content, in der Interaktion, war also der Anfang. Dann kamen weitere Akquisitionen für das Ausspielen, für Automatisierungen – wir haben die Strukturen sukzessive aufgebaut. Die verschiedenen Lösungen fließen so in einem einheitlichen Profil zusammen. Letztes Jahr kamen dann Daten aus den Applikationen von Adobe Plattform Services dazu, die mithilfe von Fremddaten das Profil anreichern. Die Intelligenz war der Anfang, die Plattform ist dann das Zuhause für die Lösungen, wo die Services und KI zentral genutzt werden können. Gleichzeitig arbeiten wir ziemlich stark daran, die Vorteile der Cloud sowie der Infrastruktur von Azure und Amazon Services zu nutzen.