Fintech-Unternehmen fordern etablierte Banken heraus – und das ist gut so: Wie Raiffeisen die Zukunft des Digital Banking gestaltet

Der digital first-Ansatz und das gelungene Design moderner Fintech-Unternehmen fordern die etablierten Strukturen traditioneller Finanzdienstleister heraus. Und das ist gut so: Wenn Banken ihre Stärken – langjährige Expertise und persönliche Nähe zu ihren Kunden – mit Design und Digitalstruktur der Fintechs kombinieren, gewinnen sie einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Fintech-Unternehmen fordern etablierte Banken heraus – und das ist gut so: Wie Raiffeisen die Zukunft des Digital Banking gestaltet

Tatsächlich haben Fintech-Unternehmen wie Monzo und Revolut sowohl im Vereinigten Königreich und in den wirtschaftlich hoch entwickelten europäischen Märkten als auch in den Vereinigten Staaten an Bedeutung gewonnen. Stetig steigende Neukundenzahlen sowie ein loyaler Kundenstamm zeigen, dass Fintech-Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen und ernst nehmen.

„Fintechs haben das Zusammenspiel aus attraktivem Frontend und erstklassigen Kundenerlebnissen auf ein komplett neues Level gehoben – das setzt etablierte Banken unter Zugzwang”, so Felix Wenger, Leiter Channel und Distribution der Schweizer Raiffeisen Bank, einer seit 1899 bestehenden Bankengenossenschaft, gegenüber CMO von Adobe.

Doch viele traditionelle Banken behaupten sich, ihre Filialen bleiben ein wichtiger Anlaufpunkt für Kunden. Wenger geht deshalb davon aus, dass Fintech-Unternehmen zukünftig einige der umfassenden Dienstleistungen traditioneller Finanzinstitute ergänzen werden, um Kunden mehr Auswahl und Flexibilität in der Verwaltung ihrer Finanzen zu bieten.

Aufatmen und sich zurücklehnen können etablierte Banken deshalb aber nicht: Die langjährigen Platzhirschen müssen sich weiterentwickeln, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Stellt die IT an die Frontlinie

Auch die Einführung des Onlinebankings Ende der 1990er Jahre bedeutete eine Disruption für den europäischen Finanzsektor, das zeigt ein Beitrag von Deloitte. Der entscheidende Unterschied: Onlinebanking war ein anbietergetriebenes Phänomen, die heutige digitale Revolution geht jedoch von den Kunden aus.

Unabhängig davon veranlassen Fintechs etablierte Institutionen, die eigene Strategie unter die Lupe zu nehmen. Elegante Benutzeroberflächen, Aktionen durch einen einzigen Klick ausführen zu können sowie kundenorientiertes Branding gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Die größte Herausforderung für traditionelle Banken ist meist die bestehende technologische Infrastruktur. Ältere Systeme sind extrem Backend-lastig und damit für heutige Kundenbedürfnisse überholt. Es gilt deshalb, eine moderne, schlanke Technologieinfrastruktur zu etablieren, die das Frontend und das Kundenerlebnis in den Fokus stellt.

„Unser größter Nachteil gegenüber Fintechs ist die strikte Abtrennung der IT“, erklärt Wenger. „Doch angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung brauchen wir einen direkten Draht in die IT. Dank der engen Zusammenarbeit mit unserem IT-Leiter konnten wir die Architektur unseres Frontends und damit die Erlebnisse, die wir unseren Kunden anbieten, völlig neu gestalten.”

Im Mittelpunkt der Strategie von Raiffeisen steht eine einzige Schnittstelle, die sowohl die eigenen Kundenberater als auch die Kunden selbst bedient. Das erfordert ein hohes Maß an Integration und Transparenz zwischen den Systemen sowie robuste Analysefunktionen.

Für Wenger bedeutet dies eine Umkehrung des traditionellen IT-Ansatzes der Bank, bei dem die Technologie des Custom Buildings auf die spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten wurde.

„Dank der zentralen Infrastruktur können wir Verbesserungen direkt vornehmen und uns schnell an das Kundenverhalten anpassen. So müssen wir nicht jedes Mal von vorne anfangen, wenn wir einen neuen Service einführen wollen“, erzählt er.

Agil bleiben

Dienstleistungen zu digitalisieren und benutzerfreundlicher zu gestalten ist das eine. Doch Fintechs setzen zusätzlich auf ein kluges Branding und ansprechende Inhalte, um auch jüngere Generationen anzusprechen und das verstaubte Bankenimage aufzupolieren.

Auch bei Raiffeisen ist man sich bewusst, dass Branding und Benutzerfreundlichkeit heute wichtiger denn je sind. Das Unternehmen setzt deshalb darauf, Look und Handhabung seiner Anwendungen alle 18 bis 30 Monate anzupassen, um sie auf dem neuesten Stand zu halten. Ohne eine flexiblere Frontend-Architektur wäre das undenkbar.

„Bankprodukte sind weder greifbar noch ansprechend. Das müssen wir über das Kundenerlebnis kompensieren.“

„Es kommt auf die Details an“, weiß Wenger. „Ist koaxiales Scrollen auf dem Smartphone relevant? Generiert es Umsatz? Nein. Doch Kunden schätzen die komfortable Handhabung – und das zahlt sich langfristig aus.“

Das mobile Erlebnis steht bei Raiffeisen im Mittelpunkt, denn Mobile Banking liefert mit acht bis zwölf Prozent die höchste Konversionsrate des Unternehmens. Wenger führte das auf die Verschmelzung der Transaktionslandschaft von Raiffeisen mit der Webumgebung zurück.

„Online ist reines Marketing, echte Bankgeschäfte gehören in die analoge Welt. Wer heute noch so denkt, verhält sich geschäftsschädigend – gerade wenn man Menschen mit dem Handy erreichen will“, erklärt er.

Kommt die Übernahme?

Es ist schwer vorherzusagen, wie sich die Fintech-Revolution entwickeln wird.

„Disruptive Entwicklungen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass es kaum Präzendenzfälle gibt, an denen wir uns orientieren können“, erklärt Wenger. „Doch das heißt nicht, dass wir den Kopf in den Sand stecken und auf das Beste hoffen sollten. Fintechs haben einige deutliche Vorteile gegenüber traditionellen Banken. Darauf müssen wir reagieren – auch mit einer höheren Bereitschaft, Risiken einzugehen.“

Marken wie Uber, Airbnb oder Spotify haben zwar für bestehende Branchen revolutioniert – letzten Endes waren es jedoch völlig neue Geschäftsmodelle, die im Zuge der Disruption entstanden sind. Ganz anders die Fintechs: Sie haben traditionelle Banken unter Zugzwang gesetzt – und das ist gut so. Bestehende Institutionen haben reagiert und sich in puncto Benutzerfreundlichkeit und Design an die Bedürfnisse ihrer Kunden angepasst. Das macht es für Fintechs schwierig, etablierte Akteure tatsächlich zu stürzen.

Die größere Herausforderung liegt laut Deloitte nicht darin, dass sich ein einziger Wettbewerber durchsetzt und den Markt dominiert. Wahrscheinlicher ist, dass eine Kombination neuer Dienstleistungen das traditionelle Bankwesen umstrukturieren wird. Sinnvoll für alle Beteiligen sind deshalb strategische Partnerschaften, in denen Fintechs und etablierte Banken ihre Stärken kombinieren – davon profitieren insbesondere die Kunden, davon ist Wenger überzeugt.